Seine ersten hundert Tage hat Renaults neuer Vorstandschef längst hinter sich gebracht. Der frühere Seat-Chef ist im Juli an die Spitze der Renault-Gruppe getreten. Nun endlich, am 14. Januar, will er seine Pläne zum Umbau und Neustart des Konzerns publik machen.
Es ist nicht weniger als eine "Revolution", die der Italiener mit dem französischen Unternehmen vorhat. Dies wird bereits an dem Titel des Umbauprogramms deutlich: "RENAULuTion" hat de Meo seine Strategie getauft.
In einem internen Papier von mehreren Seiten, das der Automobilwoche vorliegt, beschreibt de Meo für die Führungskräfte des Unternehmens sowie für die Arbeitnehmervertreter die wesentlichen Punkte der Restrukturierung.
Bereits Anfang November hatte de Meo in einem Interview mit der Schwesterzeitschrift der Automobilwoche, Automotive News Europe, erste Eckpunkte des Umbaus skizziert. Nun wird durch das interne Papier das Gesamtkonzept etwas greifbarer.
Punkt 1: Kostensenkung
Höchste Priorität für de Meo haben Kosteneinsparungen. "Man muss noch weitergehen bei den Bemühungen um Kostensenkungen", schreibt er in dem Papier. Dabei gehe es auch um die "Redimensionierung der Entwicklung" im gesamten Konzern.
Konkrete Größenordnungen nennt de Meo noch nicht, doch steht zu erwarten, dass de Meo Parallel-Entwicklungen und nicht unmittelbar verwertbare Technologiefelder künftig vermeiden will. Dies könnte auch zu verstärkten Kooperationen führen.
Im Mai hatte Renault bereits – vor der Ankunft von de Meo – das Ziel verkündet, im Bereich Entwicklung pro Jahr rund 800 Millionen Euro einsparen zu wollen und 1500 Stellen zu streichen.
Punkt 2: Verkleinerung des Angebots
De Meo will dem Papier zufolge das breite Angebot von Renault verringern und zwar um rund 30 Prozent. Als Beispiel nennt de Meo hier ausdrücklich das Vorgehen von PSA-Chef Carlos Tavares bei der deutschen Tochter Opel, die mehrere Modellreihen eingestellt hat.
Der Abbau von Modellreihen soll aber geschehen, ohne Einbußen beim Absatz und bei der Marktabdeckung der Segmente zu erleiden. Das dürfte sehr schwierig werden, denn die Verbraucher wurden in den vergangenen Jahren mit immer mehr Derivaten und Sub-Derivaten verwöhnt und die Wettbewerber stehen bereit, um auftauchende Lücken im Angebot sofort zu füllen.
Punkt 3: Schwerpunktlegung auf das C-Segment
De Meo will sich künftig noch stärker als bisher auf das volumenstarke und auch margenstarke C-Segment konzentrieren. "Das C-Segment ist das Zentrum der Schwerkraft in unserem Angebot", erklärt der Renault-Chef in dem internen Papier. Und führt aus: "Ich habe keine Angst zu sagen, dass wir bis 2025 eine Steigerung der Transaktionspreise in diesem Segment von 25 bis 30 Prozent erreichen können." Und an anderer Stelle heißt es: "Das Angebot dient dazu, einen Ertrag zu generieren, nicht dazu, Volumen zu schaffen."
Die Steigerung der real erzielbaren Preise am Markt war und ist auch für PSA-Chef Tavares ein Kern jeder Strategie. Das bedeutet eine Absage an Volumenorientierung. Genau dafür stand aber bislang Renault wie kaum ein anderer Autobauer. Unter dem gefeuerten Präsidenten der Renault-Nissan-Allianz, Carlos Ghosn, galt ein höheres Volumen als zentraler Baustein für den Unternehmenserfolg. Das Credo lautete: mehr Volumen = mehr Synergien = bessere Wettbewerbsposition.
