Die Ambitionen von Wirtschaftsminister Peter Altmaier in Sachen europäischer Batteriezellfertigung mit deutscher Beteiligung sind hoch. „Ich glaube, dass wir uns zum Ziel setzen sollen, bis 2030 ein Drittel des weltweiten Bedarfs an Batterien mit eigenem Wissen aus deutscher und europäischer Produktion zu decken“, kündigte der CDU-Politiker an.
Zwar kursieren viele Namen für ein mögliches Konsortium wie BASF, Varta, Ford oder auch immer wieder der Volkswagen-Konzern selbst. Doch noch ist keine Entscheidung gefallen. Denn die Gefahr, dass sich die milliardenschweren Investitionen am Ende nicht rechnen, ist hoch. Dies sind die fünf Gründe dafür.
1. Die hohen Anlaufkosten
Der Aufbau einer konkurrenzfähigen Zellfertigung erfordert sehr viel Geld. Da ist es durchaus hilfreich, sich nochmals die Argumente des Bosch-Konzerns in Erinnerung zu rufen. Dieser hatte sich Anfang des Jahres gegen einen Einstieg in die Zellfertigung entschieden. Berechnungen des Konzerns ergaben, dass rund 20 Milliarden Euro notwendig gewesen wären, um Fertigungskapazitäten von rund 200 Gigawattstunden aufbauen und einen Marktanteil von 20 Prozent zu erreichen.
Vor diesem Hintergrund erscheint die von Wirtschaftsminister Peter Altmaier in Aussicht gestellte Förderung von einer Milliarde Euro wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Weil ein Großteil der laufenden Kosten zudem auf das Material entfällt, ist der Spielraum für Wettbewerbsvorteile gering. Angesichts der schwelenden Handelskonflikte und schwankenden Rohstoffpreise steigt die Gefahr einer Fehlinvestition für die beteiligten Unternehmen zusätzlich.
2. Die Konkurrenz
Entgegen so mancher Behauptung etabliert sich in Europa längst eine Batteriezellfertigung in großem Maßstab. Dabei geben asiatische Hersteller den Ton an. So baut die chinesische Firma CATL in Thüringen eine Fabrik, um BMW und auch Daimler mit Zellen zu versorgen. Die koreanischen Unternehmen LG Chem, Samsung und SK Innovation sind in Polen und Ungarn vertreten. Sie beliefern in Zukunft unter anderem den Volkswagen-Konzern.
Und auch ein europäisches Konsortium existiert bereits: Northvolt will in Schweden eine grüne Produktion für Zellen aufbauen. Dort sind Unternehmen wie Siemens, ABB oder Scania engagiert. Die Beratungsfirma McKinsey geht davon aus, dass auf diese Weise in Europa bis 2024 Kapazitäten von etwa 120 Gigawatt entstehen könnten. Auch Tesla plant eine eigene Gigafactory für Europa. Gegen all diese Unternehmen müsste ein deutsches oder europäisches Konsortium antreten.
3. Langfristige Lieferverträge
Die Bemühungen für den Aufbau einer deutschen Batteriezellfertigung kommen reichlich spät. Vor wenigen Tagen hat Volkswagen erklärt, man habe mit LG Chem, Samsung, SK Innovation und CATL langfristige Lieferverträge zur Sicherung der weltweiten Versorgung mit Batteriezellen geschlossen. Auch BMW hat an CATL bereits Milliardenaufträge vergeben, sonst hätte sich das chinesische Unternehmen kaum für einen deutschen Standort entschieden.
Auch Daimler hat seine Elektro-Strategie längst mit entsprechenden Beschaffungsvolumen abgesichert. Andere Hersteller in Europa wie beispielsweise Renault handeln auf ähnliche Weise. Es ist kaum anzunehmen, dass diese kurzfristig ihre Einkaufsstrategie ändern, nur weil es einen deutschen oder europäischen Anbieter gibt. Es stellt sich daher die Frage, ob die Nachfrage nach Zellen auch tatsächlich ausreicht, um einen entsprechenden Marktanteil zu erreichen.
4. Die Fragezeichen hinter der Technologie
Wer jetzt in eine Batteriezellfertigung investiert, der muss mit der bereits seit Jahren etablierten Lithium-Ionen-Technologie vorlieb nehmen. Zellen sind ein mehr oder weniger standardisiertes Massenprodukt geworden. Fortschritte etwa bei der Energiedichte der Zellen sind zwar noch möglich, aber doch begrenzt. Die Technologie beherrschen vor allem asiatische Unternehmen, weil sie auf lange Erfahrung im Bereich der Unterhaltungselektronik zurückgreifen können. Sich in diesem Umfeld als deutsches oder europäisches Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten, ist schwierig genug.
Doch schon Mitte des nächsten Jahrzehnts könnten die Karten völlig neu gemischt werden. So verspricht vor allem die Festkörper-Technologie einen großen Effizienzfortschritt. Sie erlaubt eine wesentlich höhere Energiedichte als dies bei Lithium-Ionen-Zellen der Fall ist. Damit ließe sich beispielsweise die Reichweite eines E-Autos im Vergleich zu heute verdoppeln.
Außerdem können Festkörper-Batterien innerhalb kürzester Zeit aufgeladen werden. Mit dieser Technologie könnten die Karten neu gemischt werden, da sich auch die Produktionsprozesse von der Lithium-Ionen-Technologie unterscheiden. So hatte VW-Chef Herbert Diess kürzlich angedeutet, dass VW bis 2024 eine Fabrik für Festkörper-Batterien errichten will. Ob sich dagegen die Investition in die herkömmliche Zelltechnologie lohnt, scheint fraglich.
5. Bildung eines Konsortiums
Mit dem Chemiegiganten BASF, dem Batteriehersteller Varta und dem Autobauer Ford kursieren bereits Namen für ein mögliches Konsortium. Auch der Volkswagen-Konzern oder der Zulieferer Conti werden immer wieder genannt. Bei anderen Konstellationen, die laut Wirtschaftsminister Altmaier ebenfalls Interesse bekundet haben, sollen auch europäische Unternehmen beteiligt sein. Doch wie ernst diese es meinen, muss sich in den nächsten Wochen zeigen.
Klar ist jedenfalls, dass ein womöglich international aufgestelltes Konsortium deutlich schwerfälliger wäre als ein Einzelunternehmen. Es müssen die Interessen der Unternehmen wie der beteiligten Länder berücksichtigt werden. So könnte es ein langwieriges Tauziehen um die Frage geben, wo ein solches Unternehmen angesiedelt sein muss. Wie schnell solche Konstellationen auch wieder zerfallen können, zeigt das Beispiel TerraE aus Deutschland.
So gab es zuletzt Medienberichte, wonach das Bündnis aus Batterieherstellern wie BMZ und diversen Maschinen- und Anlagenbauern am mangelnden Investitionswillen gescheitert sei. Geplant war der Aufbau einer Zellfertigung bis 2028 mit einer Kapazität von 34 GWh – genug zur Ausstattung von rund 650.000 Elektroautos. Dafür wären rund vier Milliarden Euro notwendig gewesen.
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