Daimler-Chef Ola Källenius plant ein neues Sparprogramm und will neben den bereits beschlossenen 10.000 Stellenstreichungen bis Mitte des Jahrzehnts weitere 10.000 Jobs kürzen. Das berichtet die Branchen- und Wirtschaftszeitung Automobilwoche unter Berufung auf Unternehmensquellen. Neben der Auslagerung der IT sollen auch Stellen in der Holding sowie Entwicklung und Produktion wegfallen. Bereits im November hatte das Unternehmen angekündigt, mindestens 10.000 Stellen bis Ende 2022 zu streichen.
Mit den neuen Kürzungen reagiert der Konzern auf die weltweit gesunkenen Absatzzahlen und die angestrebte Verringerung der Komplexität bei den Modellen ab dem Jahr 2025. Zudem diskutiere der Vorstand die Szenarien zur wirtschaftlichen Entwicklung nach der Corona-Krise. Nach Veröffentlichung der Quartalszahlen am 23. Juli soll das Programm konkret werden. Ein Daimler-Sprecher sagte dazu lediglich: "Unser Effizienzprogramm wird unverändert fortgeführt."
Die Quartalsbilanz wird trotz Kurzarbeit verheerend ausfallen. Der Analyst Frank Schwope von der NordLB rechnet mit einem Verlust zwischen zwei und drei Milliarden Euro. Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von minus 1,5 Milliarden Euro aus. "Daimler steht unter starkem Druck, da Ola Källenius ein Unternehmen mit zahlreichen Baustellen übernommen hat", sagt Schwope.
In einem Brief an die Mitarbeiter, der der Automobilwoche vorliegt, fordert Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht "neue, verbindliche Zielbilder" für die Standorte. Viele Mitarbeiter seien derzeit verunsichert. "Das große Bild muss auf den Tisch – es geht ums Ganze", warnte Brecht.
Der Betriebsrat nennt in dem Schreiben bereits drei konkrete Felder, in denen gespart werden soll. So gebe es den Plan, bis Mitte 2021 wesentliche Servicefunktionen auszugliedern und an Fremdfirmen zu geben. Weltweit sollen insgesamt rund 2000 Beschäftigte, davon nahezu 900 in Deutschland, durch einen Betriebsübergang in diese Fremdfirmen übergehen.
Holding-Struktur auf dem Prüfstand
Zudem stehe die Struktur der erst 2019 gegründeten Holding schon wieder auf dem Prüfstand. Derzeit gebe es Überlegungen, Verwaltungs- und Zentralbereiche von der Daimler AG in die Spartengesellschaften zu verschieben. Ola Källenius hatte bereits mehrfach angedeutet, dass er die Holding-Struktur und die Zahl der dort angesiedelten Mitarbeiter so schlank wie möglich halten will.
Außerdem solle überprüft werden, ob gemeinsam genutzte administrative Bereiche wie beispielsweise Teile des Personal- oder des Finanzbereichs gebündelt werden könnten. "Darüber hinaus gibt es Ideen, Teilumfänge in GmbH-Strukturen zu überführen. Die Folgen wären ein Personalabbau bzw. weitere Betriebsübergänge", heißt es in dem Brief weiter.
Nach Informationen der Automobilwoche soll aber auch in anderen Bereichen stärker gekürzt werden als bisher bekannt. So hat sich das Unternehmen wie die Industrie insgesamt auf einen wachsenden weltweiten Automobilmarkt mit bis zu 100 Millionen Einheiten in den nächsten Jahren eingestellt. Stattdessen ist in diesem Jahr durch die Corona-Krise laut Berechnungen des Marktforschungsunternehmens IHS Markit gegenüber 2019 mit einem Rückgang um etwa 22 Prozent auf 70,3 Millionen Einheiten zu rechnen. Zudem sehen die Experten keine rasche Erholung mehr. Alle Unternehmen der Autoindustrie überprüfen daher ihre Investitionspläne.
Dazu passt, dass Daimler am Freitag die im vergangenen Jahr besiegelte Zusammenarbeit mit BMW bei der Entwicklung von Fahrassistenzsystemen gestoppt hat. Als Grund heißt es darin, dass beide Seiten nach intensiver Prüfung zu dem Ergebnis gekommen seien, dass "angesichts des hohen Aufwands für eine gemeinsame technologische Basis und vor dem Hintergrund der gesamtunternehmerischen und konjunkturellen Rahmenbedingungen derzeit der richtige Zeitpunkt für eine erfolgreiche Umsetzung der Kooperation nicht gegeben ist".
Lesen Sie auch:
Warum Daimler und BMW getrennte Wege gehen
Conti-Chef Degenhart: Branche hat Herzstillstand erlitten
Analyse: ZF ist erst der Anfang
Aus dem Datencenter: