Keine Diskussion ohne das Stichwort Brennstoffzelle. Und so musste auch Wolf Henning Scheider vom Zulieferer ZF beim Automobilwoche Kongress vor einigen Tagen die Frage beantworten, wie sich sein Unternehmen bei der Trendtechnologie schlechthin engagiert. Die Einschätzung überraschte, denn von der allgemeinen Euphorie um das Thema angesichts von Fördermilliarden der Europäischen Union und nationalen Regierungen lässt sich der ZF-Chef so gar nicht anstecken. "Ich sehe bis zum Jahr 2030 keinen Technologiebereich, der batterieelektrischen und Plug-in-Fahrzeugen Konkurrenz machen würde", sagte Scheider. Für die Zeit danach sieht er Einsatzbereiche beim Lkw, weil hier die Nutzlast deutlich weniger eingeschränkt wird als beim batterieelektrischen Antrieb. "Aber beim Pkw wäre ich extrem skeptisch", so Scheider.
Damit stellt sich Scheider klar auf die Seite derjenigen, die dem Wasserstoff zumindest bei den Pkw vorerst keine Chance geben. Damit ist er nicht allein. Vor allem die deutschen Autobauer geben der rein batterieelektrischen Elektromobilität klar den Vorrang. So deckt sich Scheiders Einschätzung etwa mit der von VW-Chef Herbert Diess, der dem Wasserstoff-Antrieb in der Vergangenheit wiederholt eine Absage erteilt hat und vor allem die Herstellung und den Transport als ein großes Problem sieht. Auch Volkswagen-Markenchef Ralf Brandstetter hält wenig von dem Thema: "Die Brennstoffzelle ist für uns im Bereich Pkw keine Option."
Anders als andere deutsche Hersteller hat der Volkswagen-Konzern keine Milliarden für die Forschung ausgegeben. Zwar gibt es Studien wie den Audi h-tron quattro concept, der auf einer früheren Version des A7 h-tron aufbaut und 2015 bei der IAA präsentiert wurde. Doch mehr als eine Vision für die Zukunft ist daraus nie geworden. Wie bei anderen Autobauern zweifeln insbesondere die Vertriebler an der Zukunft des Wasserstoffantriebs. Eines der Probleme liegt seit vielen Jahren in der immer noch kaum vorhandenen Infrastruktur. So gibt es aktuell 84 Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland. Zu wenige, um potenziellen Kunden die Reichweitenangst nehmen zu können.
Hohe Kosten pro Fahrzeug
Ablesen lässt sich die generelle Skepsis am besten am Daimler-Konzern, der nach zwei Jahrzehnten und vielen Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung im Jahr 2019 den GLC-F-Cell als Kleinserie auf den Markt brachte, um schon wenig später das Aus für die Technologie zu verkünden. So soll der GLC F-Cell keinen Nachfolger erhalten, stattdessen alle Ressourcen bei den Pkw in die rein batterieelektrische E-Mobilität fließen. "Bei den Pkw konzentrieren wir uns in den nächsten zehn Jahren auf die Batterie", sagt Daimler-Chef Ola Källenius. Die Verantwortung für den Bereich hat er deshalb an die Lkw-Sparte übergeben. Truck-Chef Martin Daum hat erst kürzlich eine Studie eines Brennstoffzellen-Sattelzugs vorgestellt, der bis zu 1000 Kilometer weit mit Wasserstoff fahren soll. Marktreif werde dieser aber erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts sein.
BMW dagegen nimmt eine Art Vermittlerrolle zwischen den Lagern ein. Nach jahrelangem Stillstand haben die Münchner zuletzt die Aktivitäten zusammen mit dem Partner Toyota forciert und für 2022 ähnlich wie Daimler einen BMW X5 mit Brennstoffzelle und zusätzlichem Elektromotor für mehr Fahrdynamik in Kleinserie angekündigt. Doch ob dieser angesichts der Corona-Krise und sinkender Margen wirklich kommt, darf bezweifelt werden. Immerhin will man sich die Brennstoffzelle als eine mögliche Säule beim Antrieb offen halten. Offiziell liest sich das so: "Bei BMW ist man davon überzeugt, dass Wasserstoff einen wichtigen Beitrag zu nachhaltiger Mobilität in der Zukunft als Ergänzung zu Batteriefahrzeugen leisten kann – wenn denn die geeignete Wasserstoff-Infrastruktur mit einem günstigen Wasserstoffpreis zur Verfügung steht und der Fahrzeugpreis sinkt."
