Die zweite Welle der Corona-Krise kommt bei Autohäusern und Werkstätten an. Zwar müssen die Kfz-Betriebe nicht wie im Frühjahr schließen, aber die Nachfrage geht zurück. "Die Kunden sind verunsichert. Seit Oktober gehen die Aufträge wieder deutlich zurück", sagt Thomas Peckruhn, Vizepräsident beim Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) und Sprecher der Fabrikatsverbände. Dies sei in den Auslieferungszahlen noch nicht angekommen.
Ähnlich beurteilt ZDK-Geschäftsführerin Antje Woltermann die Situation: "Die Nachfrage ist in den vergangenen Tagen wieder deutlich zurückgegangen. Für viele Händler spitzt sich die Situation zu." Die Bereitschaft der Hersteller, die Händler in dieser schwierigen Phase zu unterstützen, sei derzeit deutlich weniger ausgeprägt als im Frühjahr.
Das Virus bestimmt wieder zunehmend den Alltag. Dies bestätigen auch Erhebungen: Im Oktober sagten 86 Prozent, sich mit Corona und den Folgen des Virus häufig oder fast immer zu beschäftigen. Während der ersten Welle im Juni waren es nur 73 Prozent. Dies ergab eine Umfrage von Gesundheitsministerium, Ifo-Institut und Forsa.
Dabei wirkt sich der Nachfragerückgang diesmal anders aus als im Frühjahr. Denn im Gegensatz zum Frühjahr ist „das Thema Liquidität für viele Händler nicht das größte Problem. Durch die gute Auftragsperformance nach dem Lockdown haben sich die Bestände abgebaut“, so Peckruhn. Dabei habe die Mehrwertsteuersenkung von drei Prozent eine deutliche Wirkung gezeigt.
Neue Abgasregelungen ab 2021
Eher fürchten Händler, dass die rückläufige Nachfrage durch einen zunehmenden Druck von Herstellerseite verstärkt wird. Nicht zuletzt weil sich die Abgasnormen wieder Anfang des Jahres ändern und die Hersteller zum Teil noch Fahrzeuge produzieren, die bis Jahresende zugelassen werden müssen. Darauf hat der PSA-Konzern seine Händler in Deutschland bereits vorbereitet.
"Zahlreiche Hersteller haben Probleme mit der Umstellung auf die ab Anfang nächsten Jahres geltenden Euro-6-Normen", sagt Peckruhn. Entsprechend würden die Höfe vieler Händler mit Fahrzeugen vollstehen, die noch in diesem Jahr zugelassen werden müssen. Allein in der Autohaus Liebe Gruppe, die auf Skoda spezialisiert ist, betrifft dies laut Peckruhn rund 350 Fahrzeuge.
Die Händler fürchten, dass Hersteller die Umstellungsprobleme auf ihrem Rücken austragen und sie dadurch weiter in Schwierigkeiten kommen. "Zum einen verlieren wir durch die Zulassungen Geld und die Restwertabsicherung, zum anderen gib es Schwierigkeiten mit den Zulassungsstellen, so dass wir gar nicht wissen, ob dies klappt", ergänzt Peckruhn.
Entsprechend kämpfen Peckruhn und die gesamte Verbandsorganisation, dass die Zulassungsstellen möglichst lange offen bleiben, auch zwischen den Jahren. Denn die Ämter sind entscheidend für den Erfolg der Autohäuser, das zeigte sich auch im Frühjahr.
Shutdown in europäischen Ländern
Die Entwicklung könnte sich noch weiter verstärken. Denn in vielen anderen europäischen Ländern mussten die Autohäuser wieder schließen. Laut dem europäischen Dachverband Cecra melden seine Mitgliedsverbände in Frankreich, Irland und Belgien geschlossene Autohäuser, auch in Großbritannien sind die Ausstellungsräume zu.
Für die Hersteller und ihre Vertriebspartner stellt sich die Situation gleich dar wie im Frühjahr in Deutschland. Entscheidend ist, den Kontakt zu den Kunden zu halten und ihnen die bestellten und produzierten Fahrzeuge zukommen zu lassen.
"Unser Ziel ist es nun, 100 Prozent unserer Bestellungen auszuliefern, wodurch es möglich sein wird, die Cashflow-Probleme zu vermeiden, unter denen das Netzwerk im vergangenen Frühjahr gelitten hat", sagte Ivan Segal, Renault-Verkaufsdirektor für Frankreich, in einem Interview mit der französischen Website JournalAuto.com.
Hersteller konzentrieren sich auf Auslieferungen
Ähnlich äußert sich Matt Harrison, Executive Vice President of Sales bei Toyota Europe. Er sagte gegenüber Automotive News Europe, Toyota und Lexus hätten eine Auftragsbank von etwa 190.000 Fahrzeugen, was mehr als zwei Verkaufsmonaten entspräche. "Wir möchten diese Aufträge so gut wie möglich erfüllen."
Harrison sagte, dass sich etwa 30 Prozent der europäischen Märkte von Toyota in einer "eingeschränkten Kapazität" befänden. Die Kunden können also nicht in einen Ausstellungsraum gehen, eine Probefahrt machen oder ein Auto nach dem Kauf abholen. Er fügte hinzu: "Die Situation ändert sich im Moment sehr schnell."
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