Beispiele für brisante Fälle gibt es schon. Dekra-Vorstandsmitglied Clemens Klinke erzählt von einem Elektroauto, das aus unbekannten Gründen abgebrannte. Der Fahrer kam dabei ums Leben. Der Prüfkonzern Dekra sollte die Unfallursache in einem Gutachten ermitteln, doch das erwies sich als schwierig. Denn der Autohersteller verweigerte die Herausgabe der Daten für die letzten zwei Minuten des Geschehens.
"Insbesondere nach Verkehrsunfällen und Verkehrsverstößen wird es in Zukunft immer wichtiger, Ursachen und Verantwortlichkeiten zu klären", sagt Dekra-Chef Stefan Kölbl auf der Bilanzpressekonferenz in Stuttgart. Dafür sei der ungefilterte Zugang zu Daten eine zwingende Voraussetzung.
Gemeinsam mit anderen Prüforganisationen wie dem Tüv hat Dekra deshalb die so genannte Trust-Center-Initiative gestartet. Dabei sollen die Daten auf einer unabhängigen Plattform treuhänderisch gespeichert werden, damit der Zugriff für autorisierte Dritte bei Bedarf möglich wird, etwa für ein gerichtliches Gutachten. Nur so sei es möglich, die Schuld an einem Unfall eindeutig dem Fahrer oder einem Assistenzsystem zuzuordnen.
Kölbls Anspruch: "Wir müssen in der Lage sein, alle sicherheits- und umweltrelevanten Systeme über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs auf Beschädigungen, Fehlfunktionen und Manipulationen unabhängig prüfen zu können." Schließlich könne sich der Charakter eines Fahrzeugs durch ein nachträgliches Software-Update grundlegend ändern.
Der Dekra-Prüfkonzern stellt sich damit gegen das Konzept Nevada des VDA, das ebenfalls den Zugriff Dritter auf Fahrzeugdaten verbindlich regeln will. Das können Anbieter von Services, technischen Innovationen oder Rettungsdienste sein.
Allerdings erfolgt der Transfer hier in der Regel über einen Server des Herstellers, was Dekra ablehnt. "Wir wollen diesen Zugriff nicht über die OEM-Schnittstelle, sondern über das Trust-Center", so Kölbl. Hier gebe es bei den Herstellern bereits die Einsicht, dass die Daten nicht unter allen Umständen auf den eigenen Servern verbleiben müssten.
App zur Überwachung eines Fahrers
Die Vorschläge würden bis auf Ebene der EU und der Vereinten Nationen diskutiert. Genau deshalb könne sich der Prozess bis zu einer Lösung aber noch zwei bis drei Jahre hinziehen. Zunächst müsse die Industrie eine einheitliche Linie finden, bevor dieser Vorschlag dann den politischen Gremien unterbreitet werden.
Große Relevanz habe dabei auch die Sicherheit von Daten vor Hacker-Angriffen. Sonst könne ein Auto leicht zur kritischen Infrastruktur werden und beispielsweise benutzt werden, um den Verkehr in einer Stadt lahmzulegen.
Die Sicherheit steht bei fast allen Aktivitäten von Dekra im Vordergrund. So hat das Unternehmen beispielsweise eine App entwickelt, mit der das Fahrverhalten eines Fahrzeuglenkers überprüft uns bewertet werden kann.
Die Anwendung kommt bei Moia zum Einsatz. Die Mobilitätsmarke des VW-Konzerns hat in Hamburg eine Flotte von 50 elektrischen Shuttle-Fahrzeugen gestartet, die den öffentlichen Nahverkehr ergänzen sollen und Passagiere anhand eines über Algorithmen optimierten Routenverlaufs einsammeln.
Ein Schwerpunkt im vergangenen Jahr war außerdem die Internationalisierung. So wurde in China eine erste Prüfstation für Fahrzeuge in Betrieb genommen. In Shenzen können nicht zuletzt dank hochautomatisierter Prozesse bis zu 50.000 Fahrzeuge pro Jahr überwacht werden, deutlich mehr als in Deutschland.
Noch in der zweiten Jahreshälfte 2019 soll ein zweiter Standort in Peking eröffnen, der sogar 180.000 Pkw und Nutzfahrzeuge durchschleusen kann. Auch in Luxemburg oder Dänemark bietet Dekra erstmals Prüfdienste für Pkw an.
Umsatzsteigerung von fünf Prozent im ersten Quartal
Die Prüforganisation profitiert außerdem von den komplexeren Abgastests wie WLTP, die für die Zulassung eines Fahrzeugs notwendig sind. Hier stieg der Umsatz 2018 um 27,3 Prozent auf 37,8 Millionen Euro. Um mehr Kapazitäten zu schaffen, soll das Abgasprüfzentrum in Klettwitz deutlich ausgebaut werden.
Kölbl rechnet trotz der unsicheren Konjunkturaussichten mit einem weiteren Wachstum von Dekra in diesem Jahr. So habe das Unternehmen im ersten Quartal 2019 beim Umsatz um fünf Prozent auf 811 Millionen Euro zulegen können. Am Ende des Jahres soll das Plus zwischen vier und sechs Prozent liegen.
Im vergangenen Jahr hat der Dekra-Konzern den Umsatz um 6,6 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro gesteigert. Der operative Gewinn lag bei 242 Millionen Euro – nach 236,1 Millionen Euro im Vorjahr. Dies bedeutet eine Marge von 7,3 Prozent.
Die Zahl der Mitarbeiter kletterte um über 1000 auf 45.200. Erstmals arbeitet die Mehrheit davon im Ausland, obwohl dort mit 1,3 Milliarden Euro deutlich weniger als die Hälfte des Umsatzes gemacht wird. Die Differenz sei auf den geringeren Umsatz pro Mitarbeiter in einigen ausländischen Märkte wie etwa Südafrika oder Brasilien zurückzuführen, erklärt Finanzchef Wolfgang Linsenmaier.
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