Es sind vor allem die hohen Kosten, die einen Durchbruch bisher bremsen. So wird etwa gemunkelt, dass der jeder einzelne der wenigen Hundert Exemplare des Mercedes GLC F-Cell mehrere Hunderttausend Euro verschlungen habe. Bis ein Brennstoffzellenauto also wirklich im Preis konkurrenzfähig wird, dürften noch einige Jahre vergehen. Hinzu kommt der deutlich geringere Wirkungsgrad als bei einem reinen Elektroauto. Die Brennstoffzelle ergibt ökologisch nur dann Sinn, wenn der Wasserstoff mit regenerativen Energien erzeugt wird. Dafür sind aber große Mengen erforderlich, die in Deutschland nicht vorhanden sind. Also müsste der Wasserstoff dort produziert werden, wo es Wind, Wasser oder Sonne im Überfluss gibt, was wiederum den Transport über lange Strecken notwendig machen würde.
"Der von Deutschland eingeschlagene Weg greift zu kurz"
Während in Europa bei den Herstellern erhebliche Zweifel an der massenhaften Verbreitung der Technologie im Pkw bestehen, sieht dies in Asien ganz anders aus. So hat Toyota bereits die zweite Generation des Mirai auf den Markt gebracht, der deutlich günstiger ist als sein Vorgänger und endlich größere Stückzahlen bringen soll. "Neue Impulse, die Brennstoffzelle in der Breite zu etablieren, kommen vor allem aus Asien. So planen Toyota und Hyundai bis 2030 jährlich 500.000 FCEVs allein für den Einsatz in PKW zu produzieren", heißt es in einer aktuellen Studie von Berrylls Strategy Advisors. Auch in China verschieben sich die Gewichte zugunsten der Brennstoffzelle. Dort fließen mehrere Milliarden Euro in die Förderung der Technologie und in den Aufbau einer Infrastruktur.
Auf diesen Märkten sehen auch deutsche Zulieferer ihre Chance. So hat sich erst kürzlich ElringKlinger mit dem französischen Konzern Plastic Omnium verbündet, um in Zukunft ganze Antriebssysteme für Pkw anbieten zu können. Für das Gemeinschaftsunternehmen rechnet ElringKlinger-Chef Stefan Wolf ab dem Jahr 2030 mit Umsätzen bis zu einer Milliarde Euro. Wolf geht aber wie die Analysten von Berrylls davon aus, dass sich die Technologie zuerst in Asien verbreitet, bevor auch in Europa und den USA höhere Stückzahlen bei Autos möglich werden. Auch der französische Zulieferer Faurecia glaubt fest an die Brennstoffzelle. Wann der genau der Durchbruch komme, lasse sich aber schwer vorhersagen, Chef Patrick Koller.
Welches der beiden Lager am Ende Recht behält, wird die Zukunft zeigen. Doch das Risiko, dass sich eine in Deutschland maßgeblich entwickelte Technologie woanders durchsetzt und vorangetrieben wird, ist hoch. "Der von Deutschland eingeschlagene Weg, Brennstoffzellen in erster Linie für Lkw, Schiff- und Luftfahrt zu nutzen, greift langfristig zu kurz. Länder wie China, Korea und Japan haben erkannt, dass der PKW zwar nicht die Anwendung der ersten Stunde, sehr wohl aber der zukünftige Volumenträger der Brennstoffzelltechnologie sein und ihr so zum Durchbruch verhelfen wird.“, erklärt Berrylls-Experte Andreas Radics.
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