Carsten Breitfelds Leben ist eines sicherlich nicht geworden: leichter. 2015 verließ der Topmanager seinen langjährigen Arbeitgeber BMW und betrat Neuland. Breitfeld ist Mitgründer und Chef der Elektroautomarke Byton. Seit dem Neustart fliegt er fast wöchentlich zwischen den Standorten in China, Kalifornien und München hin und her, um das Projekt auf die Räder zu stellen. „Es ist anstrengend. Aber ich möchte den Pioniergeist und die Freiheiten, die ich hier habe, keinesfalls missen“, sagt er.
So wie Breitfeld haben sich nicht wenige deutsche Manager, die einst bei traditionsreichen Herstellern waren, in fremde Gefilde gewagt. Mit der Gründung neuer E-Autobauer und Start-ups im Silicon Valley und in China ergeben sich nach Zeiten bei BMW, Mercedes, Audi oder Opel Chancen auf eine „Karriere 4.0“. Welche Anbieter sich aber wirklich durchsetzen, ist eine andere Geschichte.
Neue Marken, neue Ideen
20 Jahre war Breitfeld bei BMW. Dann brach er auf, um eine Marke mit einem völlig neuen Konzept von Grund auf zu entwickeln. Wie er auf der Automobilwoche Konferenz im März erzählte, versteht sich Byton mehr als Hightech-Unternehmen denn als klassischer Autobauer. Dieses Selbstverständnis wäre in einem Autokonzern, wo nach wie vor dem Motor gehuldigt wird, wohl nicht denkbar.
Als Breitfeld wechselte, nahm er gleich eine Reihe von BMWlern mit. Er war offenbar nicht der einzige, der Lust auf Neues hatte.
Kris Tomasson, Designchef der neuen Marke Nio, erklärt den Trend so: „Wir können hier alles neu denken, ohne Schranken. Das ist eine Art von Freiheit“, sagte er der Automobilwoche einmal in Austin. Bei Nio, dem zweiten ernst zu nehmenden neuen E-Autobauer neben Byton, arbeiten am Standort München deutsche Ex-Kollegen von Audi, Mercedes et cetera. Tomasson selbst kam von BMW.
Ulrich Walker war früher China-Chef von Daimler. Heute lenkt der 66 Jahre alte Schwabe die Marke Borgward – deutscher Name, chinesischer Eigentümer. Mit seinen Teams in Stuttgart und Peking will Walker den traditionsreichen Hersteller, der 1961 in Konkurs ging, wiederbeleben.
„Ich habe in meinem Berufsleben schon einige Dinge gemacht, wo die Leute gesagt haben, warum tust Du Dir das an? Aber für mich war entscheidend, dass hinter Borgward mit Foton ein solider Investor steht“, erzählte Walker der Automobilwoche im Jahr 2017. Zuletzt hatte Foton Irritationen ausgelöst, weil die Chinesen auf Investorensuche gegangen sind. Aber Walker glaubt fest an die Unterstützung durch Foton.
China kennt Walker aus seiner Daimler-Zeit bestens. Bereut hat er den Schritt nie. „Für mich war das die einmalige Chance, nochmals mit einem weißen Blatt Papier anzufangen.“ Borgward zieht weitere deutsche Manager an, wie zuletzt den neuen Technikchef Philip Koehn, der von BMW kam.
Chinesische Hersteller müssen Know-how aus dem Ausland zukaufen, weil es in der Heimat fehlt. Manager aus dem Geburtsland des Automobils sind da beliebt. Ähnlich wie jetzt China machte es in den 90er-Jahren Südkorea, als es zum Siegeszug ansetzte und deutsche Manager anheuerte wie Ulrich Bez (von Porsche zu Daewoo) und Peter Schreyer (von VW zu Kia).
Für die chinesische Premiummarke Wey von Great Wall ist der deutsche Manager Jens Steingräber ins ferne Baoding gegangen. Wey hat bereits mehr als 100.000 Autos in China verkauft, der Wey-Chef kann also von einem Erfolg sprechen. Doch das Geschäft wird mit dem zunehmenden Wettbewerb schwerer, wie der einstige Audi-Mann der Automobilwoche in Peking sagte.
Enttäuscht von Faraday Future
Doch Steingräber will über etwas anderes reden und klingt ein wenig wehmütig: „Schreiben Sie, dass man stolz auf die deutsche Autoindustrie sein solle, und dass man sie nicht zerstören darf. Wie mit Herstellern und Managern in der deutschen Öffentlichkeit umgegangen wird, ist unwürdig.“ Das ärgert ihn. Aber natürlich will er auch beweisen, wie gut die Chinesen mittlerweile geworden sind.
Anfang 2017 machte sich der frühere BMW-Finanzchef Stefan Krause nach Kalifornien auf. Er sollte die Finanzen des Start-ups Faraday Future ordnen. Die neue Firma lockte auch Ex-BMW-Manager Ulrich Kranz nach Los Angeles. „FF“ war mit viel Pomp gestartet, doch dann wurde es still um die Marke. Krause und Kranz verließen Faraday Future enttäuscht und dachten darüber nach, was sie nun tun sollten. Und hatten eine Idee.
Ende 2017 gründeten sie das Start-up Evelozcity mit Geld aus Taiwan, China und Deutschland. Evelozcity will Konzept und Design der Elektrofahrzeuge entwickeln, die Produktion machen dann aber Auftragsfertiger. Über die Chancen kann man nur spekulieren. Revolution oder Rohrkrepierer – es kann beides werden.
Und nun ist auch Karl-Thomas Neumann dort. Im Sommer 2017 hatte der Opel-Chef das Unternehmen nach der Übernahme durch PSA verlassen. Er, der auch schon bei Continental und Volkswagen war, sah für sich keinen nächsten Arbeitgeber aus der Alten Welt. Nun ist Neumann Manager und Investor in Los Angeles. „In den letzten Jahren habe ich mich immer mehr für Elektroautos begeistert“, schreibt er auf Twitter.
Neumann wohnt nun in Santa Monica und arbeitet an der Zukunft. Rüsselsheim ist gerade ganz weit weg.