Gewohnt britisch-fränkisch charmant eröffnete Jaguar Land Rover-Chef Ralf Speth als erster Redner des Tages den Automobilwoche Kongress 2018 in der Bundeshauptstadt, oder wie Speth es nannte: "Berlin, einem der wichtigsten Innovationszentren in Deutschland".
Sein Thema: Wie schaffen wir es ins Zeitalter der Null-Emissionen?
Eine Antwort: Nur gemeinsam. Nur wenn Wissenschaftler, Autobauer, Industrien aller Art, Regierungen und Gesellschaft stetig an der Decarbonisierung weiterarbeiteten, könne die Vision gelingen.
"Es reicht nicht, wenn wir emissionsfreie Autos bauen. Entscheidend ist, woher der Strom kommt, und dass die Ladeinfrastruktur für die emissionsfreien Fahrzeuge zur Verfügung steht", so Speth.
Saubere Luft in den Städten und die Vermeidung von Staus seien Ziele, die sich nur verwirklichen ließen, wenn alle Stakeholder gemeinsam auf sie hinwirkten.
Wirtschaftswissenschaftler gingen davon aus, so Speth, dass Staus jährlich ein Prozent des globalen Bruttosozialprodukts kosteten. Auf die aktuellen Zahlen bezogen seien das 800 Milliarden Dollar.
Wie viel noch zu tun sei, zeige auch, dass die aktuelle Durchschnittsgeschwindigkeit in London bei 7,4 Meilen pro Stunde liege. "Also genauso schnell wie vor über 100 Jahren – im Zeitalter der Pferdekutschen", erklärte der Chef der PS-Schmiede und schloss: "Mobilität duldet keinen Stillstand".
Das sei umso mehr der Fall, je schneller Mega-Cities anschwöllen und die Einfahrt privater Pkw weiter oder ganz einschränken würden. "Das Zeitalter der individuellen Mobilität wird ihren Zenit bald überschreiten", prophezeite er.
So würde das Vertrauen in Mobilität, die in Zukunft immer mehr in Form von Pooling-Diensten und gemeinsam genutzten Robo-Taxen angeboten würde, zum wichtigsten Wert in dieser "Shared Economy".
"Es steht viel auf dem Spiel"
Beim Stichwort Zusammenarbeit drängte sich dem JLR-Chef freilich ein Schwenk zum Thema Brexit auf.
"Ich hoffe und vertraue auf die Regierungen der Staaten auf beiden Seiten des Ärmelkanals, dass sie pragmatische Lösungen zum Wohle ihrer Gesellschaften finden", sagte Speth.
Er rief nochmals die großen Werke des britischen Ökonomen Adam Smith in Erinnerung, der bereits die Vorzüge des Freihandels gepriesen hatte. "Aber das, was die EU uns bietet, geht weit über die Ökonomie hinaus", betonte Speth: "Wir alle genießen Frieden und Freizügigkeit, das dürfen wir nicht vergessen. Mit dem Brexit steht also viel auf dem Spiel", mahnte Speth.
Ein harter Brexit könnte Jaguar Land Rover jedes Jahr mehr als 1,2 Milliarden Pfund (etwa 1,35 Mrd Euro) kosten. Das Unternehmen verkauft jedes fünfte Auto in andere europäische Länder und beschäftigt in den britischen Werken rund 40.000 Menschen.
Unter dem Motto "Zusammenarbeit und Zero Emission" sprach sich Speth auch für eine Kooperation beim Thema Batterie aus. "Ein gesamteuropäischer Strategieplan für die Batterie, inklusive der Zelle und der Industrialisierung, ist sehr zu begrüßen", so Speth.
Jaguar hat kürzlich den iPace vorgestellt, der unter anderem auch in der Münchner Innenstadt als Taxiflotte unterwegs ist. "Bald müssen wir die Taxifahrer als Verkäufer ausbilden", flachste Speth – so viele Fragen bekämen die Taxler von ihren Fahrgästen.
Abschließend stieß Automobilwoche-Herausgeber Helmut Kluger noch in eine Wunde: Der Defender. Vor drei Jahren hat Land Rover die Produktion der Ikone eingestellt. "Das war einer meiner traurigsten Momente, als ich die Entscheidung treffen musste, den Defender einzustellen", gab der JLR-Chef auf der Bühne der Repräsentanz der Deutschen Telekom mit einem Augenzwinkern zu.
Aber man habe eben Platz machen müssen – und die Neuauflage sei ja schließlich schon in Arbeit. "Und er fährt sich großartig", versprach Speth.
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