Der Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler will bis Ende 2022 wegen der Krise in der Automobilindustrie 4400 weitere Stellen in Deutschland und Europa abbauen. Betroffen seien im wesentlichen zwölf Standorte in Deutschland - darunter der Stammsitz im fränkischen Herzogenaurach - und zwei weitere im europäischen Ausland, teilte Schaeffler mit.
Laut Schaeffler sind vom Kapazitätsabbau und der Konsolidierung neben den Großstandorten Herzogenaurach, Bühl, Schweinfurt, Höchstadt und Homburg vor allem Standorte mit einem technologisch auslaufenden Produktportfolio oder kleinteiligen Werksstrukturen betroffen. Zu letzteren gehören die Produktionsstandorte Wuppertal, Luckenwalde und Eltmann, der Schaeffler-Engineering-Standort in Clausthal-Zellerfeld sowie die Aftermarket-Betriebsstätten Hamburg und Köln.
Wuppertal droht Komplettschließung
Für den Standort Wuppertal werde auch eine Komplettschließung nicht mehr ausgeschlossen. Gleichwohl solle versucht werden, im Zuge einer Teilverlagerung der Produktion so viele Arbeitsplätze wie möglich in Deutschland zu erhalten. Für den Standort Luckenwalde ist eine Teilverlagerung von Aktivitäten geplant. Gleichzeitig werde aktiv nach alternativen Nutzungs- und Verkaufsmöglichkeiten gesucht.
Die Produktion am Standort Eltmann wird nach Schweinfurt verlagert. Der überwiegende Anteil der Arbeitsplätze soll damit in geographischer Nähe erhalten bleiben. Bereits heute produziert Eltmann im Wesentlichen für den Standort Schweinfurt, so dass es sich laut Schaeffler faktisch um eine Integration der Produktion handelt.
Der Standort Clausthal-Zellerfeld wird geschlossen, sofern sich kurzfristig keine Verkaufsmöglichkeit ergibt. Den Beschäftigten der Aftermarket-Betriebsstätten Hamburg und Köln wird angeboten, soweit möglich, künftig aus dem Home-Office heraus zu arbeiten.
Bündelung von Kompetenzen
Zudem ist vorgesehen, die Verwaltungsbereiche der Zentralfunktionen und der Sparten zu reduzieren. Die betrifft vor allem die Standorte Herzogenaurach, Schweinfurt, Bühl sowie Homburg.
Zu dem Maßnahmenpakets der Schaeffler Gruppe gehört auch, dass lokale Technologie- und Produktionskompetenzen gebündelt werden. Betroffen sind davon die Standorte Herzogenaurach, Höchstadt, Bühl und Schweinfurt. Der Sitz der Sparte Automotive Aftermarket in Langen wird zudem durch Personaltransfers ausgebaut.
Am Hauptsitz in Herzogenaurach wird unter anderem neben dem Aufbau eines Zentrallabors zukünftig das Kompetenzzentrum für Wasserstofftechnologie angesiedelt. Höchstadt erhält ein Kompetenzzentrum für den Werkzeugbau, das die vorhandenen Kapazitäten aus Herzogenaurach übernimmt. Im Gegenzug werden die Aktivitäten der Sparte Industrie von Höchstadt nach Schweinfurt verlagert, so dass Höchstadt ein reiner Automobil-Standort wird.
Kompetenzzentrum E-Mobilität wird ausgebaut
Der Standort in Bühl, Sitz der Sparte Automotive OEM, wird als Kompetenzzentrum für E-Mobilität und die Serienfertigung von Elektromotoren ausgebaut. In diesem Zusammenhang werden zusätzlich 500 Stellen in Bühl entstehen, die in der ursprünglichen Planung zunächst für den Standort Szombathely in Ungarn vorgesehen waren. Der Aufbau des Werkes in Ungarn ist davon nicht betroffen.
Schweinfurt, Sitz der Sparte Industrie, wird durch die Bündelung der Wertschöpfung für die klassischen Lagerprodukte im mittleren- und großen Durchmesserbereich eine Stärkung der Kompetenz erhalten. Gestärkt wird auch die Hauptentwicklungsaktivität für Zukunftsfelder der Sparte Industrie, wie zum Beispiel der Bereich Robotik. Zudem wird ein Innovationszentrum für gruppenweite Industrie-4.0-Themen errichtet. Zusätzlich ist der Ausbau des Bereichs Aerospace-Spezialprodukte vorgesehen.
Daneben steht das AKO-Logistik-Zentrum in Halle kurz vor der Inbetriebnahme. In Halle werden mit Unterstützung der Schaeffler Gruppe bei einem externen Dienstleister rund 600 Arbeitsplätze mit Tarifbindung geschaffen.
Einsparungen bis zu 300 Millionen jährlich
Schaeffler erhofft sich durch das Maßnahmenpaket ein Einsparpotenzial in Höhe von 250 bis 300 Millionen Euro jährlich, das 2023 zu 90 Prozent realisiert sein soll. Die Einsparungen entfallen etwa zur Hälfte auf die Sparten Automotive OEM und Industrie und nur zu einem geringen Teil auf die Sparte Automltove Aftermarket. Dem stehen Transformationsaufwendungen in Höhe von 700 Millionen Euro gegenüber. Das im Rahmen der Umsetzung des heute vorgestellten Maßnahmenpakets freiwerdende Kapital wird in Deutschland in Zukunftsgeschäfte und -technologien reinvestiert, heißt es bei Schaeffler.
Schaeffler hatte bereits in den vergangenen Jahren seine Kapazitäten heruntergefahren. Vor einem Jahr hatte das Unternehmen ein Freiwilligenprogramm aufgelegt, das derzeit noch umgesetzt wird und mit dem nahezu 2000 Stellen abgebaut werden sollten. Seit Ende 2018 hat sich die Zahl der Beschäftigten in der Schaeffler-Gruppe insgesamt um rund 8250 auf 84.223 verringert.
Schlechte wirtschaftliche Lage befürchtet
"Trotz einer Belebung der Nachfrage in allen drei Sparten und vier Regionen in den letzten Monaten bleibt die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie und die daraus resultierende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage hoch", heißt es in der Mitteilung. Vorstandschef Klaus Rosenfeld hatte zuletzt noch betont, Schaeffler sei bisher relativ gut durch die Corona-Krise gesteuert.
Die Nachricht aus Herzogenaurach kommt nur einen Tag nach einem "Autogipfel" in Berlin, bei dem Bundesregierung und Industrie Maßnahmen zur Stärkung der angeschlagenen Automobilindustrie und ihrer Zulieferer in Deutschland beraten hatten. Die Situation der Zulieferer gilt als besonders prekär. Zuletzt hatte der Schaeffler-Konkurrent Continental größere Personalreduzierungen angekündigt. (dpa/gem/kfl)
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