Der Daimler-Konzern hat die Belegung seiner Werke für die große Elektro-Offensive festgezurrt. Im Gegensatz zu anderen Herstellern wie etwa dem VW-Konzern ist bei Mercedes aber nicht erkennbar, dass Deutschland der große Standort für die Elektromobilität wird. Vier der bisher bekannten acht Modelle der EQ-Familie werden in Bremen, Rastatt oder Sindelfingen produziert, der Rest im Ausland.
Neu ist, dass der Mercedes EQB im ungarischen Kecskemet gefertigt wird. Anlauf ist noch in diesem Jahr. Die Entscheidung habe wirtschaftliche Gründe, bestätigte ein Daimler-Sprecher. Im Interview mit der Automobilwoche war Betriebsratschef Michael Brecht vor wenigen Wochen noch überzeugt, auch den EQB nach Rastatt holen zu können.
Der EQB hätte ursprünglich im französischen Hambach neben dem rein elektrischen Smart produziert werden sollen. Doch der Konzern hat entschieden, das Werk an den britischen Hersteller Ineos Automotive zu verkaufen, der dort einen Geländewagen baut und auch die Smart-Produktion bis zum Ende des Lebenszyklus übernimmt. Der EQB feiert im Frühjahr in China Premiere und soll neben Kesckemet auch in Peking vom Band laufen.
Wie geplant läuft in Rastatt in diesen Tagen der EQA an, der am 20. Januar Premiere feiert und im Frühjahr auf den Markt kommen soll. Das kompakte SUV wird auf der gleichen Linie wie die Verbrennermodelle montiert. Mercedes geht damit einen anderen Weg als der VW-Konzern, der komplette Werke für die ausschließliche Produktion von Elektromodellen umgerüstet hat. "Dieses Konzept ist vor allem deshalb von Vorteil, da sich die Nachfrage nach elektrischen und elektrifizierten Fahrzeugen regional sehr unterschiedlich entwickelt und wir entsprechend unsere Produktionsplanung kurzfristig anpassen können", sagt Mercedes-Produktionschef Jörg Burzer.
Auch China erhält vier Modelle
Das Werk Bremen erhält den Zuschlag für die elektrische Business-Limousine EQE, die 2021 an den Start geht und sich unterhalb des EQS einsortiert. "Wir starten jetzt ein wahres Mercedes-EQ-Anlauf-Feuerwerk", so Burzer. In Bremen wird bereits der EQC gefertigt. Damit ist Bremen das einzige Werk, das zwei rein elektrische Modelle bekommt.
Weil der EQE auch in Peking vom Band laufen soll, sind es in China zusammen mit EQA, EQB und EQC vier Modelle und damit genau so viele wie am Standort Deutschland.
Mit dem EQS feiert auch das Flaggschiff der elektrischen Modellfamilie noch in diesem Jahr Premiere. Es wird wie die S-Klasse im Werk in Sindelfingen in der neuen Factory 56 gefertigt. Sie war vor wenigen Wochen eröffnet worden und soll Maßstäbe setzen bei Effizienz und Umweltfreundlichkeit. So sei die Produktivität im Vergleich zum Vorgänger um ein Viertel gesteigert worden, heißt es bei Daimler.
Den Abschluss der Offensive bilden die beiden großen SUV auf Basis von EQE und EQS, die von 2022 an im US-Werk Tuscaloosa vom Band laufen. Flankiert wird die Elektro-Offensive von einer Batterie-Produktion, die möglichst in der Nähe der Standorte angesiedelt ist. "Die lokale Fertigung von hocheffizienten Batteriesystemen spielt dabei eine zentrale Rolle in der Mercedes-Benz Strategie – gekoppelt mit einem umfassenden Nachhaltigkeitskonzept, das den gesamten Lebenszyklus der Batterie bis hin zum Recycling abdeckt", so Burzer.
Bisher hat Mercedes abgesehen vom Van EQV, der im spanischen Vitoria vom Band läuft, nur den EQC als echtes Pkw-Modell am Start. Zu Beginn des Jahres war Daimler-Vetriebschefin Britta Seeger noch davon ausgegangen, innerhalb von zwölf Monaten rund 50.000 EQC produzieren und verkaufen zu können. Während sich Daimler nun zum Absatz nicht mehr äußern will, sprechen die Zulassungszahlen eine deutliche Sprache.
So kommt das Statistikportal Carsalesbase für den EQC bis Ende Oktober auf 9375 verkaufte Exemplare in Europa und 2792 in China, wo der EQC ebenfalls produziert wird. Deutlich erfolgreicher ist beispielsweise der Audi e-tron, der im gleichen Segment antritt und bereits im ersten Halbjahr über 17.000-mal in Kundenhand überging.
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