Gerüchte kursierten bereits seit längerer Zeit, nun ist es offiziell: Der Anlagenbauer Eisenmann mit Sitz in Böblingen hat beim Amtsgericht Stuttgart Insolvenz beantragt. "Wir wollen diese Chance auf einen Neustart konsequent nutzen und können dabei auf ein grundsätzlich solides Geschäftsmodell aufbauen", sagte Michael Keppel, Chief Restructuring Officer der Eisenmann SE.
Mit dem Insolvenzverfahren wolle das Unternehmen sich auf das Kerngeschäft fokussieren und die strategische Neuausrichtung der Eisenmann Gruppe vorantreiben, um so schnell wie möglich zu einem profitablen Geschäft zurückzukehren. Der Verwaltungsrat sowie die Familie Eisenmann und die Kreditgeber unterstützten den jetzt eingeschlagenen Weg, so Keppel weiter. Auch die rund 3000 Mitarbeiter seien informiert worden.
Eigentümer und Management der Eisenmann Gruppe hatten im März 2019 die Restrukturierung und strategische Neuausrichtung des Unternehmens eingeleitet. Die Akquisition und Abwicklung diverser Großprojekte hätten 2018 zu einem hohen Jahresverlust geführt, heißt es in einer Pressemitteilung. "Wir mussten hier schnell und konsequent handeln. Gleichzeitig wollten wir aber auch die strategischen und strukturellen Grundlagen für unsere Wettbewerbsfähigkeit schaffen", betonte Keppel.
Berichte, nach denen auch der verschobene Ausbau des Daimler-Werks im ungarischen Kecskemet eine Rolle gespielt haben soll, dementierte Daimler am 30. Juli. Wörtlich heißt es : "Entgegen anderslautender Berichte hat die Daimler AG keine Aufträge bei der Firma Eisenmann storniert. Daimler steht bereits seit Monaten in Kontakt mit der Geschäftsleitung von Eisenmann und ist der Bitte nach Unterstützungsleistungen nachgekommen." Die Insolvenz habe derzeit keine Auswirkungen auf die Produktion bei Daimler. Man verfolge die weiteren Entwicklungen sehr genau und werden dazu das Gespräch mit dem Insolvenzverwalter suchen. Richtig ist nach wie vor, dass Daimler den Werksausbau wegen gedämpfter Wachstumsprognosen auf Eis gelegt hat.
Zudem war aus der Branche immer wieder zu hören, dass sich Eisenmann Aufträge zu Dumpingpreisen gesichert habe. Das Unternehmen äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht zu den genauen Gründen für die Insolvenz.
Auch andere Zulieferer in Schwierigkeiten
Den Weg aus der Krise will Eisenmann nun am liebsten mit Unterstützung eines anderen Unternehmens gehen. "Wir sind davon überzeugt, dass wir die zunehmenden Risiken und Kapitalanforderungen in unserem Anlagengeschäft im Verbund mit einem industriellen Partner besser schultern und unser volles Potential schneller ausschöpfen können. Deshalb suchen wir für unser Geschäft mit Lackieranlagen und Applikationssystemen einen strategischen Partner. Die ersten Interessenten haben sich auch schon gemeldet", so Keppel.
Eisenmann ist nicht das erste von der Automobilindustrie abhängige Unternehmen, das von den gedämpften Konjunkturerwartungen der Branche betroffen ist. Zuletzt hatte Weber Automotive aus Neuenbürg bei Pforzheim mit 1500 Mitarbeitern einen Insolvenzantrag gestellt. Viele Zulieferer wie Schaeffler, Conti, Mahle, Mann + Hummel oder Marquardt wollen Jobs abbauen, verlagern oder Standorte schließen.
Eisenmann ist ein 65 Jahre altes Familienunternehmen. Für die Automobilindustrie liefert das Unternehmen vor allem Lackieranlagen, aber auch Lichttunnel für die Qualitätskontrolle.
Eisenmann ist in Europa, Amerika und den BRIC-Staaten an 27 Standorten in 15 Ländern mit über 3.000 Mitarbeitern vertreten und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 723 Millionen Euro (2017).
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