Nur die Hälfte der Hallen geöffnet, auf den Messemagistralen statt der üblichen Menschenmassen nur wenige Fachbesucher, die entspannt flanieren und vor der Tür um so mehr Demonstranten – die IAA in Frankfurt hat schon bessere Jahre gesehen. Doch die PS-Branche gibt nicht auf: SUV-Kritik hin, CO2-Voirwürfe her und allen Umsatzsorgen oder Gewinnwarnungen zum Trotz macht sie gute Miene zum bösen Spiel und inszeniert mitten im Stimmungstief ein Spannungshoch. Denn nach Jahren der Ankündigung immer neuer und immer sauberer Autos wird jetzt endlich geliefert und auf breiter Front starten die Hersteller auf die Electric Avenue.
Allen voran fährt dabei in diesem Jahr der VW-Konzern. Nicht nur, dass die Muttermarke mit dem ID.3 endlich selbst am großen Akku-Rad dreht und den Kompakten mit einem Startpreis von weniger als 30.000 Euro schon als Golf für die Generation E bejubelt. Sondern parallel dazu lanciert Porsche den vor vier Jahren just hier als Mission E angekündigten Taycan und bietet den reichen Rasern mit notorisch schlechten Gewissen endlich eine Alternative zu den mittlerweile ziemlich abgegriffenen Teslas. Und auch die anderen Geschwister stimmen mit ein in den Chor der Stromer: Seat zeigt den elektrischen Mii und Skoda den baugleichen Citigo, die sportlichen Spanier von Curpa rücken die seriennahe Studie Tavascan als elektrisches SUV-Coupés ins Rampenlicht und Audi wagt mit dem AI-Trail ein wenig Weitblick: Denn was aussieht, wie ein Mondauto ist nicht weniger als der Quattro der Zukunft, den sich umweltbewusste und naturverbundene Kunden immer dann ausleihen sollen, wenn sie mal ein Wochenende im Grünen verbringen wollen.
Opel Cosa mit E-Antrieb
Auch Mercedes blickt ein Stück die Electric Avenue hinunter, bewahrt dabei aber deutlich mehr Bodenhaftung: Denn so futuristisch die Vision EQS mit ihrer mehr als fünf Meter langen, weit überspannte Karosserie und den holografischen LED-Elementen auch aussehen mag, soll daraus in weniger als zwei Jahren die elektrische Alternative zur S-Klasse werden. Und wer so lange nicht warten will, der kann schon jetzt mit einem Update des künftig ausschließlich elektrischen Smarts oder dem EQ V als erster Großraumlimousine mit Akkuantrieb von der Premierenbühne fahren.
Neu an der Ladesäule sind zudem der Opel Corsa, der in der jüngsten Auflage erstmals auch mit Stecker angeboten wird, der Mini E, der nach all der vielen Vorarbeit für BMW endlich selbst einen Akku bekommt, sowie der coole Kleinwagen Honda E, mit dem der erste Japaner ernsthaft mitmischt im Segment der Stromer.
Bugatti dreht auf
Unter den Japanern mag der Honda der erste sein. Doch aus Asien sind noch mehr Stromer nach Frankfurt gekommen – allen voran aus China. So hat Byton den lange erwarteten M-Byte enthüllt und damit die letzte Scheibe von einer schier endlosen PR-Salami geschnitten, Wey nähert sich mit zwei weiteren SUV der Serienreife, Aiways gewährt einen Blick auf den U5, der ähnlich viel kann wie ein Mercedes EQC und doch nur die Hälfte kostet und die Luxusmarke Hongqi zeigt mit einem elektrischen Supersportler und einem gigantischen SUV die ersten Entwürfe aus ihrem neuen Designstudio in München.
So ganz frei machen können sich die Hersteller von der alten Welt allerdings noch nicht. Das gilt im Kleinen für Autos wie den neuen Hyundai i10 oder die konventionellen Ausgaben des Opel Corsa, das gilt für SUV wie den noch fetteren und noch provozierenderen BMW X6 und für die überfällige Neuauflage des Land Rover Defender, der immerhin digital wird und künftig sogar als Plug-In-Hybrid kommt. Und das gilt auch am anderen Ende der Skala. Denn als hätten sie den Knall gehört, dreht ausgerechnet Bugatti noch einmal richtig auf: Während die nicht minder exaltierte Schwestermarke Lamborghini mit dem Sian seinen ersten Hypercar mit Hybridantrieb zeigt und zumindest eine Kleinserie davon in den Handel bringt, rüstet Bugatti den Chiron weiter auf und bringt jetzt den 300 Meilen pro Stunde schnellen Rekordwagen mit 1600 statt 1500 PS auf die Straße. Der Schaden für die Umwelt wird sich trotz eines Vollgasverbrauchs im dreistelligen Bereich allerdings in engen Grenzen halten. Denn erstens werden Bugattis traditionell pro Jahr nur wenige hundert Kilometer gefahren und zweitens wollen die Franzosen von ihrem Rekordrenner nur 30 Exemplare bauen.
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