Der Autobauer BMW ist in seinem Kerngeschäft wegen der Milliardenrückstellung für eine drohende EU-Kartellstrafe in die roten Zahlen gerutscht.
In der Autosparte lag der Verlust vor Zinsen und Steuern im ersten Quartal bei 310 Millionen Euro, wie der Dax-Konzern am Dienstag in München mitteilte. Vor einem Jahr hatte BMW hier noch 1,88 Milliarden Euro operativen Gewinn gemacht. Auch ohne die Sonderbelastungen lief nicht alles rund, die Kosten für neue Technik und Modelle lasten den Münchenern genauso auf der Bilanz wie Gegenwind von Wechselkursen und höheren Rohstoffpreisen.
Die Münchener stellen für das EU-Kartellverfahren rund um angeblich verbotene Absprachen deutscher Autobauer in Sachen Abgasnachbereitung 1,4 Milliarden Euro zurück. Anfang April hatte BMW bereits angedeutet, wohl mehr als eine Milliarde Euro dafür aufwenden zu müssen. Das Unternehmen will sich gegen die Vorwürfe gegebenenfalls jedoch "mit allen rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen". BMW sieht in dem Verfahren den Versuch, "die zulässige Abstimmung von Industriepositionen zu regulatorischen Rahmenbedingungen mit unerlaubten Kartellabsprachen gleichzusetzen."
Nach bisherigen Erkenntnissen, so BMW, untersuche die Kommission, ob deutsche Automobilhersteller in technischen Arbeitskreisen bei der Entwicklung und Einführung von Technologien zur Verringerung von Emissionen in wettbewerbsbeschränkender Weise zusammengearbeitet hätten. "Dieser Sachverhalt ist aus Sicht der BMW Group nicht mit Kartelluntersuchungen beispielsweise zu Gebiets- und Preisabsprachen zu vergleichen", erklärt der Hersteller. Man bekomme nun Akteneinsicht und werde danach eine Stellungnahme formulieren, so Konzern-Chef Krüger.
Daimler und Volkswagen haben bisher keine Rückstellungen gebildet, beide hatten einen Kronzeugenantrag gestellt. Daimler soll dem Vernehmen nach der erste gewesen sein und kann daher auf den größeren Erlass bei einer möglichen Strafe hoffen.
In diesem Jahr rechnet BMW nun nur noch mit einer Marge vor Zinsen und Steuern von 4,5 bis 6,5 Prozent im Automobilgeschäft, wie das Unternehmen konkretisierte. 2018 hatte sie noch 7,2 Prozent betragen. Die BMW-Stammaktie lag nach Handelsbeginn rund ein Prozent im Minus, europaweit zeigten sich Autowerte wie am Vortag erneut schwach.
Schnelle Besserung zumindest ist auch weiter nicht in Sicht. Der gestiegene Absatz in den ersten drei Monaten unterstreiche, dass BMW die richtigen Produkte habe, sagte Vorstandschef Harald Krüger. "Wir liegen operativ auf Kurs und rechnen insbesondere in der zweiten Jahreshälfte mit Rückenwind dank steigender Verfügbarkeit zahlreicher neuer Modelle", sagte er.
Der Konzern verspüre eine Vielzahl von Belastungen, werde in einem herausfordernden Umfeld aber weiter seine Strategie umsetzen.
Neben der Vorsorge für eine mögliche Kartellstrafe bekommt BMW nämlich weiter das schwierige Umfeld in der Autobranche zu spüren. Von Januar bis März hatte der Konzern zwar etwas mehr Autos verkauft als vor einem Jahr - das lag jedoch am chinesischen Markt, auf dem die Premiumautos der Marke mit dem weißblauen Logo trotz Marktschwäche gut laufen. Man sei in China im ersten Quartal zweistellig gewachsen, ergänzte Konzern-Chef Krüger im Call mit Journalisten.
Die Verkäufe in China fließen aber nicht in den Konzernumsatz ein, und die Gewinne des chinesischen Joint Ventures verbucht BMW erst im Finanzergebnis.
12 Milliarden Euro sollen eingespart werden
BMW gibt derzeit viel Geld aus, um Elektroantriebe zu entwickeln, diese in neuen Modellen auf die Straße zu bringen und damit letztlich Strafen der EU-Kommission für zu hohe CO2-Abgase zu vermeiden. Die Kosten für Forschung und Entwicklung kletterten zu Jahresbeginn um mehr als 8 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro. Wenn die verschärften Abgasregeln im Jahr 2021 erstmals richtig greifen, will BMW fünf vollelektrische Autos im Programm haben. 2025 sollen es dann zwölf sein. Inklusive der aufladbaren Mischantriebe, Plugin-Hybride genannt, soll das Angebot dann mindestens 25 Elektromodelle umfassen.
Weil das alles viel Geld kostet, spart BMW an vielen Ecken und Enden. BMW peilt in den kommenden vier Jahren zusammengenommen 12 Milliarden Euro Einsparungen an. Diese sollen unter anderem durch deutliche Synergien und Effizienzen im indirekten Einkauf sowie bei Material- und Fertigungskosten entstehen. Allein der indirekte Einkauf habe ein Volumen von 20 Milliarden Euro, konkretisierte Finanzvorstand Nicolas Peter.
Wenig gefragte Modelle wie der 3er Gran Tourismo werden gestrichen. Außerdem will BMW wenig gefragte Modell- und Motorvarianten konsequent aus dem Angebot streichen. Ab 2021 sollen bis zu 50 Prozent der heutigen Antriebsvarianten entfallen. Entwicklungsprozesse für neue Modelle würden um bis zu ein einem Drittel verkürzt und digitale Simulationen intensiv genutzt. "So können bis 2024 zum Beispiel 2.500 aufwendige Prototypen-Fahrzeuge entfallen", erklärte Krüger und ergänzte zum Thema Effizienz: "Es gibt keine Tabus. Wir drehen jeden Stein um."
Ein Stellenabbau sei aber nicht geplant, sagte Krüger und bekräftigte, "dass wir die Zahl der Mitarbeiter auf dem Niveau des Vorjahres halten".
Schneller und effizienter werden will BMW auch mit Kooperationen, etwa mit Daimler bei der nächsten Stufe des autonomen Fahrens, die 2024 auf die Straße kommen soll. BMW und Daimler haben auch ihre Carsharing-Dienste zusammengelegt. Einer Überkreuzbeteiligung von Daimler und BMW erteilte der Vorstandschef jedoch eine Absage, "das schließe ich definitiv aus".
Konzernebit sackt um fast 80 Prozent ab
Der Umsatz auf Konzernebene ging um 0,9 Prozent auf 22,5 Milliarden Euro zurück, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern lag bei 589 Millionen Euro knapp 80 Prozent niedriger.
Deutlich besser als im Vorjahreszeitraum lief es in der Sparte mit Finanzdienstleistungen rund um den Autoverkauf sowie in der Motorradsparte, die allerdings nur einen kleinen Beitrag zum operativen Gewinn liefert.
Unter dem Strich verdiente BMW mit 588 Millionen Euro nur noch rund ein Viertel des Überschusses aus dem Vorjahreszeitraum.
Auch ohne die Rückstellung wäre die Marge im Automobilgeschäft von 9,7 Prozent vor einem Jahr auf 5,6 Prozent gefallen. Das war ein deutlicherer Rückgang als Analysten im Schnitt erwartet hatten.
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(dpa/swi/ree)
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