Wenn in früheren Jahren ein neues Modell Premiere feierte, dann drehte sich meist alles um PS-Zahlen, Beschleunigung oder Motorvarianten. Mit der Elektrifizierung der Autos rücken diese Parameter immer mehr in den Hintergrund. Dafür gewinnt der Innenraum eines Autos zunehmend an Bedeutung. Mit dem elektrischen EQS demonstriert Mercedes, wie sich die Definition von progressivem Luxus auf das Cockpit auswirkt. Dort soll ein so genannter Hyperscreen Maßstäbe im Bedienkomfort und in der Anmutung setzen. "Er ist das Zentrum der Aufmerksamkeit und das Zentrum des Infotainments", so Daimler-Chef Ola Källenius bei der virtuellen Premiere.
Anders als in der S-Klasse, wo ein großer Touchscreen über der Mittelkonsole thront, zieht sich der Hyperscreen im EQS über die gesamte Breite des Fahrzeugs. Er ist geschwungen und nicht rechteckig wie bei den bisherigen MBUX-Versionen, die beispielsweise in der Kompaktklasse zum Einsatz kommen. Mercedes-Design-Chef Gordon Wagener spricht angesichts der neuen Form von einem "digitalen Stück Kunst", das einer futuristischen Skulptur gleiche. Die verschiedenen Displays gehen scheinbar nahtlos ineinander über und ergeben so ein 141 Zentimeter breites Bildschirmband. Mit OLED-Technik soll eine besondere Farbbrillanz erreicht werden.
"Der MBUX Hyperscreen ist zugleich Gehirn und Nervensystem des Autos", sagt Mercedes-CTO Sajjad Khan. Im Vergleich zur S-Klasse sei nochmals eine neue Stufe erreicht worden. Die eingesetzte Software, die wie bisher schon von Nvidia stammt, ist intelligenter denn je. Mit acht Prozessoren und einem Arbeitsspeicher von 24 Gigabyte lehrt der Hyperscreen selbst speziellen Gaming-PCs das Fürchten. "Der MBUX Hyperscreen lernt den Kunden immer besser kennen und liefert ein maßgeschneidertes, personalisiertes Infotainment- und Bedien-Angebot, bevor der Passagier irgendwohin klicken oder scrollen muss", so Khan.
Produktion des EQS in der Factory 56
So merkt sich das System bestimmte Verhaltensweisen. Wer also als Fahrer an einem bestimmten Wochentag zur gleichen Uhrzeit einen Telefongespräch mit der gleichen Person führt, der bekommt dies vom System vorgeschlagen und muss künftig nur noch annehmen oder ablehnen. Dadurch sollen Bedienschritte entfallen. Wird das Fahrwerk für die Fahrt über eine Schwelle zur Verkehrsberuhigung angehoben, kann sich MBUX die GPS-Position merken und das Fahrwerk in Zukunft an dieser Stelle automatisch anheben. Die Profile werden dabei auch für unterschiedliche Fahrer oder Beifahrer abgespeichert.
Mit dem neuen Hyperscreen soll der EQS, der im Sommer Premiere feiert, zur Ikone der Elektrooffensive von Mercedes werden. Neben dem EQS kommen in diesem Jahr auch EQA, EQB und später noch der EQE auf den Markt. Während der EQC noch als Kompromiss auf Basis des Verbrennermodells gebaut wurde und bisher kein Verkaufsschlager ist, steht der EQS erstmals auf einer speziell für den Elektroantrieb entwickelten Plattform mit dem Namen EVA II. Sie ermöglicht die Nutzung deutlich größerer Batterie und sorgt zusammen mit dem Design und neuen Batteriezellen von CATL für eine Reichweite von rund 700 Kilometern nach dem neuen Zyklus WLTP. Tempo 100 erreicht das Auto innerhalb von weniger als 4,5 Sekunden.
Der EQS wird zusammen mit der neuen S-Klasse in der Factory 56 in Sindelfingen produziert. Sie ist voll digitalisiert und gilt als effizienteste und nachhaltigste Fabrik im Produktionsverbund von Mercedes. Die Produktion des EQA ist in Rastatt bereits angelaufen, das Modell feiert in wenigen Tagen Premiere. Der EQB wird im ungarischen Kecskemet vom Band laufen. Er war zunächst für das französische Werk Hambach vorgesehen. Doch wegen mangelnder Auslastung und Kosteneinsparungen hatte sich Daimler entscheiden, das Werk an die britische Firma Ineos Automotove zu verkaufen, die dort den Geländewagen Grenadier produzieren will. Der EQE wird in Bremen gefertigt, wo auch der erfolglose EQC montiert wird. Im nächsten Jahr sollen dann die SUV-Varianten des EQS und EQE aus dem amerikanischen Werk in Tuscaloosa folgen.
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