Volkswagen legt bei der Elektrooffensive nach. Der Konzern setzt dabei auf das Transporter-Werk in Hannover, das zur neuen Vorzeigefabrik werden soll. Ab 2024 werden dort in kurzer Folge gleich drei E-Modelle in Serie gehen, die allesamt dem Artemis-Projekt von Audi entspringen. "Drei Leuchtturmprojekte für Bentley, Porsche und Audi", kündigte Vorstandschef Herbert Diess an. "Vollelektrisch, top of the range und mit der Fähigkeit zum autonomen Fahren nach Level 3 oder Level 4." Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der bei VW im Aufsichtsrat sitzt, sprach von "Flaggschiffen der Elektromobilität für den gesamten Konzern".
Wo bislang der Bulli vom Band rollt, sollen dann die Top-Stromer der Premium-Töchter entstehen. Große Stückzahlen sollen es aber nicht werden, fügte Diess hinzu. "Wir reden über relativ niedrige Volumen." Der Verkaufspreis dürfte nach Informationen der Automobilwoche jeweils im sechsstelligen Bereich liegen.
Audi-Topmodell macht 2024 den Anfang
Offiziell spricht man bei VW von drei D-SUVs. Doch in Wirklichkeit handelt es sich nach Informationen der Automobilwoche nur bei einem der drei Fahrzeuge um ein echtes SUV. Den Auftakt soll 2024 eine große Limousine von Audi oberhalb des derzeitigen Spitzenmodells A8 machen, die unter dem Codenamen "Landjet“ entwickelt wird und am Ende A9 e-tron heißen könnte.
Kurz danach soll auf derselben technischen Basis ein Crossover von Porsche folgen und 2025 dann der erste Stromer der britischen Nobelmarke Bentley, den deren Chef Adrian Hallmark vor zwei Wochen angekündigt hatte. Dabei handelt es sich dem Vernehmen nach tatsächlich um ein großes SUV. Alle drei teilen sich die gemeinsame PPE-Plattform von Porsche und Audi, die für Artemis weiterentwickelt wird.
Rückstand bei Software
Mit dem Projekt hat Diess vor allem Tesla im Visier. Genau dafür hatte VW im Frühjahr das Artemis-Projekt ausgerufen. "Wir versuchen, sehr schnell sehr nah an Tesla heranzukommen", sagt Diess. Vor allem bei der Software sei VW noch weit im Rückstand. Das soll sich mit der neuen Car-Software-Organisation, die wie Artemis Audi-Chef Markus Duesmann untersteht, nun ändern. Das Betriebssystem VW.OS, das dort entwickelt wird, soll bei den drei Artemis-Modellen erstmals zum Einsatz kommen. "Wir können dann in allen Disziplinen mit Tesla konkurrieren", verspricht Diess.
680 Millionen Euro steckt VW allein in den Ausbau des Werks in Hannover. Die Umrüstung ist Teil des vom Aufsichtsrat abgesegneten Investitionsprogramms bis 2025. 150 Milliarden Euro sind eingeplant, fast die Hälfte davon für Zukunftsprojekte: 35 Milliarden Euro für die Elektromobilität, weitere elf Milliarden für Hybridantriebe. "Und wir verdoppeln den Etat für Software von elf auf 24 Milliarden Euro", sagt Diess. Ziel sei es, bis 2025 den eigenen Software-Anteil im Auto von derzeit zehn auf 60 Prozent zu steigern.
Modelle zu groß für andere Werke
Dass am Ende Hannover den Zuschlag für den Bau der drei Top-Stromer erhielt, begründet Diess vor allem mit der Größe der Fahrzeuge. Vor alle in der Lackierei sei das eine herausforderung. "Da hatten wir nicht allzu viele Standorte, die dazu in der Lage sind. Da blieb im Grunde nur Hannover." Zudem wird der Standort ohnehin schon für den E-Bulli ID.Buzz umgebaut, der hier 2022 anlaufen soll. Damit sei der Standort dann bereits vorbereitet auf Elektroautos. Und nicht zuletzt gab es in Hannover auch freie Kapazitäten.
Der Zeitplan für die neuen Tesla-Jäger passt für das Transporter-Werk perfekt. Denn 2024 soll dort der T6.1 auslaufen, der bis dahin noch als Lieferwagen weitergebaut wird. Den Nachfolger T7, der 2021 in Hannover anläuft, wird es dagegen nur noch als Multivan für Personentransporte geben. Den Lieferwagen dazu soll dann der neue Kooperationspartner Ford bauen, ebenso die nächste Generation des Pick-ups Amarok, der in Hannover bereits im Mai ausgelaufen ist.
Belegschaft macht Zugeständisse
"Der neue Multivan, der ID.Buzz und jetzt die D-SUVs sind unser Portfolio für dieses Jahrzehnt", sagte VWN-Betriebsratschefin Bertina Murkovic. "Eine größere Sicherheit für den Standort und für die Beschäftigten kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht herstellen." Für den Zuschlag musste die Belegschaft allerdings Zugeständnisse machen. "Die deutschen Standorte musste zunächst Kostenzusagen machen, bevor wir neue Produkte vergeben haben", sagte Finanzvorstand Frank Witter. Welche Zugeständnisse die Belegschaft konkret gemacht hat, ließ das Unternehmen auf Nachfrage offen.
"Es war ein hartes Ringen, im Wettbewerb mit anderen Konzernmarken", berichtete Betriebsratschefin Murkovic "Aber letztlich konnten wir mit unserem Standortvertrag im Rücken und unserer Qualitätskompetenz diese Fahrzeuge für Hannover gewinnen. Damit ist eine Auslastung, die unsere Beschäftigung wie vereinbart entlang der demografischen Kurve sichert, für die kommenden Jahre vorhanden." VW hatte bereits 2018 angekündigt, bis 2029 rund 5000 der damals 15.000 Stellen im Werk Hannover abzubauen. Betriebsbedingte Kündigungen soll es dabei nicht geben.
VWN lieferte bereits Karosserien für Porsche
Ganz neu ist der Ausflug des Nutzfahrzeugwerks ins Pkw-Premiumsegment nicht: Von 2009 bis 2016 wurden hier bereits die Karosserien für die erste Generation des Porsche Panamera produziert. Auch damals lag der Zuschlag vor allem an der Größe der Karosserien.
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