Im VW-Abgasskandal hat ein Oberlandesgericht erstmals den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung gegenüber Volkswagen bejaht. Darauf weisen mehrere Anwaltskanzleien hin.
So teilt Marco Rogert von Rogert & Ulbrich aus Düsseldorf mit: "Das OLG Oldenburg erklärt in einem Hinweisbeschluss kurz vor dem anberaumten Gerichtstermin, dass die Verurteilung der Beklagten aus vorsätzlich sittenwidriger Schädigung durch das Landgericht Osnabrück in erster Instanz zurecht erfolgt sein dürfte".
Soweit ersichtlich habe sich damit "erstmals ein Oberlandesgericht derart deutlich positioniert, was deliktische Ansprüche gegen Volkswagen angeht" ergänzt sein Kollege Tobias Ulbrich.
"Außergewöhnlicher Vorgang"
"Auch andere Oberlandesgerichte haben derartigen Klagen aus Delikt gegen Volkswagen bereits Erfolgsaussichten beschert" so Rogert weiter. "In dieser knappen Deutlichkeit handelt es sich jedoch um einen außergewöhnlichen Vorgang, der in der rechtlichen Aufarbeitung des Abgasskandals seinesgleichen sucht".
Der Hinweis, auf den sich die Juristen beziehen (OLG Oldenburg 2 U 9/18 vom 19.6.2018), enthält folgenden Passus: "(...) weist der Senat in Vorbereitung auf die anstehende mündliche Verhandlung noch darauf hin, dass der Senat bei derzeitiger Würdigung des Sach- und Streitstandes davon ausgeht, dass das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen des §§ 826 BGB zu Recht bejaht hat."
Auch die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer bestätigt: "Das Oberlandesgericht Oldenburg will damit offensichtlich mitteilen, dass das erstinstanzliche Urteil eines Landgerichts Bestand hat, mit dem die Volkswagen AG wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung verurteilt wurde. Es wäre, soweit ersichtlich, das erste Urteil eines Oberlandesgerichts gegen VW direkt wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung."
"Sehr gute Erfolgsaussichten für Klagen"
Die Rechtsanwälte von Dr. Stoll & Sauer verweisen zudem auf das Oberlandesgericht Karlsruhe, das sich im Verfahren 13 U 17/18 in einem Hinweis vom 6.7.2018 ähnlich positioniert habe. Gegenstand war ein Urteil des Landgerichts Offenburg (6 U 119/16), das als eines der ersten Landgerichte die Volkswagen AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verurteilt habe. VW legte Berufung ein.
Das OLG Karlsruhe teilte mit, "nach vorläufiger Rechtsauffassung des Senats spricht auch deutlich mehr für eine Haftung der VW AG auf Schadensersatz nach § 826 BGB als dagegen. Ob die Haftung auch über § 831 BGB begründet werden kann, was nach dem Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig durchaus im Raum steht, hängt vom Parteivortrag in den jeweiligen Verfahren ab."
Dr. Stoll & Sauer interpretiert das OLG Karlsruhe dahingehend, "dass es sehr gute Erfolgsaussichten für Klagen gegen die Volkswagen AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB sieht". Laut Rechtsanwalt Ralf Stoll sind die Chancen für die Geschädigten damit "exorbitant gestiegen". Geschädigte sollten noch vor Ende 2018 handeln, bevor die Ansprüche möglicherweise verjähren.
Klagewelle auch gegen Renault
Die Kanzlei Rogert & Ulbrich vertritt nicht nur die Interessen geschädigter VW-Kunden, sondern eröffnet nun auch für Dieselfahrzeuge von Renault und andere Marken, die Renault-Motoren nutzen, die erste Klagewelle.
Nachdem bereits erfolgreich gegen Renault-Händler geklagt wurde (LG Düsseldorf 23 O 195/15 vom 9.5.2016 und 5 O 369/16 vom 5.2.2018), werden nun auch die ersten Klagen unmittelbar gegen den Hersteller eingereicht.
Auch Renault habe "evident vorsätzlich sittenwidrig getäuscht". Jeder Geschädigte habe deshalb einen "Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges", teilt die Kanzlei mit.
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