Viele VW-Dieselfahrer können im Streit um Schadenersatz wegen zu hohen Abgasausstoßes ihrer Autos auf Rückendeckung der obersten Richter aus Karlsruhe hoffen. In einer ersten, wenn zunächst auch nur vorläufigen Einschätzung stellte sich der Bundesgerichtshof (BGH) weitgehend auf die Seite der Kunden, die das Geld für ihr Fahrzeug zurückhaben wollen, weil darin eine illegale Technik zum Einsatz kam. Nach Auffassung der Richter dürfte ihnen schon mit dem Kauf ein Schaden entstanden sein, den VW ersetzen müsste - allerdings mit Abzug einer Nutzungsentschädigung für die Zeit, in der sie mit dem Wagen gefahren sind.
Der 6. Zivilsenat des BGH hatte am Dienstag erstmals überhaupt eine sogenannte Dieselklage gegen VW verhandelt. Mit der vorläufigen Einschätzung machen die Richter deutlich, wie sie den Fall sehen und welche Punkte aus ihrer Sicht relevant sind. Ein Urteil wollen sie am 25. Mai (11.00 Uhr) verkünden (Az. VI ZR 252/19).
Konkret geht es in dem Verfahren um die Klage eines Besitzers eines VW Sharan, der sein Auto zurückgeben und dafür den vollen Kaufpreis wiederbekommen will, weil er sich von VW getäuscht sieht. Es ist das erste Verfahren zum VW-Dieselskandal überhaupt, das beim Bundesgerichtshof verhandelt wurde.
Schon beim Kauf ein Schaden?
Das Oberlandesgericht Koblenz hatte im Verhalten von VW eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gesehen, dem Kläger aber nur einen Teil der geforderten Summe zugesprochen. Dagegen hatten beide Seiten Revision eingelegt. Sein Urteil will der Bundesgerichtshof zu einem späteren Zeitpunkt verkünden.
Die BGH-Richter formulierten es zwar zurückhaltender, schlossen sich der Bewertung des Falls aber weitgehend an. Aus ihrer vorläufigen Sicht dürfte schon durch den ungewollten Vertragsschluss - also den Kauf des Autos ohne Kenntnis der Abgas-Trickserei - ein Schaden entstanden sein. Ob das Auto voll nutzbar war oder nicht, habe letztlich vom Zufall abgehangen - nämlich davon, ob und wann die illegale Software-Funktion entdeckt wird und welche Folgen das hat.
VW äußert sich kritisch
VW sieht das ganz anders: Das Fahrzeug sei zu jeder Zeit voll nutzbar gewesen. Somit sei auch kein Schaden entstanden, der nun ersetzt werden müsste. Die Gefahr einer Stilllegung habe allenfalls hypothetisch bestanden, faktisch aber nie, argumentierte der Vertreter des Autobauers vor Gericht. Zudem hätten die Fahrzeuge mit EA-189-Motor schon vor dem Software-Update im realen Straßenbetrieb vielfach deutlich niedrigere Stickoxid-Emissionen als die anderer Hersteller aufgewiesen, so der Konzern. "Worin hier der konkrete Schaden liegen soll, ist für Volkswagen nicht ersichtlich." (dpa-AFX/gem)
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