Was früher einmal die Motorshow in Detroit war, ist heute die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas (6. bis 10. Januar). Zum Jahresauftakt zeigen Autohersteller und Zulieferer ihre Neuigkeiten in der Wüstenstadt im US-Bundesstaat Nevada. Und während zu Beginn nur die Großen der Branche wie Daimler, BMW, Bosch, ZF und Conti dabei waren, trauen sich jetzt auch die kleineren Zulieferer und Entwicklungsdienstleister. Dabei liegt der Fokus weniger auf neuen Autos als vielmehr auf den darin steckenden Technologien. Diesmal dreht sich alles um Sensoren und Kameras, die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine, das automatisierte Fahren sowie Konzepte für den Innenraum der Zukunft.
Laut Angaben des Ausrichters, des wichtigen US-Branchenverbands Consumer Technology Association, stellen rund 4500 Unternehmen aus verschiedenen Sektoren ihre neuesten Innovationen und Ideen vor. Erwartet werden mehr als 170.000 geladene Besucher aus 160 Ländern.
Eine der Keynotes hält der Daimler-Chef Ola Källenius zum Thema der Interaktion von Mensch, Technik und Natur. Dafür bringen die Stuttgarter ein Konzeptfahrzeug nach Las Vegas, das genau dieses Verhältnis neu definieren soll. Es soll inspiriert sein von "einem der innovativsten Unternehmen der Unterhaltungsindustrie", wie es in der Ankündigung der Messe heißt. Welches das sein wird, ist noch streng geheim. Auch sonst lässt Daimler im Gegensatz zu den anderen Ausstellern vorab wenig raus über den Auftritt bei der CES.
Auskunftsfreudiger ist da der Wettbewerber aus München. BMW legt neben dem automatisierten Fahren einen Schwerpunkt auf das Interieur der Zukunft. So wird auf dem Strip in Las Vegas eine Flotte umgebauter BMW i3 unterwegs sein, die sich per App rufen lassen. Der Innenraum sieht aus wie die Sitzecke in einem kleinen Boutique-Hotel. Für den Passagier im "BMW i3 Urban Suite" soll eine Relax-Atmosphäre entstehen. Ebenfalls im Gepäck haben die Münchner den "Zero G Lounger". Er verkörpert laut BMW das Interieur der Zukunft für eine sichere und entspannte Fahrt.
Mit dem "BMW i Interaction Ease" wollen die Entwickler zeigen, wie sich individuelle High-Tech-Mobilität im Zeitalter des autonomen Fahrens anfühlen könnte. Aus ihrer Sicht ist diese luxuriös, menschlich und intuitiv. Bei einer virtuellen Fahrt können Passagiere testen, wie sich das Fahrzeug vollständig und multimodular über Gesten, Sprache und visuelle Reize steuern lässt.
Kameras und Sensoren erfassen Hand- und Fingerbewegungen. Der Fahrer wird in seinem Bewegungsraum hinter dem Steuer beobachtet – und sogar darüber hinaus. Zeigt der Fahrer etwa aus dem Fenster auf einen Gegenstand und fragt "Was ist das für ein Gebäude?" oder "Wie heißt dieses Restaurant?", soll das System antworten. Ein intelligenter und lernender Algorithmus kombiniert und interpretiert die komplexen Informationen.
Bosch überwacht den Innenraum
Neben Daimler und BMW sind auch die drei großen Zulieferer Bosch, Conti und ZF in Las Vegas vertreten. Bosch bringt ein Kamera-Überwachungssystem für den Innenraum mit. Damit soll sich die Sicherheit der Insassen deutlich erhöhen. So schlägt das System Alarm, wenn etwa der Fahrer abgelenkt ist oder ein Kind auf der Rücksitzbank unabsichtlich den Gurt löst. "Wenn das Auto weiß, was Fahrer und Insassen gerade machen, wird Autofahren noch sicherer und komfortabler", sagt Bosch-Geschäftsführer Harald Kröger.
Mit dabei ist auch das bereits bekannte 3D-Display. Es erzeugt im Cockpit einen dreidimensionalen Effekt von Bildern und Warnsignalen. Dadurch lassen sich laut Bosch Informationen schneller erfassen als auf herkömmlichen Bildschirmen. Der Fahrer sei dadurch weniger abgelenkt. Das System für die räumliche Darstellung kommt ganz ohne Zusatztechniken wie Eyetracking oder 3D-Brille aus. Bosch demonstriert außerdem die gesamte Palette an Technologie für ein automatisiertes Shuttle-Fahrzeug, das in naher Zukunft in umgrenzten Gebieten wie Flughäfen oder abgetrennten Spuren in Innenstädten unterwegs sein könnte.
