Am 24. Juni wird Alfa Romeo 110 Jahre alt. Doch zum Feiern ist angesichts der Corona-Krise und auch sonst trüber Perspektiven niemandem zumute. Dabei hatte Pietro Gorlier, Europa-Chef der Muttergesellschaft Fiat Chrysler (FCA), kurz vor dem Lockdown noch optimistisch den Startschuss für das SUV Tonale gegeben. Das auf dem Genfer Auto-Salon 2019 als Prototyp gezeigte Hybrid-SUV soll von der zweiten Jahreshälfte 2021 an im süditalienischen Werk Pomigliano d'Arco vom Band laufen. Eine Milliarde Euro werden für das Auto im C-Segment investiert, das auf einer Jeep-Compass-Plattform basiert.
Die Alfisti hoffen auf weitere Geschenke. Einen Hybrid-GT, ein SUV im B-Segment, das 2022 kommen könnte, und Aussagen zu einem Nachfolger der Giulietta, der aber nicht in Sicht ist. Auch ein 600 PS starker GTA (Gran Turismo Alleggerita) sei in Vorbereitung, eine Spitzenvariante der Giulia, die es mit dem BMW M3 und dem Mercedes-AMG C 63 aufnehmen soll. Das meiste dürfte angesichts der aktuellen Situation kaum realistisch sein. Italien ist besonders hart vom Coronavirus getroffen. Die Alfa-Mutter Fiat will zumindest die seit Mitte März ruhende Produktion – beginnend mit dem Ducato – in dieser Woche wieder hochfahren. Ab dem 4. Mai werden auch wieder Alfas gebaut.
Einst ein echter BMW-Konkurrent
Doch die traditionsreiche Marke, die bis Ende der 70er-Jahre ein ernsthafter Konkurrent von BMW und Audi war, braucht einen richtigen Neuanfang. Alfa ist nur noch ein Nischenanbieter. Die Verkäufe gingen 2019 von 119.000 Einheiten im Jahr zuvor auf etwa 95.000 zurück. Der Abstand zum noch vom einstigen FCA-Chef Sergio Marchionne ausgegebenen Ziel von 400.000 Einheiten war schon vor der Krise riesig. Jetzt droht ein Desaster.
Nach dem Tod Marchionnes, der die Modellvielfalt drastisch reduziert hatte, ließ Nachfolger Mike Manley die Palette weiter zusammenstreichen. Sowohl ein geplantes Frontmotor-GTV-Coupé auf Basis der Giulia als auch ein Nachfolger für das Supercar 8C mit einer Karosserie aus Carbon und einem V6-Biturbo-Motor mussten dran glauben. Auch die für China geplanten Langversionen von Giulia und Stelvio sowie die Kombiversion der Giulia, ein Comeback des Spider und die nächste Giulietta-Generation fielen dem Rotstift zum Opfer. Geblieben ist eine reduzierte und veraltete Modellpalette, die aus Giulia, Giulietta und dem SUV Stelvio besteht. Die Produktion der Giulietta, Lieblingsmodell vieler Alfa-Fans, läuft demnächst aus.
Fans lieben die Fahreugenschaften
Unternehmensexperten wie Giuseppe Berta, Professor an der renommierten Mailänder Bocconi-Universität, hoffen, dass der FCA-Fusionspartner PSA Peugeot Citroën neue Mittel bereitstellt. Das ist angesichts einer Palette von insgesamt 13 Marken im fusionierten Konzern nicht unbedingt sicher. Priorität in der oberen Mittel- und Oberklasse dürfte für den designierten CEO Carlos Tavares neben DS eher Maserati haben. Alfisti verweisen darauf, dass Tavares ein Markenfetischist ist. Marchionnes Priorität galt den Zahlen. Unter seinem Nachfolger Manley wurde es nicht besser. „Statt die Erlöse aus dem Verkauf der Komponententochter Magneti Marelli für Investitionen zu verwenden, wurde eine Sonderdividende ausgeschüttet, die vor allem dem Großaktionär, der Familie Agnelli-Elkann, zufloss“, klagt Berta.
Künftige Alfa-Fahrzeuge dürften auf PSA-Plattformen basieren. Vielleicht kommt ein B-SUV, eine neue Giulia oder ein Stelvio. Genaues erfährt man nicht. Und sollte im Werk Cassino doch eine Giulietta vom Band laufen, wäre sie wohl rein elektrisch. Alfisti verziehen der Marke bisher selbst das schwache Vertriebs- und Servicenetz, die noch immer nicht zuverlässige Fertigungsqualität sowie vergleichsweise hohe Verbrauchszahlen. Es sind das Design, die kräftigen Motoren und die Fahreigenschaften, die sie schätzen. Daran ändert auch die trübe Gegenwart nichts.
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