Ein Konzernsprecher teilte mit: "Wir können bestätigen, dass Herr Stadler heute früh vorläufig festgenommen wurde." Als Grund nannte die Behörde Verdunkelungsgefahr. Mit der Verhaftung von Audi-Chef Rupert Stadler wollte die Staatsanwaltschaft eine mögliche Beeinflussung von Zeugen oder Beschuldigten im Dieselskandal verhindern. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, soll die Staatsanwaltschaft München II Stadlers Telefonate abgehört haben und auch deshalb konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht der Vertuschung gehabt haben.
Audi ließ wissen: "Vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen kann sich die Audi AG inhaltlich nicht dazu äußern. Für Herrn Stadler gilt weiter die Unschuldsvermutung.“ (Lesen Sie hier den Kommentar zur Stadler-Festnahme: Ein einziges Desaster)
Am 11. Juni 2018 hatte die Staatsanwaltschaft München II mitgeteilt, dass Audi-Chef Rupert Stadler und ein weiteres Vorstandsmitglied der Volkswagen-Tochter Audi in der Abgasaffäre fortan als Beschuldigte geführt würden. Bisher war der Audi-Chef in der Affäre glimpflich davon gekommen und bekam Rückendeckung von den Eigentümer-Familien Porsche und Piech. (Lesen Sie dazu: Vertriebsvorstand Schot soll Stadler vorläufig ersetzen)
Nun hatte die Staatsanwaltschaft München II ein Ermittlungsverfahren gegen Stadler sowie seinen Vorstandskollegen eingeleitet. Der Vorwurf lautet auf "Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung". Stadler und sein Vorstandskollege sollen gewusst haben, dass man Typgenehmigungen (Homologation) für manipulierte Fahrzeuge in Europa bei den Behörden beantragt habe.
Damit laufen die Manager Verdacht, sich des mittelbaren Betrugs schuldig gemacht zu haben. Audi-Chef Stadler könnte demnach schon vor zweieinhalb Jahren Hinweise auf die Manipulationen bekommen haben. Trotzdem habe er nichts dagegen unternommen, dass diese Modelle in Europa in den Verkauf gebracht wurden. Er hätte als Vorstandsvorsitzender auch einen Vertriebsstopp anordnen können beziehungsweise müssen. "Die Ermittler haben bei früheren Razzien eine Mail mit solchen Hinweisen gefunden, die von Ende 2015 stammt und auch an Stadler ging", schreibt die Süddeutsche Zeitung. Im März 2017 und im Februar 2018 hatte es in der Audi-Zentrale in Ingolstadt und im Werk Neckarsulm Razzien gegeben. Ermittler hatten vorige Woche auch Stadlers Privatwohnung durchsucht.
Die Vorwürfe gegen Stadler sollten diesen Montag auch Thema einer Aufsichtsratssitzung beim Volkswagen in Wolfsburg sein. (Lesen Sie hier: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Stadler-Festnahme)
Andere Manager belasten das Top-Management schwer
Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt insgesamt gegen 20 Beschuldigte im Abgasskandal. Der ehemalige Chef der Audi-Motorenentwicklung am Standort Neckarsulm, Ulrich Weiß, der nicht zu den 20 Beschuldigten gehört, soll Stadler im Rahmen seiner Zeugenaussagen massiv belastet haben, wie unter anderem das Handelsblatt berichtete. (Anm. der Redaktion: In einer früheren Version des Beitrags wurde Herr Weiß fälschlicherweise Beschuldigter genannt. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten ihn zu entschuldigen. Zudem war Herr Weiß auch nicht in Untersuchungshaft, sondern Giovanni P.)
Weiß war nach der Aufdeckung der Betrugssoftware bei Dieselmotoren im November 2015 zunächst bezahlt freigestellt worden. Im Februar hatte ihm Audi gekündigt. Audi hatte ihm vorgeworfen, den Vorstand bis September 2015 nicht über Manipulationen informiert zu haben, von denen er nach Auffassung des Unternehmens wusste. Weiß wies die Vorwürfe stets zurück. Im September 2017 schließlich hatte man das Arbeitsverhältnis "einvernehmlich" beendet.
Auch ein ehemaliger Motorenentwickler, Giovanni P. der zwischenzeitlich auch in Untersuchungshaft in München saß, soll das Top-Management mit seinen Zeugenaussagen schwer belastet haben. Er kam im November 2017 gegen eine Kaution von 80.000 Euro auf freien Fuß.
Hatz noch in Untersuchungshaft
Der frühere Entwicklungsvorstand des Sportwagenbauers Porsche, Wolfgang Hatz, sitzt seit Ende 2017 wegen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II in Untersuchungshaft. Zuletzt wurde seine Beschwerde gegen die Untersuchungshaft im März vom Oberlandesgericht verworfen. Auch bei ihm geht das Gericht davon aus, dass der dringende Verdacht der Flucht- und Verdunkelungsgefahr besteht.
Hatz war von 2001 bis 2007 zunächst Chef der Audi-Motorenentwicklung, später dann bei Volkswagen. Ab 2011 war er Entwicklungsvorstand bei Porsche. Als im September 2015 der Abgasskandal bekannt wurde, wurde Hatz zunächst beurlaubt. Im Mai 2016 einigte man sich auf einen Aufhebungsvertrag. Ob der Konzern Schadenersatzansprüche gegen Hatz geltend machen wird, ist noch unklar.
In den USA wurden im Zuge des Diesel-Skandals bereits zwei ehemalige VW-Manager verurteilt: Oliver Schmidt und der Ingenieur James Liang. Schmidt muss eine siebenjährige Haftstrafe verbüßen und 400.000 Dollar zahlen.
Audi soll in den USA und Europa von 2009 an rund 220.000 Dieselautos mit Schummelsoftware verkauft haben. Seit Ende 2015 hatten sechs Audi-Vorstände ihren Hut nehmen müssen. Gegen Stadler waren immer wieder Rücktrittforderungen laut geworden.
Die VW-Aktie reagierte mit Kursverlusten auf die Nachrichten. Am frühen Nachmittag lag sie mit 3,47 Prozent im Minus bei 155,42 Euro und war damit Schlusslicht im bereits schwachen Dax. (Mit Material von dpa)
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