Opels Vorstandschef Michael Lohscheller winkt, dann kommt ein kleines altes Auto leise um die Ecke. Ohne Hüsteln und Verschlucken fährt ein originalgetreu nachgebauter Opel „System Lutzmann“ schnurstracks durch Halle K48 des Opel-Werksgeländes in Rüsselsheim.
Die Demonstration mit dem historischen Fahrzeug hat einen guten Grund: Vor 120 Jahren gab Sophie Opel auf Rat ihrer drei Söhne Carl, Wilhelm und Friedrich grünes Licht für den Bau des allerersten Opel-Pkw – eben jenes Patentmotorwagens „System Lutzmann“. In einer ehemaligen Kutschen-Manufaktur in Rüsselsheim bauten Handwerker dann 65 Exemplare.
Nun will Opel mit dem Corsa-e erneut Spuren in der Historie hinterlassen. Anders als früher mit
einem französischen Besitzer und einer neuen Antriebstechnik. Aber mit dem großen Ziel, für die Massen zu bauen.
Bei der Präsentation des neuen Corsa und insbesondere seiner rein batterieelektrischen Version ist Aufbruchstimmung zu spüren. Für Opel-Chef Lohscheller ist der Akku-Corsa kein normaler Launch eines Modells. „Wir starten ein neues Kapitel: das der wirklich bezahlbaren Elektroautos“, sagt er. „Raus aus der Nische, rauf auf die Straße.“ Der Chef der Blitz-Marke ist überzeugt: „Früher oder später wird die Elektromobilität die Norm werden.“ (Lesen Sie auch: Das sind die Konkurrenten des neuen Corsa-e)
Lohscheller ist ohnehin auf einem Höhenflug. Im Zuge der Übernahme durch den PSA-Konzern im Sommer 2017 wurde er Opel-Chef und drehte das Geschäfts schnell ins Positive. Nach 20 Jahren mit Verlusten machten die Rüsselsheimer 2018 erstmals wieder Gewinn.
2024 will Opel nun jedes Modell in mindestens einer elektrifizierten Version anbieten. 2020 kommen neben dem Corsa-e bereits der Grandland X Hybrid4, die elektrische Version des Mokka X sowie ein elektrischer Vivaro-Transporter auf den Markt.
Die sechste Generation des Corsa beruht auf der PSA-Plattform für kleinere Fahrzeugmodelle in der elektrischen Version, der eCMP („electric Common Modular Platform“). Die Plattform nutzt auch der elektrische Peugeot 208 und der DS?3 Crossback E-Tense.
Dennoch fahre sich der Corsa-e nicht wie ein Franzose, sagt Entwicklungschef Christian Müller. „Wir haben den Corsa-e an vielen Punkten ‚opelisiert‘, vor allem dort, wo der Kunde etwas sehen kann“, so Müller. Auch die Fahrwerkeinstellungen, die Lichttechnik, die Sitze und das Design seien von Opel entwickelt worden. „Deshalb ist auch der elektrische Corsa ein deutsches Auto.“
Preis für Corsa-e zu hoch
Lohscheller spricht am Tag der Präsentation wiederholt vom „Volks-Elektroauto“. Die Volksnähe ist an der zeitgemäßen Ausstattung, am forschen Design und am Package durchaus erkennbar.
Doch zum „Volks-Auto“ wird ein Auto vor allem durch den Preis. In Deutschland soll der E-Kleinwagen mit vergleichsweise hoher Ausstattung mindestens 29.900 Euro kosten. „Damit liegt der Corsa-e rund 5000 Euro über dem Renault Zoe – und das ist in diesem Segment einfach zu viel“, urteilt Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte an der Universität Duisburg-Essen. Dudenhöffer ist sich sicher: „Zu diesem Preis kauft keiner den Corsa-e. Opel hat vermutlich schon einkalkuliert, nur homöopathische Dosen der elektrischen Version des Corsa verkaufen zu können.“
Auch Auto-Fachmann Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management sieht den Preis als Knackpunkt der E-Offensive von Opel. „30.000 Euro ist für dieses Auto ein stolzer Preis. Der Abstand zur Verbrenner-Version dürfte damit massiv sein.“ Bratzel sieht zwar auch die hohen Preise der Wettbewerber. Doch Opel hat seiner Einschätzung nach noch mit einem speziellen Problem zu kämpfen: „Die Marke Opel hat trotz unbestreitbarer Verbesserungen immer noch ein Malus-Image. Ein hohes Preis-Premium für die E-Version eines neuen Modells scheint mir da noch nicht drin zu sein.“
Dennoch habe Opel mit dem Corsa-e tatsächlich ein neues Kapitel aufgeschlagen. Bratzel: „Die Elektromobilität leitet bei allen Herstellern eine neue Ära ein. Ein Stück weit starten alle wieder bei null. Und das ist eine Chance für Opel, auch auf einen nachhaltigen Imagewandel.“
Dudenhöffer rechnet indes mit einem hohen Preisdruck für alle E-Auto-Anbieter: „Schon 2020, spätestens 2021 wird ein großer Preisverfall in diesem Segment kommen. Denn zum einen wird dann der Wettbewerb immer intensiver, zum anderen steigt der Druck auf die Hersteller, CO2-Strafzahlungen durch hohe Zulassungszahlen im Elektrosegment zu vermeiden. Da kann sich sogar ein Minus-Geschäft bei den E-Autos lohnen, zumindest in den Anfangsjahren.“
Opel-Entwicklungschef Müller sieht das naturgemäß anders: „Wir erwarten, dass die Elektromobilität wirklich abheben kann. Deshalb planen wir bei der E-Version nicht so konservativ wie mancher Wettbewerber“, sagte Müller der Automobilwoche. Eine konkrete Zahl zum erwarteten Absatz des Corsa-e und auch zu der Plug-in-Variante des neuen Grandland X nennt Müller allerdings nicht. Auch Lohscheller hält sich bei den Absatzerwartungen zurück.
Der seit April amtierende Deutschland-Chef Ulrich Selzer sieht den Zeitpunkt für Opels Start ins Elektrozeitalter optimal gewählt: „Die E-Mobilität ist mit den steigenden Reichweiten und den sinkenden Kosten kein Thema mehr für wenige Vorreiter, sie ist interessant geworden für die ganze Breite der Kunden“, sagte Selzer der Automobilwoche. „Opel wird davon profitieren, als erster deutscher Autobauer ein bezahlbares vollelektrisches Auto anzubieten.“ Das Volks-Elektroauto.
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