Porsche-Chef Oliver Blume hätte allen Grund dazu, sich zurückzulehnen und den Erfolg zu genießen. 2019 war das erfolgreichste Jahr in der Geschichte des Sportwagenbauers. Den Absatz steigerte Porsche dank eines Modellfeuerwerks mit Cayenne Coupé, elektrischem Taycan oder überarbeitetem Macan gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent auf 280.000.
Auch die sonstigen Kennzahlen stimmen: Der Umsatz stieg um elf Prozent auf 28,5 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen legte um drei Prozent auf 4,4 Milliarden Euro zu. Die Umsatzrendite blieb mit 15,4 Prozent im Zielkorridor, wenn man das Bußgeld der Stuttgarter Staatsanwaltschaft für die Diesel-Tricksereien in Höhe von 535 Millionen Euro nicht mit einrechnet. Die Belegschaft wuchs im selben Zeitraum um zehn Prozent auf 35.429 Mitarbeiter. Allein für den Taycan kamen über 2000 neue Beschäftigte hinzu.
Doch Zeit zum Entspannen bleibt in diesen Tagen nicht. Seit Wochen schon hat Porsche einen Corona-Krisenstab eingerichtet, der täglich tagt und die Lage auf der Welt bewertet. Weil auch die europäischen Lieferketten Anfang der Woche nicht mehr aufrechterhalten werden konnten, entschied sich Porsche dazu, die Produktion von Anfang nächster Woche an für mindestens 14 Tage ruhen zu lassen. "Davon sind rund 10.000 Beschäftigte an den Standorten Stuttgart-Zuffenhausen und Leipzig betroffen", sagte Blume in einer Telefonkonferenz mit Journalisten – und deutete an, dass die Pause womöglich auch länger dauern könnte.
Der Rest der Belegschaft ist aufgefordert, von Zuhause aus zu arbeiten. Nur zwingend erforderliche Bereiche laufen weiter – natürlich unter Einhaltung der jeweiligen Hygiene-Vorschriften und mit so wenig persönlichem Kontakt wie möglich. Dazu zählt laut Blume beispielsweise die Ersatzteilversorgung in Sachsenheim oder der termingebundene Aufbau von Prototypen in der Entwicklung in Weissach. Für die Mitarbeiter in der Produktion werde das Unternehmen Kurzarbeit beantragen, kündigte Blume an.
Eigentlich war Finanzchef Lutz Meschke von einem weiteren erfolgreichen Jahr für Porsche ausgegangen, zumal der rein elektrische Taycan mit bereits 15.000 Käufern den Absatz befeuert. Nun aber rechnet er für das erste Quartal mit einem Minus von zehn Prozent der Auslieferungen. Wie es am Ende des Jahres aussieht, hängt natürlich von der Dauer der Krise ab. "Klar ist, dass wir nicht schadlos da durchrudern werden", sagt Meschke. Aber noch sei es zu früh um zu sagen, ob das Minus am Ende 10, 20 oder 30 Prozent betrage.
Übernahmeversuche wahrscheinlich
Meschke macht aber auch klar, dass Porsche für eine solche Krise mit einem dicken Finanzpolster gerüstet ist. Auch der Volkswagen-Konzern sei gut vorbereitet. "Ein großer Vorteil im Vergleich mit der Finanzkrise 2008/09 ist, dass die Kapitalmärkte sehr liquide sind und die Zinsen niedrig", so Meschke. Grundsätzlich rechne das Unternehmen für so einen Fall immer mit dem schlimmsten Szenario. Außerdem mache sich bereits das Effizienzprogramm bemerkbar, mit dem bei Porsche bis 2025 ein zusätzlicher Ergebnisbeitrag in Höhe von sechs Milliarden Euro realisiert werden soll.
Meschke geht davon aus, dass es angesichts der niedrigen Börsenkurse Übernahmeversuche in der Autoindustrie geben könnte. Die Zeit sei günstig, um strategische Absichten zu verfolgen. "Das ist klar bei so einem Einschlag, wie es ihn seit 50 Jahren nicht gegeben hat", so Meschke. Wichtig sei deshalb, dass es Regelungen zum Schutz von Technologien gebe. "Damit hier kein Ausverkauf droht, bedarf es der Unterstützung der Regierung." Er sei aber zuversichtlich, dass die Politik aus dem Verkauf der Roboterfirma Kuka an einen chinesischen Investor gelernt habe.
Für die Zukunftsinvestitionen bei Porsche soll die Corona-Krise zunächst keine Auswirkungen haben. Bis zum Jahr 2024 will das Unternehmen zehn Milliarden Euro in die Elektrifizierung des Portfolios und die Digitalisierung der Geschäftsmodelle stecken. Sechs Milliarden fließen in elektrische Modelle, drei Milliarden in neue Produktionsstätten dafür. Eine Milliarde ist für die Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle vorgesehen. Daneben fließen rund 900 Millionen Euro jährlich in die Digitalisierung von Prozessen. Im schlimmsten Fall würden diese Ausgaben gestreckt, aber nicht gestrichen.
Hoffnung macht die Entwicklung in China. Dort sei der Markt nach einem Minus für Porsche von 75 Prozent beim Absatz im Februar wieder deutlich im Aufwind. Sechs von zehn Porsche-Händlern seien wieder geöffnet. Man habe die Verkäufe zuvor über soziale Netzwerke wie WeChat so gut wie möglich vorbereitet. "Hier rechnen wir im April und Mai mit einem Aufholprogramm", sagte Meschke. Keiner könne aber seriös sagen, wie sich die Corona-Krise weiter entwickle.
Immerhin: Ausgerechnet das Ausgangsland der Krise wird für die deutschen Autohersteller damit zu einem Hoffnungsträger für das Jahr 2020.
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