Die britische Regierung arbeitet an einem Rettungspaket für Unternehmen im Falle eines Brexits ohne Abkommen am 31. Oktober. Der Rettungsplan mit dem Namen "Operation Eisvogel" ("Operation Kingfisher") soll Firmen helfen, die nach dem EU-Austritt vorübergehend mit veränderten Umständen zu kämpfen haben. Das sagte der britische No-Deal-Beauftragte Michael Gove bereits am Freitag vor Journalisten.
Nach einem Bericht der "Times" vom Samstag geht es um einen Notfallfonds, der in Schieflage geratene Unternehmen vor der Insolvenz retten soll. Eine Liste gefährdeter Unternehmen sei bereits erstellt worden. Besonders die Baubranche und die Industrie gelten als anfällig. Eine Regierungssprecherin wollte den "Times"-Bericht auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nicht kommentieren.
Die Autoindustrie in Großbritannien hat schon länger Schwierigkeiten. Im Juni 2019 ist die Autoproduktion den 13. Monat in Folge gesunken. Es wurden über 15 Prozent weniger Autos gebaut, im ersten Halbjahr sogar ein gutes Fünftel weniger. Rund 80 Prozent der britischen Autoproduktion gehen in den Export, die mit Abstand meisten Autos landen in der EU. Die Branche fordert seit Langem ein festes Regelwerk für den Fall eines Brexits ohne Abkommen. Die größten Hersteller im Land waren 2018 Jaguar Land Rover aus dem Tata-Konzern, Nissan, BMW mit der Kleinwagenmarke Mini, Toyota und Honda sowie der PSA-Konzern mit der Opel-Schwestermarke Vauxhall.
Rückgang des BIP
London legt Wert darauf, es mit der Drohung eines ungeregelten Austritts ernst zu meinen. "Großbritannien wird die EU am 31. Oktober verlassen, ohne wenn und aber, und es ist meine erste Priorität, sicherzustellen, dass jeder Teil des Vereinigten Königreichs bereit ist für den Austritt", sagte Gove am Samstag bei einem Besuch in Nordirland.
Auch Premierminister Boris Johnson betonte immer wieder, sein Land werde die EU am 31. Oktober verlassen "komme, was wolle". Er setzt darauf, dass sich Brüssel auf seine Forderung nach Änderungen an dem mit seiner Vorgängerin Theresa May ausgehandelten Austrittsabkommen einlässt. Dafür gibt es jedoch bisher keine Anzeichen. Damit wächst die Gefahr eines ungeregelten Austritts.
Bislang spielte die neue Regierung in London die möglichen Konsequenzen eines No-Deals für die britische Wirtschaft meist herunter. Er rechne nicht mit einer Rezession, hatte Finanzminister Sajid Javid am Freitag gesagt, nachdem das Statistikamt ONS erstmals seit 2012 einen Rückgang des britischen Bruttoinlandsprodukts vermeldet hatte.
Kann das Parlament den No-Deal verhindern?
Unterdessen gingen Spekulationen weiter, ob und wie das Parlament einen EU-Austritt ohne Abkommen noch verhindern könnte. In Betracht gezogen wird, dass die Abgeordneten Premierminister Johnson das Vertrauen entziehen. Umstritten ist aber, ob Johnson dann die Zeit bis zum 31. Oktober nicht einfach aussitzen könnte, um einen No Deal über die Linie zu bringen. Angeblich soll sein engster Berater, Dominic Cummings, sogar die Möglichkeit ins Spiel gebracht haben, dass Johnson selbst dann nicht zurücktritt, wenn sich das Parlament auf einen Alternativkandidaten einigen sollte. Oppositionspolitiker forderten, in diesem Fall müsse Queen Elizabeth II. Johnson entlassen.
Dass im Buckingham-Palast die Sorge wächst, in die Auseinandersetzung um den EU-Austritt hineingezogen zu werden, legt ein Bericht des "Telegraph" vom Samstag nahe: Demnach soll es Beratungen zwischen der Regierung und dem Palast gegeben haben, wie die Monarchin aus dem Brexit-Streit herausgehalten werden kann. (dpa/os)
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