Wenn alle Pläne von Opel-Chef Michael Lohscheller Wirklichkeit werden, dann werden sich die Kunden für frische Modelle und pfiffige Technik begeistern, die Mitarbeiter schöpfen wieder Hoffnung und müssen keine weitere Abwärtsspirale in Fertigung und Entwicklung befürchten, die Handelspartner sehen Licht am Ende des langen Tunnels und investieren wieder in die Marke mit dem Blitz, mit dem sie oft schon in der dritten Generation verbunden sind.
Mit einer solchen Jahresbilanz im Rücken dürfte sich Opel Hoffnung darauf machen, in der PSA Gruppe künftig eine herausgehobene Position zu erhalten, als deutsche Wertarbeitsmarke mit eigenem Profil und dem einen oder anderen Sonderweg im Portfolio.
Drohender Bedeutungsverlust
Nicht auszuschließen ist aber auch der umgekehrte Weg. Nämlich dann, wenn sich die Rüsselsheimer trotz massiver Unterstützung der PSA-Gruppe als unfähig erweisen sollten, Aufbruchstimmung zu verbreiten, wenn es ihnen nicht gelingen sollte, die Marke neu aufzuladen und mit innovativer Technologie neu zu erfinden. Dann würde unausweichlich am Ende des Jahres nach jahrzehntelanger Verlustwirtschaft wieder ein negatives Jahresergebnis in der Bilanz stehen.
In diesem Falle könnte der eilige Chef der PSA-Gruppe, Carlos Tavares, ungemütlich werden und die Zügel sehr eng anziehen. Nicht auszuschließeln, dass Tavares dann den traditionsreichen Autobauer zu einer bloßen deutschen Marke degradiert, die sich zu hundert Prozent aus dem großen PSA-Regal zu bedienen hat und bei jeder Entwicklung zu allererst an den ROI (return on investment, vulgo Umsatzrendite) zu denken hat.
Sondereffekt 120 Jahre Autobauer Opel
Opel-Chef Lohscheller ist die Bedeutung von 2019 klar: „Es wird eines der wichtigsten Jahre der Unternehmensgeschichte", sagte er vor wenigen Tagen in Rüsselsheim.
Die Rüsselsheimer haben durchaus Grund, optimistisch zu sein. 2019 feiert Opel seinen 120. Geburtstag als Autobauer. Das wird groß gefeiert, das Medienecho dürfte überdurchschnittlich ausfallen, im Autohaus wird es viele Gelegenheiten geben, die Kunden zu einem Tag der offenen Tür einzuladen.
Neben diesem Sondereffekt im Marketing kann Opel aber auch auf einen Sondereffekt in der Technologie setzen. 2019 will die Marke eine breite Elektro-Offensive starten, die sie auch innerhalb der PSA-Gruppe heraushebt. Opel hat die Chance, sich damit vor Volkswagen als die innovativste deutsche Elektro-Marke im Volumensegment zu positionieren. Das könnte eine Grundlage für das Wachstum der nächsten Jahre sein.
Rüsselsheim wird "Electric City"
Kurz vor Weihnachten legte Opel dazu den Schalter um und kündigte an, die Stadt Rüsselsheim gemeinsam mit der Stadtverwaltung „zu einer echten Electric-City" zu machen, wie es Lohscheller formulierte. Konkret sollen in den nächsten zwei Jahren in Rüsselsheim bis zu 1300 Lademöglichkeiten entstehen, eine Dichte, die es bislang noch in keiner deutschen Stadt gibt.
Das passende Auto für die elektrische Massenmobilisierung hat Opel bereits fertig entwickelt: Es ist der neue Corsa, der 2019 auch in einer rein batterie-elektrischen Version auf den Markt kommen wird. Lohscheller ist überzeugt, dass der E-Corsa kein me-too-Auto bleiben wird, sondern die Karten im Wettbewerb neu verteilt: „Mit dem neuen Corsa machen wir E-Mobilität für einen breiten Kundenkreis erschwinglich. Das wird ein echtes Volks-Elektroauto."
Elektrifizierung im Sauseschritt
Beim E-Corsa wird Opel aber nicht stehenbleiben. 2019 wird auf Basis der PSA-Plattform eine Plug-in-Hybridversion des Mittelklasse-SUV Grandland X auf den Markt kommen. Und 2020 wird mit dem neuen Vivaro auch eine rein batterie-elektrische Version des beliebten Transporters bestellbar sein. Ebenfalls 2020 wird der Opel Mokka X als E-Auto im Showroom stehen.
