Es soll ein Zeichen des Aufbruchs sein: Nach dem Horrorjahr der Mercedes Van-Sparte mit einem Verlust von mehr als drei Milliarden Euro hat Van-Chef Marcus Breitschwerdt nun bei einer digitalen Premiere den aufgefrischten Transporter Vito und sein rein elektrisches Pendant eVito Tourer vorgestellt. Mit neuen Produkten soll die Sparte zu alter Stärke zurückfinden. Um den Wandel zu beschleunigen, hat Breitschwerdt ein eigenes Boost-Büro eröffnet mit den Säulen Performance, Strategy und Transformation.
"Bei Boost geht es nicht allein um Kostensenkung, sondern auch um einen tiefgreifenden Kulturwandel im Sinne einer Speak-up-Culture", so Breitschwerdt. Geleitet werde das Büro von Sebastian Streuff, der zuvor Chef der Sprinter-Produktion in Ludwigsfelde bei Berlin war. Es gehe darum, nicht mehr in Silos zu denken, sondern schnell Lösungen zu finden. Breitschwerdt kündigte an, selbst in ein Großraumbüro zu ziehen und Hierarchien abzubauen.
Kern des Programms ist eine Kostensenkung, die über Fluktuation und Abfindungen vor allem im Verwaltungsbereich erfolgen soll. Mit 100 Millionen Euro entfällt auf die Transportersparte der geringste Anteil der von Daimler-Chef Ola Källenius angekündigten 1,4 Milliarden Euro, die beim Personal eingespart werden sollen. Breitschwerdt verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass der hohe Verlust von drei Milliarden Euro im vergangenen Jahr hauptsächlich durch Sondereffekte wie Diesel-Thematik, Takata-Airbags oder das vorzeitige Aus der X-Klasse verursacht worden sei.
Rekord bei Absatzzahlen
Bei den Absatzzahlen dagegen habe man mit einem Plus von vier Prozent auf knapp 440.000 Fahrzeuge einen neuen Rekord erreicht. Auch im US-Sprinter-Werk in Charleston, wo sich der Anlauf der neuen Generation mehr als holprig gestaltete, habe im vergangenen Jahr ein Plus von 18 Prozent erreicht werden können. In diesem Jahr rechnet Breitschwerdt mit einem Absatz unterhalb des Vorjahres. Die Profitabilität soll aber deutlich verbessert werden. Noch sei nicht abzusehen, wie sich dabei die Krise durch das Coronavirus auswirke. Während alle Werke außerhalb Chinas planmäßig produzierten, sei man in Fujian erst bei der Hälfte der Kapazität angelangt.
Mit dem eVito Tourer hat die Van-Sparte nach EQV und elektrischem Sprinter einen weiteren Baustein der Elektrifizerung präsentiert. Er soll im zweiten Halbjahr auf den Markt kommen und ist mit 400 Kilometern Reichweite vor allem für den Personentransport gedacht. Der normale eVito zielt auf Lieferdienste und hat 180 Kilometer Reichweite, die im Normalfall aber ausreichen. Die Auftragsbücher für die E-Transporter seien bereits gut gefüllt, so der Van-Chef. Er wollte sich aber nicht dazu äußern, wie hoch der Anteil am Absatz in diesem und dem nächsten Jahr ausfallen werde. Im oft bemühten Vergleich der Elektromobilität mit einer Ketchup-Flasche sei eher damit zu rechnen, dass im urbanen Transporter-Markt beim dritten statt dem achten Schütteln bereits eine erkleckliche Menge herauskomme, so Breitschwerdt. Der Hochlauf dürfte also schneller kommen als bei den Pkw.
Ob Mercedes dabei auch von der Einstellung der Streetscooter-Produktion bei der Post profitieren kann, ließ Breitschwerdt offen. Man rede mit allen wichtigen Partnern im Markt und habe bereits jetzt alle Hände voll zu tun, die Nachfrage zu befriedigen. "Zumindest erhöht es die Chancen bei der Post", sagte er. Breitschwerdt bestätigte zudem, dass es Gespräche mit dem Autohersteller Tesla über eine mögliche Kooperation gebe, blieb dabei aber vage. "Ich werde nichts tun, um die Gerüchte zu zerstreuen. Aber es ist nicht in absehbarer Zeit mit überraschenden Neuigkeiten zu rechnen."
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