Der spanische Zulieferer Gestamp hat ein rasantes Wachstum hinter sich. Vor allem mit Umformteilen und Baugruppen für Rohbau und Chassis von Automobilen erreichte das Unternehmen seit der Gründung 1997 im Durchschnitt pro Jahr plus 20 Prozent beim Umsatz (8,2 Milliarden Euro im Jahr 2017) und jährlich plus 17 Prozent beim Ebitda. Den wirtschaftlichen Erfolg will Unternehmenschef Francisco J. Riberas nun auch durch die großflächige Nutzung von Industrie-4.0-Technologien vorantreiben.
Dafür bieten sich auch bei scheinbar einfachen Prozessen wie dem Pressen oder Schweißen von Metallteilen viele Potenziale – wenn man nur genau genug hinschaut. Bei einem Pilotprojekt in einem polnischen Presswerk die Zahl der ausgewerteten Parameter von drei auf 30.000 gesteigert. Das sind beispielsweise die Dicken und chemischen Zusammensetzungen von Ölschichten auf den Werkstoffen, die Temperaturen der Werkzeuge und der Pressen und die Kräfte, die an den verschiedensten Stellen des Umformprozesses. Pro Tag kommen so 13 Milliarden Daten zusammen, erläutert René González, Director of Advanced Manufacturing & Equipment Standardization.
Maschinen sammeln Erfahrungswissen
Dabei geht es natürlich nicht darum, Rekorde im Datensammeln aufzustellen. Und die meisten der Parameter hätte man auch früher schon erfassen können. Aber erst mit Big-Data-Technologien ist es möglich geworden, aus diesem Datenwust hilfreiche Informationen herauszufiltern. Im Grunde geht es darum, maschinell Erfahrungswissen anzusammeln, wie es bislang nur langjährige Maschinenbediener hatten, die beispielsweise wussten, dass sich bei bestimmten Vibrationen der Maschine, ein bestimmtes Problem ankündigte. Mit Big-Data-Technologien ist es nun möglich, beispielsweise solche Vibrationen noch viel genauer zu beobachten und auch noch die erwähnten 30.000 weiteren Parameter einzubeziehen.
Dabei ordnen die Ingenieure und IT-Experten bei Gestamp jedem produzierten Teil die Daten zu, die bei seiner Herstellung gemessen wurden. Wird ein Mangel an diesem Teil entdeckt, können Algorithmen den Datensatz des fehlerhaften Teils mit einem i.O.-Teil vergleichen und nach Unterschieden suchen. Dann lässt sich mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten oder sogar sicher sagen, welche Abweichung der Produktionsparameter für den Fehler verantwortlich ist. Damit hat man es in der Hand, diesen Parameter fortan in einem engeren Toleranzbereich zu halten – und weitere Fehler dieser Art zu vermeiden. Den gleichen Ansatz verfolgt Gestamp auch in Schweißlinien.
Verfügbarkeit steigt um zehn Prozent
Neben der Qualität ist die Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit ein Ziel der Industrie-4.0-Aktivitäten. Denn aus den gesammelten Daten lassen sich auch die Ursachen von Produktionsstörungen herauslesen. Mit diesem Wissen gelingt es im Idealfall, durch bessere Steuerung der Parameter Störungen grundsätzlich zu vermeiden. Oder – wenn es etwa um den Ausfall von Verschleißteilen geht – man kann durch Echtzeitanalysen der Daten erkennen, wann sich ein solcher Ausfall anbahnt, das Ersatzteil schon bereitlegen und die Produktion geplant stoppen, um es auszutauschen.
Zu den wirtschaftlichen Vorteilen möchten die Gestamp-Manager sich nur mit einer Zahl äußern: Die Verfügbarkeit der Warmumformlinien soll um zehn Prozent steigern. Insgesamt erwarte man ein „sehr gutes Verhältnis von Aufwand und Ertrag“ – auch weil man die auf einer Linie entwickelten Verfahren auf alle anderen Fertigungslinien übertrage. Bis Ende 2018 sollen beispielsweise schon 48 der mehr als 70 Warmumformstraßen die neue Technologie nutzen und untereinander vernetzt sein.
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