Die seit Monaten in Aussicht gestellten Hardware-Nachrüstungen von Diesel-Autos mit zu hohen Schadstoffwerten in Deutschland können starten. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) erteilte nach Darstellung des Bamberger Technologie-Anbieters Dr Pley am Freitag die erste Allgemeine Betriebserlaubnis zur Dieselnachrüstung. Diese betreffe Nachrüstsätze für Volvo-Modelle. Demnächst seien auch Genehmigungen für Fahrzeuge von Daimler und BMW zu erwarten.
Es ist den Angaben zufolge das erste Mal, dass ein solches System in Deutschland zugelassen worden sei. Zuvor hatten der "Spiegel" und der "Bayerische Rundfunk" darüber berichtet. Ziel ist es, dass nachgerüstete Fahrzeuge von Fahrverboten ausgenommen werden können. Die Umrüstungen am Motor sind Teil eines Maßnahmenpakets der Regierung für bessere Luft. Nach den Vorgaben des KBA dürfen die umgerüsteten Autos im Realbetrieb noch 270 Milligramm Stickoxid je Kilometer ausstoßen, um von Fahrverboten verschont zu werden.
2018 war die Luftverschmutzung durch Diesel-Abgase trotz weiterer Verbesserungen noch in 57 deutschen Städten zu hoch gewesen. Der EU-Grenzwert für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2) wurde damit in acht Städten weniger überschritten als im Jahr zuvor mit 65 Städten, wie das Umweltbundesamt (UBA) im Juni mitteilte.
Daimler 31. Juli, BMW 15. August
Das KBA habe dem Nachrüstsatz für Volvo-Modelle mit 2,0- beziehungsweise 2,4-Liter-Dieselmotoren der Abgasnorm Euro 5 eine Betriebserlaubnis erteilt, bestätigte Dr Pley. Dies umfasse die Volumenmodelle XC60, XC70, S60, V60. Für Daimler-Modelle werde eine KBA-Erlaubnis zum 31. Juli erwartet, für BMW-Modelle zum 15. August.
Die Kosten für die Umrüstung wurden in der Vergangenheit auf etwa 3000 Euro pro System geschätzt. Einige deutsche Hersteller haben sich nach langer Debatte auf Zuschüsse für Hardware-Nachrüstungen eingelassen. Sie favorisieren allerdings Software, um die Abgaswerte zu verbessern. Ein flächendeckendes Fahrverbot für Euro-5-Diesel gibt es bislang in keiner deutschen Stadt.
Das von Dr Pley entwickelte System für den nachträglichen Einbau in Diesel-Pkw der Abgasnorm Euro 5 werde von der Bosal Retrofit Gmbh produziert und vertrieben, so das Unternehmen weiter. Es verwies auf KBA-Angaben, wonach noch knapp 5,6 Millionen Euro-5-Diesel-Pkw auf deutschen Straßen unterwegs seien.
Das Bundesverkehrsministerium bestätigte am Samstag, dass das erste Abgasnachrüstsystem vom KBA gebilligt worden sei und weitere folgten. Nähere Angaben wollte eine Sprecherin nicht machen.
Reaktionen
Der ADAC forderte, dass nach den ersten Genehmigungen schnell weitere Systeme "für möglichst alle betroffenen Fahrzeuge" folgen. "Die Unsicherheit der betroffenen Dieselfahrer dauert schon viel zu lange an", sagte eine ADAC-Sprecherin in München: "Wichtig ist es nun, dass die Kostenfrage schnell geklärt wird. Es kann nicht sein, dass der Verbraucher auf den Kosten sitzen bleibt."
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sprach von einem wichtigen Beitrag - mit allerdings überschaubaren Effekten. "Es wird keinen großen Run auf Nachrüstungen geben", sagte der Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen der Deutschen Presse-Agentur. Die Nachrüstung helfe Autofahrern und Städten. Auch für Händler seien positive Effekte zu erwarten, weil ein stärkerer Wertverfall bei Pkw verhindert werde: "Wir hätten das zwölf Monate früher haben können, wenn sich der Verkehrsminister nicht so umständlich angestellt hätte."
Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Cem Özdemir, forderte mehr Tempo. "Wir brauchen jetzt eine Offensive für Hardwarenachrüstungen, nach dem Verursacherprinzip finanziert durch die Automobilindustrie", sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Im vierten Jahr des Dieselskandals fällt die Blockade gegen die Hardwarenachrüstung, die Verkehrsminister Scheuer stets mit vorgeschobenen Argumenten verhindern wollte."
Die Grünen hatten Scheuer schon in der Vergangenheit vorgeworfen, das "Thema Hardwarenachrüstungen sehr erfolgreich sabotiert" zu haben. Die Mittelständler habe Scheuer mit Auflagen und Haftungsfragen so überladen, dass diese den Anforderungen kaum gerecht werden könnten. (dpa/os)
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