Das sind dann drei wichtige Modelle in teil- oder vollelektrisierter Form – lange bevor aus Wolfsburg oder Köln Vergleichbares zu erwarten ist.
Lohscheller sieht damit genauso wie sein Vorgänger die Zukunft von Opel in einer breiten und schnellen Elektrifizierung. „Wir erfinden uns neu und drücken vor allem bei der Elektrifizierung richtig aufs Tempo", sagte er dazu jüngst. Mit der E-Mobilität trete Opel „in eine neue Ära des Konzerns" ein.
Sanierungsprogramm kommt voran
Keine Frage ist für den Opel-Chef auch die Frage nach den schwarzen Zahlen. 2019 werde man diese für das Gesamtjahr liefern, wagt sich Lohscheller ziemlich weit vor. Sein größtes Argument: Der Sanierungsplan „Pace" zeige Wirkung. „Pace ist der erste Plan bei Opel, der wirklich greift," sagt Lohscheller – der damit zugleich einräumt, dass in Rüsselsheim unter General Motors 20 Jahre lang schlecht gemanagt wurde.
Ein wichtiger Punkt sei der Return pro verkauftem Fahrzeug, der in den vergangenen Monaten im Schnitt um 1400 Euro gestiegen sei. Diese Zahl ist auch für PSA-Chef Tavares ein entscheidender Punkt bei der Frage, wie lange Opel noch Zeit hat, den Turnaround zu schaffen.
Kurzarbeit 2019 denkbar
Altgediente Opelaner können die goldenen Zukunftsbilder aus der Rüsselsheimer Zentrale jedoch noch nicht überzeugen. Zu oft wurden sie in den vergangenen Jahren von immer wieder neuen Genesungsplänen und Hoffnungsträgern enttäuscht.
Am Stammsitz in Rüsselsheim sorgt sich die Belegschaft derzeit massiv um die Auslastung der Fertigung. Unbestätigten Presseberichten zufolge könnte es 2019 im Werk zu Kurzarbeit kommen. Denn die großen Modelle Zafira und Insignia laufen nicht besonders, angeblich wurde die geplante Jahresproduktion für diese beiden Modelle bereits um rund 10.000 Einheiten gesenkt. Das aber würde bedeuten, von einem Zwei- auf einen Einschicht-Betrieb zu wechseln.
Opel bezeichnet ein solches Szenario zwar als „reine Spekulation", dementiert aber auch nicht. Die Sorgen der Belegschaft kann dies nicht mindern.
Vor Opel liegen drei schwere Jahre
Ein große Herausforderung für Opel ist die Zeitspanne, bis die Marke endlich in großem Stil Synergieeffekte aus der Einbettung in den PSA-Konzern nutzen kann. Bis dahin werden mehrere Jahre vergehen. Denn erst nach und nach wird Opel die auslaufenden Baureihen auf GM-Basis durch die neuen Plattformen von PSA ersetzen.
Diese Phase des Überganges ist besonders kritisch. Die Marke hat noch zu wenig Strahlkraft, um Kunden geduldig auf eine Opel-Variante etwa im höchst wichtigen Crossover-Segment warten zu lassen. Opel muss es deshalb gelingen, mit einem nur begrenzt modernen Portfolio die nächsten zwei bis drei Jahre ohne große Blessuren hinter sich zu bringen. Gutes Marketing kann da helfen sowie wenigstens ein Halo-Produkt in jedem Jahr. 2019 soll dies der neue Corsa werden.
Hohe Rabatte als ewiges Schicksal?
Fakt ist allerdings, dass Opel im auslaufenden Jahr stets mit an der Spitze derjenigen Autobauer mit den höchsten Rabatten und mit den höchsten Eigenzulassungsquoten lag. Etliche Modelle wurden und werden der aktuellen Rabatt-Studie des CAR-Instituts zufolge mit mehr als 30 Prozent Rabatt angeboten. Und bei den Eigenzulassungen lag Opel zuletzt mit 44 Prozent nahezu gleichauf mit dem Champion dieser unwirtschaftlichen Zulassungsstrategie, nämlich Nissan (45 Prozent).
Dass der Rabattdruck in der Branche nachlässt, glaubt derzeit ernsthaft niemand. Dafür sorgen hohe Kapazitäten, die weiterhin hohe Skepsis gegenüber dem Dieselmotor und nicht zuletzt die Gewissheit auch vieler Verbraucher, dass der Lokomotive Deutschland angesichts der vielfältigen internationalen Krisenszenarien kein neues Boomjahr ins Haus steht.
Die Konjunktur jedenfalls spielt der Renaissance von Opel nicht in die Karten.
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