Tschechien ist Autoland par excellence. Dort läuft jedes Jahr pro elf Einwohner ein Skoda vom Band. In Deutschland kommt ein Pkw auf 16 Einwohner. 2019 produzierte Skoda im Land erstmals mehr als 900.000 Fahrzeuge. Unter den 910.000 Einheiten befanden sich auch Seat Ateca, die zusammen mit dem Skoda Karoq im Werk Kvasiny gefertigt werden. Wo Skoda im 125. Jahr seiner Geschichte steht, dokumentiert die Automobilwoche in einer Sonderausgabe.
Die gemeinsame Produktion von Fahrzeugen verschiedener Konzernmarken, die sich die gleiche Plattform teilen, ist für Michael Oeljeklaus ein wichtiger Schritt, um die Wirtschaftlichkeit zu steigern. „Die Bedeutung der Mehrmarkenwerke wird weiter zunehmen, da flexibel auf die Marktnachfrage reagiert werden kann und somit eine wirtschaftlichere Fertigung sichergestellt ist“, betont der Škoda-Produktions- und Logistikvorstand. Mit der Kombination von Karoq und Ateca im Werk Kvasiny kommt Skoda auf etwa 200.000 Einheiten pro Jahr und konnte gegenüber der getrennten Fertigung 150 Millionen Euro Aufwand einsparen.
Eine Plattform und drei "Hüte" ohne Taktzeitänderung
Entsprechend hat Oeljelklaus die meisten seiner Werke bereits flexibel ausgelegt. "In der Regel können wir auf einer Plattform im Karosseriebau drei verschiedene "Hüte" taktzeitkonform, also ohne Wechseltakte, fahren", betont der Skoda-Vorstand. Auch die Anlagen für Anbauteile seien entsprechend flexibel konzipiert.
Der Rest ist Detailarbeit, wie Oeljeklaus am Beispiel Karoq-Ateca erläutert: "Gemeinsam haben Kollegen aus der Technischen Entwicklung, der Qualitätssicherung sowie der Produktion und Logistik bei Škoda und Seat intensiv an der erfolgreichen Umsetzung gearbeitet. Hierbei wurden Schritt für Schritt Hunderte von Parametern angeglichen. Das reicht von Schweißbolzengrößen über Schraubenlängen und Drehmomente bis hin zu Klebertypen und logistischen Abläufen."
Skoda verantwortet Konzern-Werke in Indien
Diese Strategie setzt Skoda aktuell auch im Projekt India 2.0 fort. Unter diesem Namen hat der VW-Konzern 2019 alle Konzernaktivitäten in der Region Indien Skoda übertragen. "Wir führen dort sowohl das Werk Pune als auch den Standort Aurangabad", erläutert Oeljeklaus. 2021 sollen in Pune zwei kleine SUVs von Škoda und VW vom Band rollen, die beide auf der A0-Plattform des Modularen Querbaukastens stehen. "Aktuell laufen die ersten Vorserien", so Oeljeklaus. "Für Ende 2021 und 2022 sind weitere Produktanläufe geplant. Dafür haben wir in Pune unter anderen den Karosseriebau erweitert und Produktionsanlagen für Anbauteile aufgebaut." Alle Modelle sollen Lokalisierungsgrade von über 90 Prozent erreichen, wie es in den chinesischen Fabriken des Konzerns der Fall ist.
Enyaq iV und Octavia auf einer Linie
Parallel läuft der Wechsel zur Elektromobilität. Den Superb fertigt Skoda bereits als Plug-in-Hybrid, mit dem Citigo iV in Bratislava lief im November das erste rein batterieelektrische Fahrzeug an. "Das Highlight des Jahres wird der Anlauf des Enyaq iV sein", freut sich Oeljeklaus bereits auf den derzeit für Oktober in Mlada Boleslav geplanten SOP-Termin des batterieelektrischen SUV.
Dabei setzt Skoda volumenbedingt auf eine andere Strategie als die Schwestermarke VW, die mit den iD-Modellen von Beginn an ein komplettes Werk füllt. Skoda lässt im Werk Mlada Boleslav den Enyaq iV mit dem Ocatvia über eine Linie rollen.
Damit die Auslastung des Werkes gesichert werden kann, hat Skoda für eine gewisse Flexibilität gesorgt. Insgesamt werden dort rund 1350 Einheiten von Enyaq und Octavia gefertigt. Die Aufteilung lässt sich um etwa 100 Fahrzeuge pro Tag verschieben, sodass je nach Nachfrage zwischen 250 und 350 Enyaq pro Tag produziert werden können.
