Eigentlich hatte sich Bernhard Mattes schon anderweitig neu orientiert, als ihn Ende 2017 der Ruf an die VDA-Spitze ereilte. Nach 14 Jahren als Chef der Ford-Werke hatte er Ende 2016 das operative Geschäft des Kölner Automobilherstellers verlassen und war in dessen Aufsichtsrat gewechselt. Da war der gebürtige Wolfsburger schon ein halber Rheinländer und ein ganzer FC-Köln-Fan geworden, den Mitarbeiter als „basisnah“ und „ohne Starallüren“ beschrieben.
Auch in den Präsidialrat der Dekra wurde er berufen. Und einige Monate später nahm er die Aufgabe als Vorsitzender des Advisory Boards der Unternehmensberatung change2targe an.
Doch dann wurde klar, dass VDA-Präsident Matthias Wissmann nicht in seinem Job bleiben würde, und die Wahl der Verbandsgrößen fiel auf den damals erst 61-jährigen Bernhard Mattes. Nach dem Politiker Wissmann, der unter anderem Forschungs- und Verkehrsminister gewesen war – sollte nun wieder ein Mann aus der Branche den Verband führen. Mattes hat sein ganzes Berufsleben nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in der Automobilindustrie verbracht. Zunächst bei BMW, ab 1999 dann bei Ford – damals noch eine AG – in Köln, erst als Vertriebs- und Marketingvorstand, ab 2002 als Vorstandsvorsitzender.
Vom Start an unter Druck
Dass Mattes als Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland einen guten Draht über den Atlantik hatte, war angesichts der aufziehenden Probleme mit dem ein Jahr zuvor ins Amt gelangten US-Präsidenten Donald Trump auch nicht von Nachteil.
Dass es kein leichter Job werden würde, muss Mattes klargewesen sein, schließlich war die Automobilbranche durch den VW-Dieselskandal, die generelle Diskussion über Stickoxid-Emissionen und ihren Beitrag zum Klimawandel schon seit Jahren unter Druck.
Sauer auf das Umweltbundesamt
Neu im Job legte er sich erst einmal mit dem Umweltbundesamt an, dem er vorwarf sich beim CO2-Thema einseitig auf den Straßenverkehr einzuschießen und andere Sektoren außen vor zu lassen. Und er bezog in einem Interview klar Stellung gegen die von der Branche abgelehnten Hardware-Nachrüstungen – auch weil es zwei bis drei Jahre dauern werde, bis Fahrzeuge umgerüstet werden könnten. Damit unterschätze er dann aber doch die Leistungsfähigkeit seiner Branche, die nur rund eineinhalb Jahre später die ersten Hardware-Nachrüstungen begann.
Zwar hatte die Branche 2018 noch ein Rekordjahr verbuchen können. Doch schon kurz nach dem Amtsantritt im März 2018 zeigte der neue VDA-Präsident sich besorgt wegen Diesel-Dauerkrise, US-Zöllen, der Umstellung auf den WLTP-Prüfstandard und schärferer Abgas-Grenzwerte.
Erfolgloser Kampf gegen Grenzwertverschärfung
Doch es kam bekanntermaßen noch schlimmer. Das Kraftfahrtbundesamt ordnete immer neue Rückrufe wegen mutmaßlich zu hoher Stickoxidemissionen an. Der US-Präsident heizte den Handelskonflikt immer weiter an. China wurde vom Boomland zum Sorgenkind der Branche. Und schließlich legte die EU für 2030 CO2-Grenzwerte fest, die die Branche aufschreien und aufstöhnen ließen. Dass die Werte bis 2030 um 37,5 Prozent sinken müssen, konnte Mattes mit nicht verhindern. Der VDA hatte beim Start der Verhandlungen 30 Prozent für gerade noch vertretbar gehalten.
Schon bei seiner ersten Bilanz Ende 2018 gab Mattes zu Protokoll: "Die deutsche Automobilindustrie hat ein prall gefülltes Lastenheft. Wir gestalten einen Transformationsprozess, der das Automobil, die Mobilität und damit auch die Branche selbst verändern wird." Dabei war auch der VDA-Präsident als Moderator gefordert. Denn über den richtigen Weg zur CO2-Reduzierung zerstritt sich VW mit BMW und Daimler. Während VW-Chef Herbert Diess alle Förderung auf E-Fahrzeuge konzentrieren wollte, forderten Harald Krüger von BMW und Daimler-Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche Technologieoffenheit. In einer Runde mit Mattes einigten sie sich dann auf den Kompromiss, batterieelektrische Automobile und Hybride seien das „Gebot der Stunde“.
"Wir gehen hin zu einem dynamischen Event"
Die Umorientierung macht auch vor dem VDA nicht halt. So verabschiedete er sich von seinem Auftritt auf der Detroit Motor Show und präsentierte sich stattdessen auf der CES. Um die Abwanderung der Automobilhersteller von der eigenen IAA in Grenzen zu halten und IT-Firmen oder bislang branchenfremde Technologieunternehmen zu gewinnen, setzte der Verband für die Frankfurter Messe ein neues Konzept auf. "Wir gehen weg von der klassischen Ausstellung und hin zu einem dynamischen Event", kündigte Bernhard Mattes an. Wie sich das bewährt, wird sich ab der nächsten Woche in Frankfurt zeigen. Zumindest der Rückzug der Automobilhersteller, der 2017 unter anderem mit Volvo begonnen hatte, geht, weiter. Diesmal sind etwa auch Renault und Dacia nicht dabei. Daimler und BMW haben ihren Aufwand deutlich reduziert. Einige 2017 noch genutzte Messehallen werden leer stehen.
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