Begeistert war James „Jim“ Hackett nicht, als ihm vor rund zwei Jahren angetragen wurde, den zweitgrößten US-Autobauer Ford wieder in die Spur zu bringen. „Ich brauchte Zeit mit meiner Familie und musste einmal gründlich nachdenken“, erinnert sich der heute 63-jährige Manager. Schließlich hatte er sich beim Büromöbelhersteller Steelcase, den er als CEO geleitet hatte, bereits in den Ruhestand verabschiedet. Letztlich sei es seine Familie gewesen, die ihn überzeugt habe, ja zu sagen. Die Begeisterung kam später: „Ich bin so froh, ja gesagt zu haben. Alles Zögerliche ist weg. Ich bin absolut begeistert darüber, was wir in diesem Geschäft machen können“, sagte der Ford-CEO vor einem Jahr. Da hatte er etwa ein dreiviertel Jahr im neuen Job hinter sich und sah vielleicht schon Licht am Ende des Tunnels.
Schon im Herbst 2017 hatte Hackett angekündigt, die Ausgaben in den folgenden fünf Jahren um 14 Milliarden US-Dollar zu senken und den Großteil davon (zehn Milliarden) bei den Materialkosten zu holen. Ein knappes halbes Jahr später schienen sich erste Erfolge des Sparkurses abzuzeichnen. Ford hatte ein starkes erstes Quartal 2018 hingelegt, den Gewinn um neun, den Umsatz um sieben Prozent gesteigert – und Hackett hob das Sparziel auf 25,5 Milliarden US-Dollar bis 2022 an. Da ahnte er vermutlich schon, dass im dritten Quartal 2017 der Gewinn um gut ein Drittel einbrechen würde.
Turnaround von Steelcase als Vorbild
Den Investoren versprach er, entschlossene Maßnahmen zu ergreifen, um die Profitabilität zu steigern und die Rendite zu maximieren. Geschäftsbereiche mit unterdurchschnittlicher Leistung, die nicht „fit gemacht“ werden könnten, erhielten schlicht kein Geld mehr. Die Produktpalette soll schrumpfen. So soll die Marge von 5,2 auf acht Prozent im Jahr 2020 gesteigert werden.
Doch dem Aktienkurs, der Hacketts Vorgänger Marc Fields zum Verhängnis geworden war, konnte der neue CEO noch keinen Schub verleihen. In den gut zwei Jahren unter Fields war der Ford-Aktienkurs um rund 40 abgerutscht. Als Hackett CEO wurde, lag war eine Ford-Aktie noch rund 9,80 Euro wert, derzeit liegt der Kurs bei etwa 7,50 Euro.
Die Hoffnung ist, dass Hackett mit Ford doch noch der Umschwung gelingt, den er zuvor beim Büromöbelhersteller Steelcase geschafft hat, und dass er bei Ford schneller klappt. Bei Steelcase war er rund 30 Jahre tätig, stieg 1994 im Alter von 39 Jahren zum CEO auf und richtete das Unternehmen neu aus. Heute macht das Unternehmen rund drei Milliarden US-Dollar Umsatz und hat noch rund 12.000 Mitarbeiter. Etwa ebenso viele Jobs - nach anderen Quellen nur 10.000 - waren unter Hackett abgebaut worden.
Nicht nur sparen, sondern auch gestalten
Dass Hackett nicht nur sparen kann, sondern auch visionär denkt, wird in Statements und Reden immer mal wieder deutlich. Bei der Consumer Electronics Show (CES) vor einem Jahr in Las Vegas stellte er klar: „Das alte System funktioniert nicht mehr.“ Was er damit meinte, machte er in seiner Rede sehr deutlich: In vielen Städten weltweit habe das Auto überhandgenommen und den Menschen ihren Lebensraum geraubt. „Den Preis, den wir für die Freiheit der Mobilität bezahlt haben, bestand darin, eine Welt zu erschaffen, in der die Straßen für die Autos gebaut wurden“, mahnte Hackett.
Doch das sei keineswegs ein Abgesang auf die Automobilbranche, denn die habe auch die passende Lösung: „Mit der Kraft der künstlichen Intelligenz und autonomen und vernetzten Fahrzeugen verfügen wir zum ersten Mal in einem Jahrhundert über die Technologie, um den Verkehr auf der Erdoberfläche vollständig neu aufzubauen und zu gestalten.“ An die Stelle des „dummen Autos“ müsse und werde das „Smart Car“ treten, gab sich Hackett überzeugt. Um eine bessere Mobilitätswelt zu schaffen wolle er intensiv mit Städteplanern und Kommunen zusammenarbeiten, kündigte er an. Elektrofahrzeuge, autonomes Fahren und intelligente Mobilität will er vorantreiben. Bei Ford hatte er, bevor er zum CEO aufstieg, rund ein Jahr die Sparte Smart Mobility geleitet.
Kooperation für Zukunftstechnologien
Möglicherweise frisst die Konzentration auf zügige Steigerung der Wirtschaftlichkeit so viel Kraft, dass von Ford-Innovationen in den Zukunftsfeldern bislang noch nicht viel nach außen gedrungen ist. Zu hören sind bislang eher klassische Rezepte wie die Verschlankung und Anpassung der Modellpalette. So sollen in Nordamerika, wo vor allem Pick-up-Trucks und SUVs gefragt sind, keine Mittel mehr in die Entwicklung traditioneller Limousinen gesteckt werden. Immerhin hat Ford seinem Bestseller dem Pickup F 150 einen 250 PS-Dieselmotor verpasst, für den Ford mit einem Verbrauch von nur 7,8 Litern auf 100 Kilometer wirbt. Mehrere Plattformen und wenig profitable Segmente will Hackett streichen. Beobachter erwarten die Ankündigung eines „Massakers“ im ersten Halbjahr 2019, das die Sparpläne bei GM noch übersteige. Auch in Europa und Deutschland werde das Umwälzungen bringen. Vor allem die Fiesta-Produktion in Köln sei gefährdet. Im zweitgrößten deutschen Werk Saarlouis zeichnet sich ein deutlicher Stellenabbau ab, nachdem Ford im dritten Quartal 2018 in Europa 245 Millionen Euro Verlust eingefahren hatte.
Einen Ansatz, um auch bei den Zukunftstechnologien mit überschaubarem Aufwand voranzukommen, hat Hackett in der jüngst angekündigten Kooperation mit Volkswagen gefunden. Das erste gemeinsame Projekt der Allianz ist zwar ein reines Effizienzthema. Volkswagen und Ford entwickeln gemeinsam leichte Nutzfahrzeuge für den weltweiten Markt. Ford wird mittelgroße Pick-ups entwickeln, die beide Marken ab 2022 unter ihren Namen auf den Markt bringen werden. Doch zudem wollen die Partner eine Zusammenarbeit bei den Zukunftsthemen autonomes Fahren, Elektroautos und Mobilitätsdienstleistungen prüfen. Wird daraus etwas, könnten auch die Investoren bei Ford wieder eine „Story“ sehen, die höhere Aktienkurse bringt.
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