Mit seinem IoT-Shutte steht Bosch in direkter Konkurrenz zu ZF. Der Zulieferer aus Friedrichshafen glaubt ebenfalls daran, dass sich solche automatisiert fahrenden Kleinbusse noch vor Robotaxis in den Innenstädten durchsetzen können. Denn hier haben Städte die Möglichkeit, etwa Busspuren für diese Art der Mobilität zu reservieren und damit die technologischen Anforderungen für das automatisierte Fahren gegenüber dem gemischten Verkehr deutlich zu reduzieren. ZF zeigt ein transparentes Shuttle-Fahrzeug, in dem alles vereint ist, was das Unternehmen auf diesem Gebiet im Portfolio hat.
Daneben bringt ZF sein Safe Human Interaction Cockpit mit, das zusammen mit Faurecia entwickelt wurde. Dabei kommunizieren fortschrittliche Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen einfach und effektiv mit dem Fahrer – über haptische, optische und akustische Signale. Ebenfalls transparent präsentiert sich das Konzeptfahrzeug mit EVplus-Antriebskonzept und Fahrerassistenzsystem auf Stufe 2+. EVplus zeigt den Plug-In-Hybid der Zukunft, der über eine tatsächliche elektrische Reichweite von mehr als 100 Kilometern verfügt und damit für die allermeisten Fahrten im Alltag gerüstet ist.
Eberspächer liefert für RinSpeed-Studie
Auch bei Continental steht das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine im Mittelpunkt. Nutzer können über eine Smartphone-App ganz bequem einen Shuttle buchen und einen Sitzplatz reservieren. Auf einem großen Display sehen die Fahrgäste alle Streckeninformationen, verfügbare lokale Dienste und die Fahrzeugbenachrichtigungen in Form einer dynamischen Zeitachse. Die ganzheitliche Mensch-Maschine-Schnittstelle von Continental gibt eine Meldung aus, wenn Fußgänger im Weg des Shuttles erkannt werden. So soll das Vertrauen in die Sicherheit von automatisierten Fahrzeugen erhöht werden.
Außerdem hat der Zulieferer ein vollvernetztes Kamera-System mitgebracht. Geht es nach dem Unternehmen, werden Kameras und Sensoren zu den Sinnesorganen von Autos, die einen Rundumblick ums Fahrzeug aus sämtlichen Perspektiven ermöglichen sollen. Für den Fahrer entsteht durch die Kombination der Kamerabilder der Eindruck, als seien die Motorhaube und der darunterliegende Motorraum durchsichtig. "Das Bild vom Terrain unter dem Fahrzeug liefern die bereits heutzutage in vielen Fahrzeugen verbauten Satellitenkameras, die vorn am Kühlergrill, am Heck und je eine im Fuß der Seitenspiegel sitzen. Jedoch können die Kameras selbst den Bereich unter dem Fahrzeug nicht darstellen", sagt Markus Friebe, Leiter Visualisierungsfunktionen bei Continental.
Zum ersten Mal dabei sein wird auch der baden-württembergische Entwicklungsdienstleister Bertrandt. Das Unternehmen wird an einem eigenen Stand seine vollständig intern entwickelte Innovationsplattform "Harri" (Foto) der Weltöffentlichkeit präsentieren – nach der Deutschlandpremiere im Oktober in Bonn. Mit "Harri" zeige man die kombinierte Anwendung der Trendthemen Digitalisierung, Autonomes Fahren, Vernetzung und Elektromobilität in einem Fahrzeug, hieß es dazu in einer Mitteilung. So demonstriere man technische Kompetenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette für heutige und zukünftige Mobilitätskonzepte.
Technik-Vorstand Hans-Gerd Claus wird in der Mitteilung zitiert: "Wir können nicht nur einzelne Komponenten in der Fahrzeugentwicklung abdecken, sondern die gesamte Bandbreite. Demnach kann Bertrandt für seine Kunden ein komplettes Fahrzeug eigenständig entwickeln, nicht nur Teile davon."
Mit von der Partie ist auch der Abgas- und Thermospezialist Eberspächer. Das Unternehmen mit Sitz in Esslingen bei Stuttgart spielt eine gewichtige Rolle bei der von RinSpeed vorgestellten Studie Studie MetroSnap zum Transport auf der letzten Meile. Eberspächer hat dafür Lösungen in den Bereichen Thermomanagement, Konnektivität und elektronischer Schaltersysteme für Sicherheit und Komfort im Konzeptfahrzeug entwickelt. Ein zusätzliches, von der Antriebsbatterie unabhängiges Energiespeichersystem des Zulieferers ermöglicht eine autonome Energieversorgung und damit eine größere elektrische Reichweite des MetroSnap.
Über eine dazugehörige App können Flottenbetreiber wichtige Informationen rund um die Systeme einsehen, die Temperatur steuern oder per GPS-Tracking den Standort des Fahrzeugs sowie den Ladezustand des Energiespeichersystems abrufen.
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