Vor rund 400 Gästen wurde in Wolfsburg die 10. Internationale Zuliefererbörse IZB eröffnet. Die Leistungsschau der Zulieferer findet mit rund 840 Ausstellern vom 16. bis 18. Oktober im Wolfsburger Allerpark statt. Laut Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns, ist die IZB in diesem Jahr für ihn „das wichtigste Dialogforum“ um mit den Zulieferern in Kontakt zu treten.
Bei seiner Eröffnungsrede wies der VW-Chef vor allem auf die zahlreichen Herausforderungen hin, vor denen Fahrzeughersteller und Zulieferer stehen: Der sich weiter ausdehnende Handelskrieg zwischen den USA und China, drohende Importzölle, der Brexit, die russisch-amerikanischen Beziehungen und die hohe Volatilität der Märkte. Vor diesem Hintergrund zunehmender weltpolitischer Instabilitäten werde die Planungssicherheit für die Unternehmen immer geringer.
Existenzbedrohende Ausmaße
Aber auch „überhastete regulatorische Eingriffe“ und Technikvorgaben würden „die gemeinsame Industrie an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit bringen“. So hätte die die WLTP-Einführung in den letzten beiden Monate Kraft gekostet. Ein Thema, das auch im nächsten Jahr in ähnlicher Form ansteht. „Wir sind es gewohnt, dass das Auto in der Kritik steht, aber der jetzige Feldzug gegen die individuelle Mobilität und damit gegen das Auto nimmt existenzbedrohende Ausmaße an“, warnte Diess und verwies dabei auf „die beinahe hysterische Stickoxiddiskussion“.
Wenn der CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotte bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent reduziert werden, dann funktioniere das bei VW nur mit rund einem Drittel an Elektroautos am Fahrzeugabsatz. Bei einer Reduzierung um 40 Prozent wären es schon fast die Hälfte der Fahrzeuge die elektrisch fahren müssten, so Diess.
Die Chancen stehen 50 zu 50
Dieser Strukturwandel bereite ihm aber keine Angst und es wäre „falsch den Strukturwandel aufzuhalten. Diesen Fehler sollten wir in Deutschland nicht machen.“ Kritisch sieht er jedoch die hohe E-Fahrzeugquote, die von der Industrie gefordert werde. „Mit unserem sehr stark CO2-haltigen Strom verbessern wir nicht die Umweltbilanz, sondern es besteht die Gefahr, dass wir die Umweltbilanz verschlechtern“, so Diess. Er könne nicht erkennen „wie wir bis 2030 unsere Primärenergie CO2-frei hinbekommen wollen“. Auch der Preisverfall bei den Batterien komme nicht so schnell „wie wir das alle erhofft hatten“.
Diess sieht für die Industrie eine Chance von 50 zu 50 auch in zehn Jahren noch vorne zu sein. „Das ist vielleicht ein wenig pessimistisch, aber wir müssen auch aufrütteln“, so der Manager. Denn es stehe viel auf dem Spiel. Mit China und den USA gebe es Wettbewerber, die die Transformation nutzen möchten, um selbst die Führungsposition zu übernehmen.
Eigenständige Komponentenwerke
Wenn wir uns weiter zerfleischen zwischen Politik und Betriebsräten in diesem Land, dann werden wir Um im Wettbewerb zwischen den Volkswirtschaften bestehen zu können dürfe es kein Zerfleischen mit Politik und Betriebsräten in diesem Land geben.
Um die Herausforderungen für den VW-Konzern und den Umbau des Unternehmens stemmen zu können sieht er in Stefan Sommer, seit September Vorstand Komponente und Beschaffung, den richtigen Mitstreiter an seiner Seite. Schon bei seinem vorherigen Position als Vorstandschef des Zulieferers ZF Friedrichshafen habe Sommer die unternehmerische Neuausrichtung eingeleitet.
Sommer verantwortet in seiner neuen Funktion rund 170 Milliarden Euro Einkaufsvolumen. Zudem ist er zuständig für die Konzern-Komponente mit weltweit 56 Standorten und rund 80.000 Mitarbeitern. Ab dem 1. Januar wird die Volkswagen-Komponente als wirtschaftlich selbständige Einheit agieren. Jedes der 56 Komponentenwerke ist dann künftig auch für seine Wirtschaftlichkeit selbst verantwortlich. „Das schließt Drittkundengeschäft aber nicht aus“, so Diess.
Gemeinsame frühere Abstimmung in der Fahrzeugentwicklung
Und die Lieferantenschaft von VW wird ihr Gesicht verändern. 2025 spätestens 2026 werden laut Diess nicht mehr Bosch, Continental und ZF zu den umsatzstärksten Lieferanten des Konzerns zählen, sondern die Batteriezellenhersteller LG, Samsung und CATL. „Wer hätte das gedacht“, so Diess.
Er plädiert dafür, die Zusammenarbeit mit den Top-Partnern des Unternehmens nochmals zu intensivieren und für eine gemeinsame frühere Abstimmung in der Fahrzeugentwicklung. Er ist davon überzeugt, dass Partnerschaften künftig an Bedeutung gewinnen. Zwar bleibe VW in manchen Bereichen Konkurrent der Zulieferer, vor allem sind die Zulieferer für ihn aber Partner, die gemeinsame Geschäftsinteressen haben. „Wir können die Zukunft der Mobilität nur gemeinsam erfolgreich gestalten“, so Diess.
Sommer fordert Unternehmertum
Auch Sommer betonte in seinem Vortrag die Bedeutung der Zulieferer. „Wir brauchen Innovationsfähigkeit vor allem von unseren Zulieferern, aber wir brauchen auch Unternehmertum.“ Eine wesentliche Aufgabe der Industrie sieht er darin, die Erwartungen junger Generationen zu erfüllen, die das Automobil als Bestandteil einer vernetzten Welt mit digitalen Mobilitätskonzepten sieht.
„Wir brauchen neue Geschäftsmodelle. Wir werden in der vernetzten Welt der Dinge auch neue Produktangebote machen müssen, die aus dem Auto heraus kommen“, so Sommer. Das werde auch zu anderen Produktlebenszyklen führen.
"Die ein oder andere Kurskorrektur"
Sommer erwartet vor allem „innovative Partnerschaften“ von den Zulieferern. „Partnerschaften die es uns ermöglichen, auch in einem neuen Wettbewerbsumfeld mit neuen Industrien erfolgreich zu sein.“ Eine weitere Herausforderung sieht er im makroökonomischen Umfeld der Weltwirtschaft. Wenn sich der freie Welthandel ändere, werde das auch Auswirkungen auf die Lokalisierung der Produkte haben.
Handelsbeschränkungen und Währungsschwankungen werden dazu führen, „dass wir Wertschöpfung verändern müssen". Das fordert die Hersteller genauso wie die Zulieferer. In den nächsten zehn Jahren werde der vorgezeichnete Weg nicht immer so geradlinig verlaufen, wie man das aus der Vergangenheit gewohnt war, „sondern es wird die ein oder andere Kurskorrektur geben“, ist Sommer überzeugt.
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