Was ist nur mit Ford los? Die Aktie sackte an der New Yorker Börse auf den tiefsten Stand seit sechs Jahren (siehe Börsengrafik), ein Minus von gut 40 Prozent schmeckt keinem Anleger. Analysten senkten inzwischen ihre Bewertung und die Belegschaften in Europa und Südamerika sind beunruhigt. Gerüchte über die Einstellung ganzer Baureihen und sogar die Aufgabe des Europa- und Südamerika-Geschäfts rauschen durch den Blätterwald.
Die bisherigen Ankündigungen des vor gut einem Jahr angetretenen Vorstandschef Jim Hackett sorgen vor allem für Ratlosigkeit bei den Investoren und Verunsicherung bei den Mitarbeitern. Erste Analysten wie Adam Jones von Morgan Stanley's munkeln bereits über ein vorzeitiges Aus für Hackett.
"Wir sind extrem unzufrieden"
Bei der Vorlage der Halbjahreszahlen hatte der Ford-Chef seinen tiefen Unmut zu erkennen gegeben: "Wir sind extrem unzufrieden mit unserer Leistung in Europa und China," tönte Hackett.
Die Gewinnmarge war im ersten Halbjahr in der Region auf nur noch 0,3 Prozent gesunken. "Mit derartigen Resultaten hatten wir nicht geplant," ärgert sich Hackett. Er will jetzt die "Fitness" des Autobauers verbessern - noch massiver als bisher geplant.
In den kommenden vier Jahren, bis Ende 2022, so hatte der Autobauer im Herbst vergangenen Jahres angekündigt. sollen die Kosten um 14 Milliarden Dollar gekappt werden. Im April diesen Jahres kündigte Hackett dann eine Verschärfung des Sparkurses an: Die Zielmarke für Ende 2022 liegt nun bei 25,5 Milliarden Dollar - eine gewaltige Summe, die nur erreicht werden kann, wenn strukturelle Änderungen vorgenommen werden.
Der Plan ist, dass bei der Gesamtsumme allein 12 Milliarden Dollar durch günstigeren Einkauf größerer Volumen eingespart werden, weitere sieben Milliarden Dollar sollen Kosteneinsparungen bei der Entwicklung bringen. Ein Großteil der restlichen Summe soll durch Einsparungen im Marketing sowie durch geringere Rabatte im Neuwagengeschäft erwirtschaftet werden.
Der Kraftakt bei der Kostenreduktion ist nicht zuletzt deshalb notwendig geworden, weil Ford in Europa inzwischen zu den Geringverdienern gehört.
In Europa kam der Autobauer im ersten Halbjahr nach Angaben des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen rein rechnerisch nur noch auf einen Gewinn pro Fahrzeug von 47 Euro - damit sind die Amerikaner Schlusslicht weit hinter Skoda, VW-Pkw, Renault-Dacia und nicht zuletzt PSA inklusive Opel (siehe Grafik).
Brexit belastet Ford am stärksten
Im Ford-Hauptquartier in Dearborn und im europäischen Headquarter in Köln kämpft man mit unverschuldeten externen, aber auch mit selbstgemachten internen Schwächen.
Mit der Brexit-Entscheidung in Großbritannien wurde Ford zum Hauptleidtragenden des geplanten britischen EU-Austritts. Der schwache Wechselkurs des Pfundes sorgt für rapide Kaufschwäche in dem wichtigsten europäischen Absatzmarkt von Ford, die Marke hat dort einen Marktanteil von fast zwölf Prozent.
Doch dieser Anteil schrumpft. Im Juli überholte sogar Volkswagen Ford bei den Verkäufen in Großbritannien, wobei VW dort im Schnitt nur auf einen Anteil von 7,8 Prozent kommt.
Insgesamt ist der britische Neuwagenmarkt seit dem Brexit-Beschluss auf Talfahrt, allein seit Juli 2017 sackte er um 5,5 Prozent ab. Davon ist Ford als Marktführer naturgemäß am stärksten betroffen.
Abgehängt bei Design und Portfolio
Doch das ist nur eine Seite der Verlierer-Medaille von Ford. Der US-Hersteller hat auf die massiven Marktverschiebungen in Europa hin zum Crossover unzureichend reagiert. Die Zahl der angebotenen SUVs ist gering und das Design der sehr amerikanisch geratenen Modelle Edge und Ecosport trifft offensichtlich nicht so sehr den Geschmack wie das Angebot der Wettbewerber.
