Die Zahlen schwanken. Der Jobbörse Stepstone zufolge arbeitet „mehr als jeder zweite“ Angestellte in Deutschland derzeit im Homeoffice. Auf eine Homeoffice-Quote von nur rund einem Viertel kommt die sogenannte Mannheimer Corona-Studie des Mannheimer Zentrums für europäische Sozialforschung. Einen Heimarbeiteranteil von 44 Prozent sehen die Forscher nur bei Akademikern. Bei Mitarbeitern mit Real- und Hauptschulabschluss liegen die Quoten bei 15 und zehn Prozent.
Mittlerweile zeigt sich in verschiedenen Umfragen, dass Corona und Homeoffice zusammen vielen Menschen auf die Seele schlagen. Dabei ist es wohl nicht ein Mangel an technischer Ausstattung, der die größten Probleme bereitet. Bei Stepstone gaben zwei Drittel der Home-Office-Arbeiter an, ihre Arbeit nach wie vor erledigen zu können, 20 Prozent konnten das „nur mit Einschränkungen“.
Mehrarbeit und Sorge um die Work-Life-Balance
Allerdings sagte auch jeder Zweite, die Zusammenarbeit empfinde er als eingeschränkt, viele berichteten von unregelmäßigen Arbeitszeiten, machen seltener Pause und arbeiten insgesamt mehr. 37 Prozent fürchten bei einer Fortdauer der Arbeit im Homeoffice gar gesundheitliche Folgen. Jeder Zweite zeigte sich besorgter als noch vier Wochen zuvor (die aktuelle Stepstone-Umfrage fand am 27. und 28. April statt). Bei der Frage, was sie im Augenblick stark beschäftige, gaben 25 Prozent der Heimarbeiter den „Erhalt meiner Work-Life-Balance“ an, während dies unter den übrigen Beschäftigten nur 16 Prozent sagten.
Dazu passen auch Zahlen der Universität Basel, die rund 10.500 Schweizer befragte, von denen sich etwa die Hälfte gestresster fühlt, als vor der Corona-Krise. Jeweils ein Viertel nahm keine Veränderung des Stresslevels wahr beziehungsweise fühlte sich nun sogar entspannter. Die Häufigkeit schwerer depressiver Symptome habe sich während des Lockdowns fast verdreifacht, berichten die Baseler Forscher. Als Hauptgründe für den Stress wurden ihnen die Veränderungen bei Schule und Arbeit genannt. Danach folgten die Kinderbetreuung, Single-Dasein ohne Kontakte, Sorgen um die Zukunft, soziale Einschränkungen und die verringerte persönliche Freiheit.
Grenze zwischen Job und Privatleben kann verschwimmen
Die Ergebnisse kommen für Hannes Zacher, der an der Uni Leipzig lehrt, nicht ganz überraschend. „Ein möglicher Nachteil des Homeoffice ist, dass die psychologische Grenze zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen kann und Menschen deutlich länger arbeiten, als in ihrem Arbeitsvertrag steht. Die arbeitspsychologische Forschung zeigt, dass Erwerbstätige dann am zufriedensten und produktivsten sind, wenn sie maximal zwei Tage pro Woche im Homeoffice sind und die restliche Zeit im Unternehmen arbeiten. Außerdem wissen wir, dass der persönliche Austausch mit den Kollegen effektiver und kreativer ist als virtuelle Meetings“, erläutert der Arbeitspsychologe.
Körperliche Betätigung und Hobbys pflegen
Hannes Zacher, wie auch die Forscher der Uni Basel haben einige Ratschläge dazu, wie man sich den Alltag mit und im Homeoffice ein wenig erleichtern kann. Als Faustregel kann gelten: Regelmäßigkeit und (auch körperliche) Beschäftigung. Die Baseler Forscher empfehlen: körperliche Betätigung – sowohl intensive, wie Joggen als auch leichte, wie Spazieren, sich vermehrt seinem Hobby oder einem neuen Projekt zuwenden und nur selten – ein- bis zweimal pro Tag – Corona-News konsumieren.
„Der Arbeitsplatz zu Hause sollte möglichst genauso gut gestaltet sein wie der im Unternehmen, nicht nur im Hinblick auf physische, sondern auch auf psychologische Aspekte“, betont Hannes Zacher. Dazu gehöre ein ruhiges, helles und aufgeräumtes Arbeitszimmer. Außerdem ein ergonomisch günstiger Tisch, Arbeitsstuhl sowie ein Computer mit Videoausrüstung und stabiler Internetverbindung. Es sollte klare und realistische Ziele und Aufgaben für den Tag geben sowie regelmäßige Erholungspausen.
Selbstdisziplin gefragt: Nicht im Schlafanzug arbeiten
Vorgesetzte sollten ihre Mitarbeitenden im Homeoffice möglichst genauso behandeln wie die Mitarbeitenden vor Ort, also ihnen nicht weniger Aufmerksamkeit schenken, sie aber auch nicht stärker kontrollieren, empfiehlt der Arbeitspsychologe. Auch Selbstdisziplin spielt eine Rolle. „Niemand sollte im Homeoffice im Schlafanzug mit dem Laptop auf dem Sofa sitzen, und die große Mehrheit tut das auch nicht“, so Zacher.
Schwieriger wird die Situation, wenn auch noch die Kinder zu Hause sind. Eigentlich, so Zacher, empfehle die Forschung, Homeoffice nicht mit Kinderbetreuung zu verbinden, um Konflikte zwischen den Lebensbereichen zu verhindern. Das ist derzeit unrealistisch. Der Mannheimer Corona-Studie zufolge betreuen derzeit 93 Prozent aller Eltern ihre Kinder zu Hause selbst, „und weniger als zwei Prozent der Eltern mit Kindern im Kita- und Grundschulalter nutzen die Notfallbetreuung“.
Den Tagen eine klare Struktur geben
In der aktuellen Situation empfiehlt Zacher, „dem Tag zu Hause eine klare Struktur zu geben und diese mit den Familien- oder WG-Mitgliedern zu besprechen. Gerade in unsicheren Zeiten sind Absprachen zu festen Zeiten, die Etablierung von Routinen und gemeinsame Regeln wichtig, um wieder Kontrolle über den Alltag zu erlangen und mit Freude arbeiten zu können.“ Ein Vorbild für die Eltern könnten Stunden- und Tagespläne sein, die jetzt von vielen Schulen verschickt würden. „Darin sind zum Beispiel der Beginn und das Ende von Lern-, Spiel- und Essenszeiten festgelegt. Einen solchen Plan sollten sich Erwerbstätige auch erstellen, nur mit festen Arbeits- und Erholungszeiten“, so Hannes Zacher. Andererseits sei aber „auch ein gewisses Maß an Flexibilität und Verständnis für andere nötig“. Gerade bei kleinen Kindern, die besonders verunsichert und mit der Situation überfordert seien.
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