Vor 13 Jahren, so wird berichtet, besuchte Li Shifu den Ford-Stand bei der Detroit Motor Show und verkündete den verblüfften Amerikanern: „Ich hätte Interesse daran, Volvo zu kaufen“ – nicht einen Volvo, sondern das ganze Unternehmen, das damals zu Ford gehörte. Im ersten Anlauf hatte der heute 64-jährige Li Shufu mit seiner Offerte keinen Erfolg. Damals baute er mit dem von ihm gegründeten Unternehmen Geely schon seit Jahren Automobile in China und war vor allem als Billighersteller bekannt.
Gut drei Jahre später gehörte die Premiummarke Volvo dann doch zu Geely; Ford hatte den schwedischen Autobauer für 1,8 Milliarden US-Dollar an das chinesische Unternehmen verkauft. Die Übernahme wurde, wie viele Einkäufe chinesischer Konzerne, skeptisch beäugt. Doch sowohl Volvo als auch Geely ist die Übernahme offenbar gut bekommen. Geely hat viel Geld in Volvo investiert. Und die schwedische Marke wächst besonders in China und den USA – und ist „durch den chinesischen Eigentümer noch schwedischer geworden“, betont Vorstandschef Håkan Samuelsson. Bis jetzt gilt also uneingeschränkt, was Li Shufu schon 2013 seinen Kritikern geantwortet hatte: „Volvo ist Volvo und Geely ist Geely.“
Gutes Gespür für Geschäftsmöglichkeiten
Gespür für Geschäftsmöglichkeiten hat der Selfmade-Milliardär Li Shufu schon früh bewiesen. Als 18-Jähriger kaufte sich der Sohn eines Reisbauern im Jahr 1981 eine Kamera und verdiente sein erstes Geld, indem Auftraggebern Fotos der bäuerlichen Umgebung lieferte. Den Geschäftssinn ergänzte Li Shufu durch formale Ausbildungen. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen und fügte seinem Bachelor-Abschluss danach noch einen Master in Maschinenbau hinzu.
Dann stieg er in das Recycling von Elektroschrott ein und baute eine Firma auf, die Teile für Kühlschränke herstellte. Später sattelte er um auf Autos und nannte sein Unternehmen Geely, was sinngemäß Glück verheißendes Automobil bedeutet. Berichten zufolge soll der Mann, der in seiner Heimat heute als Henry Ford Chinas gilt, als Vorbereitung auf die Automobilproduktion je einen Mercedes und ein Modell der chinesischen Marke Hongqui auseinandergenommen und analysiert haben. Um den Start in die Autoproduktion ranken sich Gerüchte. So soll Li Shufu mangels einer staatlichen Lizenz zuerst nur Zweizylinder-Motoren verbaut haben, weil damit die staatliche Definition eines Automobils – mindestens vier Räder und drei Zylinder – unterlaufen konnte. Daher lief seine Produktion schon, als er 2001 die offizielle Lizenz zum Automobilbau bekam.
Kein Erfolg mit Billigauto für US-Markt
Und mit der wachsenden chinesischen Mittelklasse und deren Interesse an Automobilen verdiente Geely gutes Geld. Die Idee, den US-amerikanischen Markt mit einem Billigauto aufzurollen scheiterten zwar nach der Prototypenphase. Doch hatte Li Shufu bald genügend Geld und Erfahrung gesammelt, um die Volvo-Übernahme anzugehen.
Nach der Volvo-Übernahme vergingen einige Jahre, bis Geely seine Einkaufsaktivitäten verstärkte. Schon 2016 beteiligte sich Geely mit 48 Prozent am chinesischen Lithium-Ionen-Batteriehersteller Shandong Forever New Energy. 2017 übernahm Li Shufu die Mehrheit am legendären britischen Nischenhersteller Lotus. Die sicherte er sich, indem er von einem malayischen Mischkonzern 49,9 Prozent der Lotus-Mutter Proton kaufte. In jenem Jahr machte Geely eigenen Angaben zufolge umgerechnet 12,3 Milliarden Euro Umsatz und 1,4 Milliarden Euro Nettogewinn – eine Marge, von der mancher europäische Hersteller träumt. Für den Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer ist Geely damit der „Profitabilitäts-Star der Autobranche“.
Größter Einzelaktionär bei Daimler
Inzwischen hat sich der Fokus von Geelys Übernahmen auf Europa verlagert – und sich deren Frequenz erhöht. London EV-Taxi, der Hersteller der Londoner Black Cabs wurde gekauft. 2018 stieg Geely mit knapp zehn Prozent bei Daimler ein und wurde damit auf einen Schlag zum größten Einzelaktionär. Kurz zuvor hatte Li Shufu knapp neun Prozent am schwedischen Nutzfahrzeug-Hersteller Volvo AB gekauft. Zuletzt machten Nachrichten die Runde, Geely wolle auch Aston Martin Lagonda übernehmen.
Dabei geht es Li Shufu nicht nur um Unternehmensanteile, wie das Beispiel Daimler zeigt. Nach der Übernahme sagte Li Shufu, er strebe eine Allianz für das autonome Fahren und die Elektromobilität an. Dazu ist es bislang nicht gekommen, aber Daimler und Geely haben inzwischen zwei Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Eines dreht sich um den Kleinwagen Smart, der künftig in China gebaut werden soll. Der gemeinsame Limousinen-Fahrdienst StarRides hat Anfang Dezember den Betrieb aufgenommen. Ende 2019 wurde berichtet, Geely und Volvo könnten eventuell gemeinsam Motoren für Dritte fertigen – und unter anderem an Mercedes-Benz liefern.
Fusion soll die Taschen der Anleger öffnen
Inzwischen hat Geely auch einen Forschungsstandort in Deutschland. Im hessischen Raunheim sollen, wie Geely ankündigte, sich bis zu 300 Mitarbeiter vor allem auf Elektroautomobile im Premium-Segment konzentrieren. In Schweden und Großbritannien entwickelt Geely ebenfalls mit eigenen Mitarbeitern.
Und nun die Fusion mit Volvo. Zeitweise hatte es geheißen, Geely wolle Volvo an die Börse bringen und damit Milliarden für autonomes Fahren und Elektromobilität einsammeln. Nun rechnen Beobachter anders. An der Börse – in Hongkong – ist bislang nur Geely Automotive, die Autosparte der Geely Holding, notiert. Mit ihren Markennamen Geely, Emgrand, Englon, Gleagle oder Shanghai Maple elektrisiert sie die Börsianer nicht gerade. In einem gemeinsamen Konzern mit Volvo und den neuen Marken Lynk&Co sowie Polestar könnten Anleger - zuerst in Hongkong, später auch in Stockholm - hingegen die „Story“ sehen, die sie brauchen, um in das Unternehmen zu investieren.
Li Shufu erscheint als Pragmatiker des Erfolgs. Er macht keine großen Ankündigungen, sondern ergreift Möglichkeiten, die sich ergeben. Oder, wie man bei Geely angeblich sagt: Man baut ein Haus, und wenn es fertig ist, zeigt man es.
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