Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat die Unternehmen und Spediteure im Land dazu aufgerufen, sich auf einen harten Brexit vorzubereiten. Damit reagierte er auf ein aus seiner Sicht zu geringes Entgegenkommen der Europäischen Union bei den Austrittsverhandlungen.
Bei einer im Fernsehen übertragenen Ansprache am Freitag sagte Johnson, weil die EU in den vergangenen Monaten nicht zu ernsthaften Verhandlungen bereit gewesen sei, erachte er es nun als angebracht, sich darauf einzustellen, dass es am ersten Januar kein Handelsabkommen geben werde.
Die Briten streben ein Arrangement an, wie die EU es mit Kanada unterhält. Fortschritte scheint es in dieser Richtung allerdings keine zu geben. Die Schuld sieht Johnson allein auf Seite der EU. Umgekehrt sieht die EU bei Johnsons konservativer Regierung keinerlei Bereitschaft zu Zugeständnissen.
Bruch ohne Vertrag
Damit wird ein Bruch ohne Vertrag zum Jahreswechsel immer wahrscheinlicher. Formell ist Großbritannien schon seit Anfang dieses Jahres nicht mehr Teil der Europäischen Union. Während einer Übergangsfrist bis zum Jahresende ist das Land aber noch Mitglied im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion.
Der wirtschaftliche Bruch ohne anschließendes Abkommen hätte Auswirkungen für die exportorientierte deutsche Autoindustrie. Es drohen Zölle und Handelshürden, zudem Unterbrechungen internationaler Lieferketten durch Kontrollen und Staus an Häfen und Tunneln.
Berechnungen des europäischen Branchenverbands Acea zufolge würden die europäische und die britische Autobranche über die kommenden fünf Jahre insgesamt 110 Milliarden Euro Einbußen hinnehmen müssen. Unternehmen auf beiden Seiten des Ärmelkanals hatten deshalb vor einem sogenannten No-Deal-Szenario gewarnt. Nun sieht es aber so aus, als sollten sie sich auf den Ernstfall vorbereiten. (mer)
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