Das seit 50 Jahren bestehende Ford-Werk im saarländischen Saarlouis könnte bei der laufenden Restrukturierung von Ford in Europa zum großen Verlierer werden. Der Betriebsrat sorgt sich um die Existenz des ganzen Werkes. Grund dafür ist einerseits die jüngste, noch nicht offiziell bestätigte Entscheidung, das erste E-Auto von Ford in Europa im Werk Köln zu bauen. Grund sind aber auch weitere Kapazitätskürzungen in Saarlouis.
Das Unternehmen kappte jüngst erneut seine Produktionsziele für den in Saarlouis gebauten Focus im laufenden und auch im kommenden Jahr. Für den laufenden Dezember wurden vorerst drei zusätzliche Kurzarbeiter-Tage angesetzt.
Im laufenden Jahr will Ford nach Angaben des Betriebsrates in seinem Focus-Werk nur noch 178.000 Einheiten bauen statt der zuletzt noch vorgesehenen 181.000 Einheiten. Vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie hatte der Autobauer in diesem Jahr noch mit 237.000 Focus aus Saarlouis gerechnet.
Für 2021 plant der Hersteller dann noch mit einer weiteren Verkleinerung der Produktion. Die so genannte Tagesbaurate in Saarlouis soll von Mitte Februar an von bislang 1115 Einheiten auf 965 Einheiten schrumpfen. Ursprünglich war diese Verringerung der Kapazitäten erst für die Zeit nach den Sommer-Werksferien 2021 vorgesehen.
Eine deutliche Unterauslastung droht
Die rund 5200 Mitarbeiter in Saarlouis sorgen sich angesichts dieser Talfahrt immer mehr um die Zukunft des gesamten Werkes nach dem Herbst 2024. Im September 2024 läuft nach bisheriger Planung die Produktion des aktuellen Focus in Saarlouis aus, dem einzigen dort noch gebauten Modell. 2019 hatte Ford die Produktion des C-Max in Saarlouis eingestellt und die Nachtschicht gekappt. Seither wird dort nur noch in zwei Schichten gearbeitet, wobei die Kurzarbeitertage weiter zunehmen.
"Trotz der bisherigen gravierenden Sparmaßnahmen und eines Abbaus von mehr als 1600 Stammarbeitsplätzen droht eine Unterauslastung des Werkes", sagt Betriebsratschef Markus Thal im Gespräch mit der Automobilwoche. "Weil das Werk Saarlouis, aber auch das in Köln, jeweils nur ein Modell fertigen, ergibt sich somit die Existenzfrage für die jeweilige Fertigung."
Der Betriebsratschef fordert die Geschäftsführung auf, endlich Gespräche über die Zukunft des Standortes zu beginnen. "Für den Start eines neuen Modells werden üblicherweise Vorlaufzeiten von 36 bis 48 Monaten eingeplant." Es sei daher höchste Zeit, über die Aufgaben des Werkes ab Herbst 2024 zu sprechen. "Das Verhalten der Geschäftsleitung nährt den Boden für Spekulationen darüber, das es wohl Pläne gibt, aber man offenbar nicht bereit ist, uns diese mitzuteilen."
Seinen Angaben zufolge hat Deutschlandchef Gunnar Herrmann inzwischen zugesagt, diese Gespräche "Anfang 2021" zu starten. Ein Unternehmenssprecher erklärte, derzeit könne Ford sich nicht konkret zur weiteren Restrukturierung äußern. "Die Neugestaltung (von Ford in Europa) umfasst auch die Entwicklung von Produkt-, Konnektivitäts- und Fertigungsstrategien, die auf ein längerfristiges Wachstum des Geschäfts ausgerichtet sind," fügte er hinzu.
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