Zudem hält Ford anders als die meisten Volumenhersteller immer noch stark an der Van-Palette fest. Der S-Max war bei seiner Einführung vor 12 Jahren ein Knaller, doch diesen Status hat er längst verloren. Der C-Max als grundsolider Familienvan kann angesichts der zahlreichen Crossover-Rivalen keine echte Begierde auslösen.
Fest steht: Das Produktportfolio in Europa wird kräftig umgebaut. Ob und wann der C-Max ausgemustert wird, steht zwar noch nicht fest. Doch die Amerikaner sind nicht bekannt dafür, solche Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben.
Im deutschen Werk in Saarlouis wächst daher die Sorge, dort werden die unterschiedlichen Focus-Modelle sowie der C-Max und der Grand C-Max gebaut. "Es gibt aber noch keine Hinweise darauf, dass der C-Max nicht mehr gebaut werden soll", sagte dazu zwar vor wenigen Tagen Betriebsratschef Martin Henning.
Doch in Dearborn scheint man schon viel weiter mit den Umbauplänen zu sein.
Von der ältesten zur jüngsten Produktlinie
Einkaufs- und Produktplanungschef Hau Thai-Tang kündigte auf einer Konferenz in New York an, dass Ford statt bislang neun künftig nur noch fünf globale Plattformen haben werde. Parallel zu dieser kompletten Neuaufstellung werde Ford am Ende das jüngste Portfolio unter den Wettbewerbern haben statt derzeit eines der ältesten Portfolien. "Wir werden es erleben, dass das durchschnittliche Alter des Line-ups auf 3,3 Jahre sinken wird von derzeit 5,7", kündigte der Produktchef an. Die Wettbewerber lägen derzeit zwischen 4,0 und 4,7 Jahren.
Durch die weitere Reduktion der Plattformen sollen langfristig sieben Milliarden Dollar in der Entwicklung gespart werden. Zugleich soll die Zeit vom ersten Entwurf eines Modells bis zum Serienstart um 20 Prozent verkürzt werden.
Konkret soll es künftig nur noch je eine Plattform für Front- und Allradantriebe auf Rahmenbauweise (Pickups) geben, eine für Front- und Allradantriebe auf selbsttragenden Karosserien, eine für leichte Nutzfahrzeuge, für reine Heckantriebs-Fahrzeuge auf selbsttragenden Karosserien sowie eine weitere für batterieelektrische Fahrzeuge.
Die bisherige One Ford-Strategie habe zwar global große Synergien ermöglicht, erklärte Thai-Tang, aber auf regionalen Märkten nicht die erwünschten Einsparungen gebracht.
Modul-Strategie mit Potenzial
Was er in diesem Zusammenhang nicht erwähnte: One Ford hat den Autobauer vor allem in China viel Potenzial gekostet, denn mit der Vereinheitlichung des Portfolios konnte Ford nicht ausreichend auf den spezifischen Geschmack des chinesischen Publikums eingehen.
Nun soll es auf Basis der künftigen fünf Plattformen aber eine größere Zahl von "Modulen" geben, die die notwendige Anpassung an regionale Märkte ermöglichen sollen. Ein Modul ist beispielsweise ein Fahrwerk-Design, das unterschiedliche Ausprägungen erfahren kann. Dazu wäre dann keine völlig neue Plattform mehr notwendig.
Möglichst viele Module, so das Kalkül der neuen Ford-Plattformstrategie, sollen in möglichst vielen Plattformen einsetzbar sein und somit Synergien erzeugen.
Durch den Rückgriff auf Module könne die Zahl der Modell-Varianten trotz Reduzierung der Plattformen von derzeit 20 auf 23 im Jahr 2023 steigen, ist Produktchef Thai-Tang überzeugt. Bis 2023 werde es neun neue Fahrzeugtypen geben, davon allein sieben SUVs und Pickups.
Auch in der Entwicklung soll entsprechend massiv umgesteuert werden. Bisher habe Ford für die Bereiche Pkw, SUV und Pickup in etwa die gleichen Summen in der Entwicklung ausgegeben, so Thai-Tang. Schon 2020 würden aber bereits 80 Prozent auf SUVs und Pickups entfallen, ab 2023 sogar 89 Prozent. Für klassische Pkws blieben dann ab 2023 nur noch elf Prozent des Entwicklungsbudgets übrig.
Für die europäischen Dauerbrenner S-Max, Mondeo, aber auch Fiesta und Focus könnte es damit eng werden. In den nächsten Monaten werden bei Ford entscheidende Weichen gestellt.
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