Die Fiat-Chrysler-Gruppe wird die Zukunft nicht alleine bestehen. Das sieht auch FCA-Chef Mike Manley so, selbst wenn er es anders formuliert. Auf dem Genfer Autosalon räumte er freimütig ein: "FCA wird jeden Deal in Betracht ziehen, der Fiat stärker macht." Deutlicher kann man ein dringendes Hilfegesuch kaum formulieren.
Kaum ausgesprochen, sprang noch in Genf PSA-Chef Carlos Tavares auf das Angebot an. Er sei offen "für alle Opportunitäten", sagte er der Automobilwoche. Wenige Tage später erhielt der gewiefte PSA-Stratege Rückendeckung von der Eigentümerfamilie Peugeot. Der Präsident der Peugeot Familienholding FFP, Robert Peugeot, erklärte auf recht poetische Weise: "Mit ihnen, genauso wie mit anderen, könnten die Planeten zusammengeführt werden."
Und jetzt soll auch die Allianz aus Renault-Nissan-Mitsubishi (RNM) Interesse an FCA haben, meldet die Londoner Financial Times. Offiziell erklärt Renault dazu in Paris, was zu erwarten ist: "Kein Kommentar."
Eine schwierige Operation
Mit dem gezielten Durchsickernlassen eines grundlegenden Interesses an FCA verfolgt Renault-Nissan-Mitsubishi zwei Ziele: Zum einen will man die generelle Reaktion des Marktes und der Fachöffentlichkeit auf eine solche Möglichkeit ausloten.
Zum anderen aber werfen sich die französischen Autobauer traditionell gerne gegenseitig Steine in den Weg. Ob nun Renault tatsächlich ein Auge auf FCA geworfen hat oder dies nur zu Zeiten von Carlos Ghosn hatte, ist einerlei: Zumindest treibt man mit solchen Spekulationen den Preis für einen möglichen Deal mit dem Erzrivalen PSA in die Höhe.
Strategisch wäre eine Übernahme oder Teilübernahme von FCA durch RNM eine schwierige Operation. An der Marke Fiat kann Renault kein Interesse haben, denn mit Dacia hat man schon eine erfolgreichere und globaler aufgestellte Budget-Marke im Portfolio.
Maserati ist ein Sanierungsfall und passt nicht wirklich ins Portfolio des Volumenherstellers. Die Marke könnte im Übernahmefall rasch weitergereicht werden. Eine Alternative wäre es, Maserati ebenso wie Alfa Romeo mit dem Sportwagen-Bereich von Nissan (GT-R, Z-Baureihe, Nismo), mit der Nissan-Nobelmarke Infiniti und womöglich auch mit der neu aufgelegten Marke Alpine in einer großen "Premier Automotive Group" der Allianz zu vereinen.
Doch dies würde hohe Investitionen für einen überschaubaren Markt erfordern. Zudem herrscht bei Renault traditionell das Denken in Volumenkategorien vor. Ein solches Projekt hätte denn auch große Chancen, zu scheitern.
Alle Augen sind auf Jeep gerichtet
Das Interesse von RNM, aber auch von PSA an FCA gilt denn auch einer anderen FCA-Marke: Es geht um die Top-Marke und Ertragsperle Jeep. Glaubwürdiger als Jeep kann ein SUV oder Crossover kaum vorfahren. Und das in globalem Maßstab.
Sowohl für Renault wie auch für PSA wäre Jeep eine spannende Ergänzung. Beide Hersteller sind international vergleichsweise schwach, beide machen noch mehr als die Hälfte ihres Geschäfts in Europa mit einem Schwerpunkt in Frankreich. Und beide sind bislang nicht in Nordamerika vertreten, auch wenn PSA jüngst ankündigte, mit der Marke Peugeot in die USA und nach Kanada zurückkehren zu wollen.
Doch einen riskanten Großeinsatz will Tavares dafür nicht opfern. Somit ist absehbar, dass das Projekt Peugeot-USA auf lange Zeit ein Küken bleiben wird. Deutlich schneller wäre eine französische Präsenz in Nordamerika mit Jeep und auch mit Chrysler zu etablieren.
Hilfreich könnten Jeep und Chrysler für die Franzosen auch in China wirken: Renault hat sich dorthin als letzter großer Autobauer überhaupt gewagt, PSA hat in den vergangenen zwei Jahren derbe Rückschläge in China einstecken müssen.
Bevor jedoch Renault-Nissan-Mitsubishi zweistellige Milliardenbeträge in die Hand nimmt, um einen teilweise stark sanierungsbedürftigen Autobauer zu übernehmen, ist die Allianz gut beraten, die eigenen Hausaufgaben zu bewältigen. Das ist zum einen die Aufarbeitung der Ära Ghosn und die Neuaufstellung der Allianz, zum anderen die Restrukturierung von Nissan in Europa.
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