Natürlich hätte es angesichts der Covid-19-Pandemie noch schlimmer kommen können. Deshalb betont Daimler-Chef Ola Källenius in der Telefonkonferenz zum zweiten Quartal auch immer wieder die positiven Aspekte der nackten Zahlen. So hat etwa die Pkw-Sparte in China einen Rekordabsatz verzeichnet. Und trotz des herben Konzernverlusts von 1,7 Milliarden Euro rechnet Finanzchef Harald Wilhelm zum Ende des Jahres mit einem positiven Ebit im einstelligen Milliardenbereich. Außerdem war der Cash-Flow in den Monaten April bis Juni entgegen der Erwartungen positiv.
Dennoch macht Källenius klar, dass er mit einer andauernden Dämpfung der Weltwirtschaft und erhöhten Unsicherheiten für viele Jahre rechnet. Nach Jahren des Rekordwachstums geht der Konzern nun auf Schrumpfkurs. "Wir haben eine neue wirtschaftliche Lage mit erheblichen Unsicherheiten beim Umsatz bis zum Jahr 2025. Deshalb müssen wir unser Unternehmen wetterfest machen", sagte er. Dazu zählen neben einer weiteren Verringerung der Personal- und anderen Fixkosten auch die Anpassung der weltweiten Produktionskapazitäten.
Obwohl weder Källenius noch Wilhelm konkrete Zahlen nannten, dürften die Einschnitte ähnlich ausfallen wie das bereits beschlossene Programm für alle Sparten von Pkw bis Trucks. Ende 2019 hatte Källenius das Ziel ausgegeben, bis 2022 rund 1,4 Milliarden Euro Kosten beim Personal reduzieren zu wollen. Dies entspricht einem Stellenabbau in der Größenordnung von mehr als 10.000. "Diesen Plan setzen wir um, werden die Maßnahmen aber weiter verstärken", so Källenius. Auch Truck-Chef Martin Daum sprach von einem weiteren "signifikanten Personalabbau".
Betriebsbedingte Kündigungen "letztes Mittel"
Die Automobilwoche hatte bereits vor Wochen berichtet, dass sich der Stellenabbau bis Mitte des Jahrzehnts auf insgesamt über 20.000 der konzernweit 300.000 Beschäftigten verdoppeln wird und alle Bereiche von IT bis Produktion betrifft. Die anvisierten Einsparungen dürften also bei annähernd drei Milliarden Euro liegen, auch wenn offizielle Äußerungen dazu fehlen. Källenius kündigte an, dass der Abbau der Stellen so sozialverträglich wie möglich über die Bühne gehen soll. Obwohl betriebsbedingte Kündigungen wegen der Covid-19-Pandemie trotz der Beschäftigungssicherung bis 2029 grundsätzlich möglich wären, sollen sie laut Källenius "das letzte Mittel" bleiben.
Truck-Chef Martin Daum kritisierte in diesem Zusammenhang hohen Hürden beim Personalabbau in Deutschland. "In Deutschland fehlt die Flexibilität nach unten, das ist ein Problem für alle Hersteller", sagte Daum in der Telefonkonferenz. So könne sich ein Unternehmen nicht so schnell von einer Krise erholen wie gewünscht. Immerhin seien in der Truck-Sparte die Auftragseingänge wieder auf dem Niveau eines normalen Jahres. Die Lücke der Corona-Krise sei dabei aber noch nicht wieder aufgefangen.
Zu den Maßnahmen gehören auch schlankere Prozesse. So hatte der Konzern erst einen Tag zuvor angekündigt, eine neue Einheit rund um die Antriebe zu schaffen, in der Produktion, Einkauf und Entwicklung deutlich enger verzahnt sind als bisher. Sie soll als eine Art interner Systemlieferant mit unternehmerischer Verantwortung die Wertschöpfungskette entlang der Antriebe deutlich wirtschaftlicher organisieren als dies bisher der Fall war. Leiter ist Frank Deiß, der auch die Motorenproduktion in Stuttgart-Untertürkheim verantwortet.
Auch Schließung des Werks in Hambach möglich
Der zweite große Stellhebel ist die Verringerung der Produktion. Zwar blieb Källenius auch hier vage, doch sind bereits einige Entscheidungen bekannt. So soll der französische Standort in Hambach komplett verkauft werden. In Hambach wird derzeit nicht nur der Zweisitzer Smart EQ gefertigt. Das Werk wurde auch für rund 500 Millionen Euro für die Fertigung des elektrischen EQB vorbereitet. Dieser werde nun in eine andere Linie integriert, sagte Källenius. Nach Informationen der Automobilwoche bedeutet dies, dass der EQB als erstes Modell ausschließlich in China für den Weltmarkt produziert wird.
Mit dem britischen Geländewagenbauer Ineos gibt es zwar bereits einen Interessenten für Hambach, doch ob ein Verkauf wirklich zustande kommt, ist fraglich. Überall in Europa werden in den kommenden Monaten Produktionskapazitäten frei werden, so beispielsweise auch im Nissan-Werk in Barcelona, wo bereits Geländewagen produziert wurden. Källenius betonte, dass das Unternehmen für die Mitarbeiter in Frankreich die bestmögliche Lösung finden wolle. Er schloss aber auch nicht aus, das Werk im Fall eines gescheiterten Verkaufs ganz zu schließen.
Ebenfalls bekannt ist, dass Mercedes seine C-Klasse in Zukunft nicht mehr in Tuscaloosa für den amerikanischen Markt bauen wird, wie eine Daimler-Sprecherin der Automobilwoche vor wenigen Tagen bestätigte. Die neue Generation, die nächstes Jahr auf den Markt kommt, läuft dann nur noch in Bremen und im südafrikanischen East London vom Band. In Tuscaloosa konzentriert sich Mercedes auf die großen SUVs wie GLE und GLS, die auch in elektrischen Varianten geplant sind und höhere Margen versprechen.
A-Klasse Limousine aus Mexiko abgezogen
Auch im mexikanischen Aguascalientes wird ein Modell herausgenommen. Die vor allem für den amerikanischen Markt gedachte A-Klasse Limousine erreicht nicht die erforderlichen Stückzahlen und wird stattdessen in Rastatt hergestellt. Das deutsche Werk ist auf die Kompaktwagen spezialisiert. In Mexiko läuft nur noch der Stadt-Geländewagen GLB vom Band, der offenbar stark nachgefragt ist. Källenius sprach von weiteren Anpassungen in der zweiten Jahreshälfte, ohne aber konkret zu werden. Betroffen sein könnten kleinere Werke wie etwa in Brasilien, wo ebenfalls die C-Klasse in niedrigen Stückzahlen montiert wird.
Källenius betonte, dass die Gewinnschwelle des Konzerns in Zukunft weiter sinken soll, um die angestrebte Rendite von acht bis zehn Prozent in den kommenden Jahren wieder erreichen zu können. Dazu will sich der Daimler-Chef neben den Einsparungen verstärkt auf das obere Ende der jeweiligen Segmente konzentrieren, die höhere Margen versprechen. "Wir wollen den Kern als Luxusmarke stärken und uns auf unsere Wurzeln besinnen", sagte Källenius. Es sollen also deutlich mehr üppig ausgestattete Modelle wie Maybach oder AMG verkauft werden. Für einfache und praktische Autos wie etwa die B-Klasse dürfte also in Zukunft kein Platz mehr sein.
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