Union und SPD haben sich nach langem Tauziehen in den vergangenen Tagen auf ein Paket zur Bewältigung des Diesel-Problems verständigt.
Es sieht im Kern Umtauschprämien vor und – theoretisch – auch technische Nachrüstungen. Weil das Paket in diesem Punkt aber sehr wage bleibt, bezeichnen Kritiker das Ganze als "Mogelpackung".
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hat dem "Handelsblatt" in einem Interview gesagt, das Diesel-Paket sei "ein wichtiger Schritt". Man erwarte von den Herstellern, die Kosten für die Nachrüstungen zu übernehmen – "so wurde es von der Koalition beschlossen."
Den Unmut von Umweltverbänden und Opposition scheint die Ministerin dennoch nachvollziehen zu können. "Der Beschluss muss jetzt auch Wirklichkeit werden. An aktuellen Gerichtsentscheidungen zu Fahrverboten sehen wir ja, dass die Zeit drängt", sagte sie dem Blatt: "Ziel muss es sein, weitere gerichtliche Fahrverbote zu verhindern. Hier stehen insbesondere die Automobilkonzerne in der Verantwortung."
"Hersteller müssen die Kosten übernehmen"
Das Bundesverkehrsministerium müsse jetzt prüfen, ob es rechtliche Möglichkeiten gebe, die Automobilkonzerne zur Übernahme der Kosten für technische Nachrüstungen zu verpflichten. Es heißt bislang, man könne die Hersteller nicht zwingen.
"Die Automobilkonzerne machen sich hier einen schlanken Fuß", kritisierte Barley: "Bei den veranschlagten Kosten sind zudem oft Faktoren einberechnet, an denen sie sogar noch verdienen. Das kann natürlich nicht sein. Für mich ist der Fall klar: Die Hersteller stehen in der Pflicht und müssen die Kosten übernehmen."
Sollte das nicht klappen, könnten Verbraucher gegen die Konzerne vorgehen. "Deshalb habe ich ab 1. November die Möglichkeit der Eine-für-alle-Klage geschaffen. Das ist eine große Erleichterung. Nicht jeder Einzelne muss sein Recht durchfechten, es können sich dann viele Geschädigte zusammenschließen und einen gemeinsamen Schadensfall generell gerichtlich klären lassen."
Wer sich falsch verhalten habe, müsse haften, also auch die Rechnung bezahlen. "An den Dieselbesitzern, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, dürfen die Kosten nicht hängen bleiben."
"Bundesverkehrsminister muss seinen Job machen"
Im Kräftemessen mit der Automobilindustrie müsse in der Bundesregierung jetzt jeder seinen Job machen: "Die Musterfeststellungsklage fällt in meinen Verantwortungsbereich. Und der Bundesverkehrsminister muss seinen Job machen. Es liegt in seiner Verantwortung, Fahrverbote zu vermeiden. Er muss auf die Konzerne in dieser Frage entsprechend einwirken."
Bei Unternehmen sei es bislang so, dass nur individuelles Fehlverhalten strafrechtlich verfolgt werden könne. Wie im Fall des Abgas-Skandals bei Volkswagen, profitiere dabei aber häufig das Unternehmen vom Fehlverhalten Einzelner. "Für Fälle, in denen etwa Betrug oder Korruption mit System erfolgen, schaffen wir nun Möglichkeiten, das Unternehmen selbst zu belangen", sagte Barley.
Es werde zwar auch weiterhin eine individuelle Zurechnung der Straftaten geben; aber wenn es eine erkennbare Struktur im Unternehmen gebe, die kriminelles Verhalten befördere oder decke, dann solle es künftig auch zu Unternehmenssanktionen kommen. "Die Bußgelder können dann bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes betragen." (mer)
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