Hochvoltbatterien aus Mlada Boleslav
Ebenfalls in Mlada Boleslav fertigt Skoda bereits Hochvolt-Batterien für die eigenen Plug-in-Hybride. Dabei ist die Kammlinie fast erreicht. In Zukunft sollen dort auch die größeren Akkus für die rein elektrischen Modelle entstehen. "Natürlich werden wir uns im Konzern darum bewerben, hier auch Elektromotoren herzustellen", kündigt Oeljeklaus an.
Um seine Komponentenfertigungen, in denen Verbrennungsmotoren und Getriebe entstehen, ist ihm einstweilen nicht bange. Denn für die kleinen und sparsamen Verbrenner und die passenden DQ200 und MQ200 Getriebe, werde es noch lange Bedarf geben, "sodass wir aus jetziger Sicht noch mindestens bis Ende dieses Jahrzehnts eine ausreichende Werksauslastung sehen", so Oeljeklaus.
Papierlose Fertigung wird ausgerollt
Die Effizienzsteigerung durch Industrie 4.0 ist eine Aufgabe, die Skoda parallel zu den anderen Themen vorantreibt. Für das Pilotprojekt dProduction – eine komplett digitalisierte, papierlose Linie im Fahrzeugwerk Kvasiny – erhielt Skoda einen Lean Production Award. Dieses Projekt, das Skoda ohne externe Berater auf die Beine stellte, soll als Blaupause auch für andere Werke dienen. dProduction reiht sich in das Programm Force ein. Dabei handelt es sich um einen digitalen Werkzeugkasten, mit dem in acht Handlungsfeldern Effizienz und Flexibilität gesteigert werden sollen.
In das Feld der Effizienzsteigerung fällt auch die Anbindung an die Productionscloud des VW-Konzerns. "Als Piloten haben wir dafür das Komponentenwerk in Vrchlabi ausgewählt, in dem wir bis zu 2300 DQ200 Getriebe pro Tag fertigen", erläutert Oeljeklaus. Dort ist die Verknüpfung relativ einfach, weil es sich um eines der modernsten Komponentenwerke mit relativ jungen Anlagen handelt, die sich leichter digital anbinden lassen, als ältere Maschinen.
Wiederanlauf forderte die Teilelogistik enorm
Für die neuen Fertigungen etwa von Hochvoltbatterien für reine E-Fahrzeuge peilt Skoda maximale Automatisierung an, etwa eine menschenleere Logistik, mit sich autonom bewegenden Fahrzeugen, die sich selbsttätig be- und entladen.
Gebremst wurde Skoda bei allen Aktivitäten in diesem Jahr durch die Auswirkungen der Corona-Krise. "In den fast 33 Jahren, die ich inzwischen im Konzern arbeite, war dieser fast sechswöchige Produktionsstopp die schlimmste Zeit für mich. Die Auftragsbücher waren voll, aber wir konnten nicht fertigen. Für einen Produktioner ist das natürlich ganz besonders hart", berichtet Oeljeklaus.
Ab der dritten Woche habe man Wartungsarbeiten vorgezogen, soweit das mit dem Gesundheitsschutz vereinbar war und sich auf den Tag X des Wiederanlaufs vorbereitet.
Neben dem Wiederanlauf unter den Bedingungen des Gesundheitsschutzes war die Sicherung der Teileverfügbarkeit eine Herausforderung. "Da hat unsere Logistik ganz hervorragende Arbeit geleistet. Bislang hat noch kein einziges Teil gefehlt", lobt der Vorstand.
Bis es Impfungen und gute Medikamente gegen das neue Corona-Virus gibt, dürfte die Produktion unter Einschränkungen leiden. Denn etwa wegen Hygienepausen oder veränderter Abläufe arbeiten die Werke nicht mit voller Tatzeit, also mit entsprechend reduzierten Stückzahlen.
Dem stehen Effizienzgewinne in anderen Bereichen gegenüber. "Ich habe in den ersten zwei Wochen der Krise mehr über digitale Kommunikation gelernt als in den zwei Jahren zuvor. Durch den Shutdown bin ich ein großer Fan davon geworden", berichtet Oeljeklaus. Mit diesen Tools werde man auch künftig viele Reisen und Präsenzmeetings vermeiden und damit Zeit einsparen.
Lesen Sie auch:
Karsten Schnake wird Vorstand für Beschaffung
Skoda baut wieder Autos - Projekt "India 2.0" auf Kurs
Vom Ostauto zum wichtigen Pfeiler im Weltkonzern
"Simply clever" – auch beim Strom
Mit dem Octavia begann Skodas Aufstieg
Aus dem Datencenter:
Preise für Elektro-Pkw in Deutschland nach Erhöhung des Umweltbonus