Der Wettlauf um das automatisierte Fahren spitzt sich zu. Um möglichst schnell eine Stufe zu erreichen, bei der auf den Fahrer verzichtet werden kann, hat Daimler-Trucks nun die amerikanische Softwareschmiede Torc Robotics übernommen. Zu den Details des Deals sagen beide Unternehmen nichts.
Die Transaktion dürfte aber mindestens einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet haben und geht über die 500 Millionen Euro hinaus, die zu Beginn des Jahres von Daimler Trucks als Investment für das automatisierte Fahren angekündigt worden waren.
Nur die Gründer der Firma um Michael Fleming haben offenbar nennenswerte Anteile behalten. Torc Robotics hat rund 120 Mitarbeiter und verfügt über jahrelange Erfahrung in der Automatisierung von Fahrfunktionen. "Torcs Level-4-System hat sich in der Stadt und auf der Autobahn in Regen, Schnee, Nebel und Sonne bewährt", so Roger Nielsen, Chef von Daimler Trucks Nordamerika.
Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass der Truck-Sparte die Kompetenzen aus dem eigenen Haus offenbar nicht ausreichen. "Wir haben einen Mangel an Expertise und eine Achilles-Ferse bei schneller, agiler Software-Entwicklung", antwortete Lkw-Chef Martin Daum in einer Telefonkonferenz auf die Frage, warum er nicht auf das Wissen der Pkw-Kollegen bei Daimler zurückgreife.
Innerhalb eines Jahzehnts
Daimler forscht mit Bosch an Robo-Taxis für den Stadtverkehr, außerdem soll gemeinsam mit BMW die nächste Generation der Fahrassistenzsysteme entwickelt werden. "Die Zusammenarbeit war bereits in der Vergangenheit sehr gut und die Entwicklung wäre ohne diese Erkenntnisse noch teurer. Es gibt aber viele Unterschiede wie zum Beispiel die Geschwindigkeit, die sich auf Autobahn und in der Stadt deutlich unterscheidet", so Daum.
Ziel ist es, das hochautomatisierte Fahren der Stufe vier "innerhalb eines Jahrzehnts" als Geschäftsmodell auf den Markt zu bringen. Daum deutete aber auch an, dass dies viel schneller gehen könne als gedacht. Auf diesem Level übernimmt das System beispielsweise bei der Fahrt auf der Autobahn komplett die Verantwortung, der Fahrer kann sich anderen Dingen widmen oder sogar schlafen.
Dies würde die Kosten für Speditionen enorm senken, weil dann die Lenkzeiten erhöht werden können. "Wir beginnen in genau definierten Strecken zwischen zwei Logistikzentren, um Erfahrungen zu sammeln", so Daum.
"Kulturell gepasst"
Das Torc-Team werde dabei eng mit den Entwicklern von Daimler zusammenarbeiten. Während der Schwerpunkt der Amerikaner auf der Software liege, habe Daimler das Know-How zur Integration der Funktionen in den Fahrzeugen. Die Firma mit Sitz in Blacksburg, Virginia, soll weiterhin möglichst eigenständig agieren.
Im Gegensatz zu Waymo oder Uber ist Torc Robotics beim automatisierten Fahren bisher nicht mit vollmundigen Ankündigungen in Erscheinung getreten. Genau das hat Daum aber überzeugt. "Das hat kulturell gepasst, auch Torc Robotics geht es in erster Linie um die Sicherheit und das Vermeiden von Unfällen."
Mit dem Geländefahrzeug-Hersteller Caterpillar hat Torc Robotics einen Partner, der bereits automatisierte Fahrzeuge in umgrenzten Gebieten wie der Landwirtschaft oder oder Minen im Einsatz hat. Außerdem erarbeitet Torc mit dem amerikanischen ADAC Sicherheitskritierien für das Testen solcher Fahrzeuge. Dies bedeute aber keine Konkurrenz, so Daum. Theoretisch sei man offen für weitere Kooperationen auch mit anderen Lastwagenbauern, solange dies die Komplexität nicht über Gebühr erhöhe. "Das Interesse am Markt ist hoch und wird steigen, je mehr wir vorzuweisen haben."
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