Am Tag nach der Anklage gegen VW-Vorstandschef Herbert Diess und Chefaufseher Hans Dieter Pötsch kommt der Aufsichtsrat des Autobauers zu einer Sondersitzung zusammen. Das außerordentliche Treffen hatte das Präsidium des Kontrollgremiums am Dienstag kurz nach Bekanntwerden der Anklage angekündigt. Die Spitze des VW-Aufsichtsrats hatte aber zugleich erklärt, trotz der Anklage wegen mutmaßlicher Marktmanipulation an den beiden Spitzenmanagern festhalten zu wollen.
Für das Gremium sei weiterhin keine vorsätzlich unterlassene Information des Kapitalmarkts erkennen, hieß es am Dienstag nach einer kurzfristig einberufenen Sitzung in Wolfsburg. "Aus diesem Grund soll die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Vorstandsvorsitzenden fortgesetzt werden."
Beschuldigte weisen Vorwürfe zurück
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte zuvor mitgeteilt, Pötsch, Diess sowie Ex-VW-Vorstandschef Martin Winterkorn wegen Marktmanipulation im Zuge des Abgasskandals anzuklagen. Ihnen wird vorgeworfen, Anleger im Jahr 2015 nicht rechtzeitig über die Risiken der Dieselaffäre informiert zu haben. Die Verteidiger der drei Beschuldigten wiesen die Vorwürfe zurück.
Der Konzernvorstand wandte sich in einem Brief an die Belegschaft. "Wir können nachvollziehen, dass diese Nachricht viele von Ihnen verunsichert und betroffen macht", heißt es in dem Schreiben der Vorstände Gunnar Kilian (Personal) und Hiltrud Werner (Integrität und Recht). Durch die Anklage werde deutlich, dass die Bewältigung der Dieselkrise - trotz aller Fortschritte -, noch immer nicht abgeschlossen sei. "Es hat für uns oberste Priorität, dass Hintergründe und Verantwortlichkeiten aufgeklärt werden", heißt es in dem Dokument, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Keine Auswirkungen auf Anlegerverfahren
Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig machte deutlich, dass die Anklagen gegen Diess, Pötsch und Winterkorn vorerst keine Auswirkungen auf das milliardenschwere Investoren-Verfahren zur Dieselaffäre haben. Entscheidungen wegen des Vorwurfs der Marktmanipulation in strafrechtlichen Verfahren hätten zunächst keinerlei unmittelbaren Einfluss auf das zivilrechtliche Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG-Verfahren), teilte das OLG auf Anfrage der dpa mit. "Sie binden den Senat in keiner Weise", sagte OLG-Sprecherin Andrea Tietze.
Am Oberlandesgericht der Stadt wird seit September 2018 über Schadenersatzforderungen von VW-Investoren für erlittene Kursverluste verhandelt. In dem Verfahren geht es im Kern um die Frage, ob VW die Märkte rechtzeitig über den Skandal um Millionen von manipulierten Dieselmotoren informiert hat. (Az 3 Kap 1/16)
OLG-Sprecherin Tietze zufolge ist es aber möglich, dass auch im KapMuG-Verfahren strafrechtliche Akten beigezogen werden, aus denen dann Erkenntnisse gewonnen werden können. (dpa/swi)
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