Vorne weiß, hinten blau, eine Klebefolie im Computerchip-Design bedeckt das gesamte Auto, verdeckt zum Teil Scheinwerfer und Rückleuchten. Doch die derart getarnte Mercedes E-Klasse fällt auf dem bunt erleuchteten Las-Vegas-Boulevard so gut wie keinem auf. Erst recht bemerkt und weiß keiner, was Neues unter der schwäbischen Business-Limousine steckt.
Mit Ausnahme von Michael Kelz, dem Entwicklungschef der E-Klasse. Er sitzt am Steuer des modellgepflegten W 213, wie die Baureihe intern genannt wird. Wir dürfen rechts neben ihm Platz nehmen. Kelz verrät – die Vorstellung des Autos fand im Rahmen der CES-Messe statt – schon vorab ein paar Details, die die Mercedes-Entwickler ihrem Kernmodell in jüngster Ausprägung mit auf den Weg gegeben haben. Dem Publikum wird die neue E-Klasse erst im März auf dem Genfer Autosalon präsentiert. Danach startet der Verkauf.
Schlanker, sportlicher, schnittiger. Diese Aufgabe stand Designdirektor Gorden Wagener bevor, ohne jedoch dem Auto über Gebühr ans Blech zu gehen. Millionenteure Werkzeugkosten, die sich über den restlichen Life-Cycle (bis 2023) nicht amortisieren, sollten vermieden werden. Beholfen hat man sich durch gezielte Eingriffe an der Front und am Heck. Neue Scheinwerfer mit modernstem LED-Innenleben vorn sowie ein komplett geändertes Heck mit deutlich schmaleren Rückleuchten – sie sind jetzt zweiteilig und ragen in den Kofferraumdeckel hinein – sollen der E-Klasse ein zeitgemäßes Outfit verpassen.
Geschmeidig im "Segelmodus"
Eine Menge passierte auch unter der – ebenfalls neuen – Motorhaube, die in der AMG-Line-Ausprägung jetzt zwei auffällige Wölbungen, sogenannte Powerdomes, hat. Sie sind rein optischer Natur, besitzen keinerlei Funktionen. Umso mehr Aufgaben kommt dem neukonstruierten Turbobenziner zu. Der Zweilitermotor, intern M 254 genannt, ist der weltweit erste Vierzylinder mit integriertem Starter-Generator (ISG). Diese Mild-Hybrid-Technik setzt Mercedes bereits bei seinem Reihensechszylinder-Benziner M 256 ein, ebenfalls als einziger Hersteller der Welt. Andere Autobauer haben sich bislang nur für die riemengetriebene RSG-Lösung (Add-on-Prinzip) entschieden.
Auffällig ist die Geschmeidigkeit des Vierzylinders. In normalen Fahrbetrieb nimmt man kaum wahr, ob der Motor läuft oder der Wagen ausgeschaltet im „Segelmodus“ dahingleitet. Erst bei kräftigem Tritt aufs Gaspedal kann das Aggregat seine Zylinderzahl nicht verleugnen.
Der M 254 leistet rund 200 kW (272 PS) und soll vorerst nur in Europa angeboten werden, löst den Vorgängermotor M 264 (hat noch die RSG-Technik) jedoch nicht ab. Beide laufen parallel. Mercedes will die Produktion seines sparsamen Neulings erst allmählich hochfahren. Weiterhin in der Preisliste findet sich auch noch der älteste Vierzylinder (M 274) im Programm der E-Klasse. Er arbeitet ausschließlich in der Plug-in-Hybrid-Variante. Man wollte das PHEV-System nicht nochmals auf den neuen Motor umstellen. Die Adaption hätte in keinem vernünftigen Verhältnis zur Verbrauchseinsparung gestanden.
Neues Lenkrad mit Doppelspeiche
Wer auch beim Reihensechszylinder-Diesel (OM 656) auf die ISG-Hybridisierung hofft, wird enttäuscht. Dieser Motor benötigt laut Michael Kelz aufgrund des ohnehin schon hohen Drehmoments keine elektrische Hilfe. Zudem sei das Getriebe für den zusätzlichen E-Boost nicht ausgelegt. Zwar offiziell nicht bestätigt, aber an fünf Fingern abzählbar: Der Vierzylinder-Diesel OM 654 wird ebenfalls die integrierte Starter-Generator-Technik erhalten, um auch hier für geschmeidigeres Beschleunigen zu sorgen und gleichzeitig ein paar Gramm CO2 einzusparen.
Im Cockpit der E-Klasse fällt sofort das neue, unten abgeflachte Lenkrad mit Doppelspeiche und perforiertem Leder auf. Es wurde eigentlich für die kommende S-Klasse (W 223) entwickelt, kommt aber aufgrund der neuen Bedienung bereits im W 213 zum Einsatz. Neben der Doppelspeiche (AMG-Line) gibt es das neue Lenkrad aber auch in Normalausführung. Apropos Bedienung: Das zentrale Display auf dem in der Größe unveränderten Wide-Screen reagiert jetzt auch auf Touch. Die Darstellung bleibt weiterhin brillant, die Menüführung weitgehend intuitiv. Das System erkennt sogar, ob sich die Hand des Fahrers oder die des Beifahrers dem Display nähert. Was die neue E-Klasse allerdings nicht mehr kann, ist das automatische Überholen. Die Gesetzgebung verlangt nun, dass auch heranbrausende Motorradfahrer erkannt werden müssen, was aber mit der heutigen Kameratechnik noch nicht zu 100 Prozent gewährleistet werden kann.
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