Automatisierung und Digitalisierung gewinnen infolge der Corona-Pandemie noch an Tempo. Diese Meinung wird von vielen Ökonomen vertreten. Für die Produktion in der Automobilindustrie gilt das jedoch nicht. Aus einem einfachen Grund: Der Wettbewerbsdruck in der Branche war schon vor Corona so hoch, dass jeder zukunftsorientierte Hersteller die smarte Produktion mit maximaler Kraft vorangetrieben hat.
Das heißt aber auch: Niemand lässt wegen Corona in seinen Digitalisierungsanstrengungen nach. So fordert VWs Markenchef Ralf Brandstätter zwar: "Jeder Euro muss auf den Prüfstand gestellt werden." Doch weil die Digitalisierung zu Effizienzsteigerungen führt, wird in dem Bereich nicht gekürzt. "Wir haben durch Corona keine nennenswerten Abweichungen vom Fahrplan bei unseren Digitalisierungsprojekten", sagte ein VW-Sprecher.
Das deckt sich mit weiteren Aussagen. "Unsere Strategie im Bereich Industrie 4.0 setzen wir mit voller Kraft fort – ungeachtet des deutlich schwierigeren Marktumfelds und der damit verbundenen angespannten wirtschaftlichen Lage", sagte Continental-Manager Markus Fischer, Head of Competence Center Industrie 4.0, der Automobilwoche.
Hersteller weltweit im Spitzenfeld
Für Bosch stellt sich die Frage, ob man die Industrie-4.0-Aktivitäten bremst, ebenfalls nicht – zumal die Stuttgarter nicht nur in der eigenen Produktion davon profitieren, sondern selbst Zulieferer von Elementen zur smarten Produktion sind. "Die Corona-Erfahrung wird Investitionen in die Fabrik der Zukunft weiter den Weg ebnen", ist sich Geschäftsführer Rolf Najork sicher. "Auch die produzierende Wirtschaft hat digitalen Nachholbedarf."
Von dieser Kritik muss man die meisten Automobilhersteller ausnehmen. Sie produzieren schon so smart wie keine andere deutsche Branche, sagt Oliver Herkommer, Chef der Unternehmensberatung Ingenics. Weltweit liegen sie im Spitzenfeld.
Und da möchten sie auch bleiben. "Innovationsprojekte aller Couleur seitens der Automobilhersteller, allen voran in Zusammenhang mit CASE und Smart Manufacturing, stehen nach wie vor oben auf der Agenda", sagt Axel Schmidt, Automotive-Chef bei Accenture. CASE steht für Connected, Autonomous, Shared und Electrification.
Bei den Zulieferern sieht es anders aus
Daimler etwa hat gerade mit der Eröffnung der Factory 56 in Sindelfingen einen Meilenstein bei der Digitalisierung passiert. Dort wird mit smarten Technologien die S-Klasse um 25 Prozent effizienter hergestellt, bis 2022 sollen weitere 15 Prozent herausgeholt werden. VW will bis 2025 die Produktivität aller Werke jährlich um fünf Prozent steigern. 2019 wurden sechs Prozent erreicht.
Schwieriger ist die Situation bei den Automobilzulieferern. Ingenics-Chef Herkommer sieht hier ein "stark differenziertes Bild: Die Großen sind gut unterwegs, aber viele Mittelständler stehen erst am Anfang. Die Intensität und der Fortschritt nehmen über die Lieferkette inklusive der Logistikdienstleister deutlich ab." Das klingt bei Accenture ähnlich. Schmidt: "Auf der Zuliefererseite muss man das Thema Innovation und smarte Produktion differenzierter betrachten, da sich hier bedingt durch die Liquiditätssituation eine Konsolidierung abzeichnet."
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