Für Renault dürfte es sehr schwer werden, die jahrzehntelang geübte Massen-Strategie zu verlassen. Dies wird vermutlich nur in einem langjährigen Prozess möglich sein. Denn der französische Staat spricht bei Renault dank seiner 15-prozentigen Beteiligung stets mit und verhindert einen allzu drastischen Stellenabbau – zumindest im Heimatland.
Punkt 4: Zurückfahren der internationalen Ambitionen
De Meo hält es für nötig, die globale Position von Renault zurechtzurücken – und von zu ehrgeizigen globalen Plänen Abstand zu nehmen. "Unsere geographische Expansion hat nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht", stellt er nüchtern fest. "In einem stark instabilen Umfeld haben Märkte wie die Region Eurasien und Lateinamerika nicht die erhofften Rückläufe erbracht." Dies dürfte vor allem auf den dauerhaft schwächelnden russischen Markt und die dominierende Rolle von Renault bei Avtovaz (Lada) gemünzt sein, aber auch auf andere regionale Schwachpunkte von Renault in Europa.
Den chinesischen Markt will de Meo jedoch nicht aufgeben, auch wenn Renault dort als letzter großer Autobauer aufgetreten ist und bislang nicht annähernd seinen Anspruch als Volumenhersteller erfüllen konnte. In China sollen nun verstärkt Lieferfahrzeuge den Marktanteil von Renault und seinen Partnern in die Höhe treiben.
Punkt 5: Mehr Innovationskraft, weniger Zulieferer-Power
Unzufrieden ist de Meo mit der Innovationskraft bei Renault. Renault müsse wieder mehr Innovationen aus eigener Kraft entwickeln und weniger abhängig sein von den Erfindungen der Zulieferer, fordert er. "Man muss die Kreativität zurückbringen und das Savoir-Faire bei Renault. Man muss die Ingenieure arbeiten lassen, statt Programme verwalten zu lassen", so de Meo.
Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass es Technologie-Zulieferer bei Renault künftig schwerer haben könnten. Doch bis dahin ist es ein langer Weg und etablierte Lieferantenstrukturen lassen sich nicht binnen Monaten ersetzen.
De Meo sieht das wohl ähnlich, denn er will einen Zehnjahres-Plan für die Neuaufstellung der Entwicklung im Konzern erstellen. Dieser soll eng an die Entwicklung bei Nissan gekoppelt werden, um Parallel-Entwicklungen zu vermeiden und mehr technologische Synergien zu schaffen.
Punkt 6: Neue Geschäftsfelder entwickeln
Wie andere Autobauer will auch Renault stärker in neue Geschäftsfelder investieren, die über den Bau von Fahrzeugen hinausreichen. Die gesamte Welt mobiler Dienstleistungen soll sich auch bei Renault wiederfinden. De Meo hat hier eine konkrete Vorgabe: "Wir werden ab 2026 20 bis 30 Prozent unserer Aktivitäten in Feldern haben, die nichts mehr mit dem klassischen Automobilbau zu tun haben", kündigt er an.
Konkret nennt er die Bereiche Fintech, Flottenmanagement, Cybersecurity, Kreislaufwirtschaft und High-Tech-Entwicklungen außerhalb der Automotive-Welt.
Punkt 7: Stärkung der Allianz
Auf keinen Fall aufgeben oder schwächen will de Meo die Allianz mit Nissan und Mitsubishi. Vielmehr gebe es "magische Projekte", schwärmt der Renault-Chef. Die gemeinsamen Projekte müssten aber "konkreter und präziser" gefasst werden, fordert er.
Gemeinsame Aktivitäten will er in den Bereichen Wasserstoff-Technologie und Mobilitätsdienstleistungen vorantreiben. Auch der Einkauf könne noch Synergien heben. De Meo warnt: "Wenn wir die drei Mitglieder der Allianz voneinander trennen, begeben wir uns direkt in die zweite Liga der Automobilhersteller. Ich bin deshalb entschlossen, alles für ihren Erfolg zu tun."
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