Wenn Klaus Dittrich in wenigen Wochen seinen 65. Geburtstag feiert, gibt es Anlass, die die Sektkorken besonders laut knallen zu lassen. Denn eine der deutschen Vorzeigemessen in die eigene Stadt geholt zu haben, ist für einen Messechef natürlich ein besonderer Erfolg – selbst dann, wenn es eine schwächelnde Veranstaltung ist, die wie die dahinter stehende Branche um Orientierung ringt.
Denn nach dem Besuchereinbruch um 30 Prozent auf 630.000 bei der letzten Frankfurter IAA 2018, dem Schrumpfen der Ausstellerzahl auf 838 und den parallel stattfindenden Demonstrationen gegen die Automobilindustrie war dem VDA als Veranstalter schnell klar, dass es so nicht weitergehen kann. Dass andere Automobilmessen ebenfalls mit dem Fernbleiben bekannter Hersteller zu kämpfen haben, ist da nur ein kleiner Trost.
Für Messe-Chef Klaus Dittrich ist das eine neue Art der Herausforderung. Flächenmäßig ist die IAA für die Münchner Messe-Macher zwar ein eher kleiner Fisch – zumindest im Vergleich zur flächenmäßig weltweit größten Messe Bauma die 2019 in München 614.000 Quadratmeter Fläche belegte und 620.000 Fachbesucher anzog. Die IAA kam 2019 auf 125.000 Quadratmeter und plant auch nicht mit einem Flächenwachstum. Aber "die IAA wird keine reine Autoshow mehr sein, sondern eine Mobilitätsplattform. Sie wird auch raus aus den Messehallen und in die Städte gehen", forderte der VDA im Vorfeld der Ausschreibung für die IAA ab 2021.
Bestens vernetzt
Für diese neuen Anforderungen dürfte Klaus Dittrich der richtige Mann sein. Denn der 64-Jährige, der seit 2003 die Messe München leitet, ist aufgrund seiner Karriere als Politiker und Funktionär in Bayern und der Landeshauptstadt bestens vernetzt. Der studierte Germanist und Politikwissenschaftler ist im Münchner Vorort Gauting geboren, trat in den Staatsdienst ein und übte im Lauf der Zeit viele Funktionärs- und Ehrenämter aus: aktives Bergwacht-Mitglied, stellvertretender bayerischer DGB-Chef, Stadtratsmitglied (SPD) in München, Verwaltungsrats-Vorsitzender der AOK Bayern und des Verwaltungs-Ausschusses des Landesarbeitsamts Bayern, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von Krauss-Maffei und Luitpoldhütte Amberg, Vorsitzender des DGB-Bildungswerks in Bayern, Mitglied des 1999 abgeschafften Bayerischen Senats.
So gelang es ihm nun auch, von der bayerischen Staatsregierung die Zusage für 15 Millionen Euro zur Verbesserung der Infrastruktur im Zusammenhang mit der IAA-Ausrichtung zu bekommen. Auch wenn es darum geht, die IAA auch über das Messegelände hinaus in die Stadt hinein wirken zu lassen, dürften seine Kontakte hilfreich sein. So plant München diverse Publikumsevents im Olympiapark. Dort können Besucher etwa selbstfahrende Wasserstoff- und Elektroautos testen und die Vernetzung mit anderen Verkehrsmitteln ausprobieren. Neben Kulturevents soll es auch Diskussionsforen mit Kritikern geben. "Wir wollen auf die Bevölkerung zugehen", sagte Dittrich dem Münchner Merkur. Besucher sollten die neuen Autos sogar bei einstündigen Rundfahrten "mit Alpenpanorama" testen können, so Dittrich.
Gute Aussichten für Präsenz-Messen
Generell zeigt sich Klaus Dittrich trotz Digitalisierung für die Zukunft von Präsenz-Messen zuversichtlich. "Vor zehn Jahren haben viele prophezeit, dass Messen ein Auslauf-Modell sind, weil man alle Informationen auch im Internet bekommen kann. Doch das Gegenteil ist der Fall: Amazon eröffnet Buchläden und Supermärkte, Xing macht Stammtische. Das zeigt ganz klar: Auch in der digitalen Welt geht es nicht ohne persönliche Begegnungen", sagte der Messe-Chef 2018 dem Handelsblatt. Zudem entwickle man "auch neue digitale Angebote, um die Reichweite unserer Messen zu verlängern. Bei der Sportartikelmesse Ispo beispielsweise nutzen sehr viele Endverbraucher unsere Internet-Plattform, um sich vor und nach der eigentlichen Messe in München über die neusten Sport-Trends zu informieren."
Erfahrungen mit neuen Veranstaltungsformen hat die Messe München, beispielsweise mit der Gründerkonferenz Bits & Pretzels für die sich der Messe-Chef auch schon mal in Lederhose ablichten ließ.
Dittrich erwartet auskömmlichen Gewinn von der IAA
Wirtschaftlich ist die IAA für die Münchner, die 2019 – mit der nur alle drei Jahre stattfindenden Bauma – rund 480 Millionen Euro Umsatz erzielten, auch nicht uninteressant. Er rechne mit einem auskömmlichen Gewinn, sagte Dittrich. Die IAA sorge für eine halbe Milliarde Euro Umsatz, fast die Hälfte davon direkt in der Stadt. Als Veranstalter von 20 Messen in China könne die Messe München helfen, neue Teilnehmer zur IAA zu holen. Am wirtschaftlichen Erfolg ist die Messe München direkt beteiligt. In Frankfurt war der VDA alleiniger Veranstalter der Messe, der nur Hallen von der dortigen Messegesellschaft mietete. Ab 2021 treten VDA und Messe München gemeinsam als Veranstalter auf und sollen sich Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen teilen.
Allerdings ist sich Klaus Dittrich auch der Verantwortung bewusst: Beim Neustart der IAA habe man "nur einen Aufschlag - wenn der misslingt, wird's die IAA nicht mehr geben", sagte der Messe-Chef der dpa. Einen Erfolg der IAA vom 7. bis 12. September 2021 könnten die Münchner Messemacher direkt eine Woche später beim Oktoberfest ausgiebig feiern.
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Aus dem Datencenter:
IAA 2017 - IAA 2019: Veränderung der Fahrzeugsegmente in Deutschland