30 Jahre. Keine andere Premium-Marke ist so lange mit China verbandelt wie Audi. Seit 1988 bauen die Ingolstädter im Joint Venture mit FAW Autos im Reich der Mitte. Vorsprung durch Risiko. Audi galt lange Zeit als Fuhrparklieferant der Partei. Funktionäre saßen vorwiegend im Fond eines verlängerten 100 und später A6. Doch dann versiegte der Strom. Die Regierung setzte ein Preis-Limit für Dienstwagen.
Doch die Nähe zur Politik hat dazu beigetragen, dass Modelle mit den vier Ringen im Grill deutlich häufiger gekauft wurden als jene der Wettbewerber. Sie waren einfach präsenter. Kein Jahr verging, ohne dass Audi im Premium-Segment nicht die Nummer 1 im Land war. Umso schmerzlicher für Konzernchef Rupert Stadler, dass Konkurrent Mercedes den Audianern ausgerechnet im Jahr des 30-jährigen deutsch-chinesischen Joint Venture in die Parade fährt.
In den ersten vier Monaten 2018 setzte sich Mercedes in China erstmals an die Spitze, verkaufte rund 227.000 Autos. Bei Audi waren es nur rund 207.000.
Klar, eine Momentaufnahme, aber auf sich sitzen lassen will man das natürlich nicht.
Audi ist zuversichtlich, bis zum Jahresende den Spieß umzudrehen. Zumal das prozentuale Wachstum mit 33,5 Prozentpunkten bei den Ingolstädtern deutlich höher ausfiel als bei den Stuttgartern (18 Prozent) „Wir werden wachsen“, verspricht Joachim Wedler, Audi-Chef in China. Aber wie?
Wedler hat einiges in petto:
Das Modellangebot wächst mächtig
„Bis 2022 wird sich die Anzahl unserer lokal produzierten Modelle mehr als verdoppeln“, kündigt der China-Chef an. Derzeit sind es sechs, namentlich Q3, Q5, A6 L, A6 L e-tron und A4 L im Werk Changchun und aus Foshan kommen die beiden Kompaktmodelle A3 Sportback und A3 Limousine - sie zählen intern aber als ein Modell.
Für einen regelrechten „Boost“ im Verkauf sollen sowohl der neue A6 L (Generation C8) sowie den mit verlängertem Radstand angebotenen Q5 L sorgen. Letzterer wird ab Sommer erstmals und ausschließlich in China gebaut und ersetzt den seit 2010 produzierten „normalen“ Q5. Ebenfalls noch in diesem Jahr vom Band in Changchun rollt das City-SUV Q2 L, wobei hier der Radstand nur wenige Zentimeter von der europäischen Version abweicht.
Audis höhere Vielfalt der in China produzierten Modelle macht auch eine neue Aufteilung in den Werken erforderlich. Engpässe in der Kapazität soll eine weitere Fabrik mildern. Sie entsteht in Qingdao, gebaut von FAW-VW.
Mehr SUV und mehr Stromer sollen es richten
Der Plan für das Reich der Mitte sieht bis 2023 insgesamt zehn SUVs vor. Sieben davon wird Audi in China fertigen. Nur Q7, Q7 e-tron und Q8 behalten ihren ausschließlichen Standort Bratislava. Bei vier SUVs wird es sich um reine Elektromodelle handeln. Den Anfang macht Audi in weniger als zwei Jahren mit dem e-tron. Der erste Stromer der Ingolstädter feiert seine Weltpremiere in wenigen Wochen in Brüssel. Folgen dürften in China ein BEV (Battery Elecric Vehicle) im Kompaktsegment (Basis MEB, Modularer Elektrifizierungsbaukasten) und eines aus der Oberklasse (Basis PPE, Premium Plattform Elektrik).
Das alles geschieht nicht ganz freiwillig: Die chinesische Regierung macht Druck. Für 2019 fordert sie eine Verkaufsquote von zehn Prozent für elektrische Modelle - sogenannter NEV (New Energy Vehicle) - für 2020 sogar schon zwölf Prozent.
Schon die erste Vorgabe erfüllt derzeit keiner der deutschen Hersteller. Audi bietet derzeit den A3 Sportback e-tron und den Q7 e-tron sowie den lokal produzierten A6 L e-tron an. Alle drei sind Plug-in-Hybrid-Modelle (PHEV). Sieben weitere Elektroautos und Plug-ins sollen folgen.
„2025 beabsichtigen wir, jährlich 800.000 Elektroautos und Plug-in-Hybride zu bauen“, sagte Audi Vorstandschef Rupert Stadler jetzt bei der Präsentation des neuen SUV-Flaggschiffs Q8 in Shenzhen. Denkbar, dass dann die Hälfte in China verkauft wird, dem heute schon weltweit größten Markt für E-Autos. Von Januar bis April sind hier 121.000 Stromautos neu zugelassen worden, 184 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Allein in Shanghai stehen über 20.000 Ladesäulen, 16.900 sind es derzeit in Shenzhen. Und um bei den Chinesen gleich noch einen guten Eindruck zu hinterlassen, kündigte Stadler für 2030 eine CO2-neutrale Fertigung aller Audi-Fahrzeuge an.
Mehr Entscheidungsgewalt für Designer und Entwickler vor Ort
Nach dem Motto: „Made in China for China“, geht Audi in seinem China-Portfolio speziell auf die Wünsche der Kunden ein. Bislang mussten die Änderungen und Anpassungen aber stets mit der Zentrale in Deutschland abgesprochen werden. Das soll sich nun ändern. Das R&D-Center soll mehr Eigenverantwortung erhalten – sowohl bei Ausstattungen als auch Design. Damit nicht genug. Weil das seit 2013 betriebene R&D-Center in Peking - das größte außerhalb von Ingolstadt – aus allen Nähten platzt, soll ebenfalls in Peking, ein neues Center entstehen und die Zahl der Mitarbeiter auf 650 mehr als verdoppelt werden.
Auch der 1:1-Modellbau sowie diverse Testprozeduren sind jetzt vor Ort möglich. „Unser Fokus liegt dabei auf Hard- und Softwareentwicklungen“, sagt Saad Metz, Chef des Audi R&D in Peking. Denn chinesische Kunden machen wie keine anderen ihre Kaufentscheidungen vom Fortschritt in der Digitalisierung abhängig. In welch einer digitalen Welt gerade jüngere Leute in China leben, zeigt unter anderem eine Statistik von Audi, die das bargeldlose Zahlen per Smartphone betrifft. Danach sind in China in nicht einmal einem Jahr über 13 Billionen US-Dollar umgesetzt worden, 300 Mal mehr als in den USA. Saad Metz: „84 Prozent der Chinesen verlassen täglich ihr zu Hause ohne Bargeld.“
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