Was wird vom Bundesverkehrsministerium bzw. dem KBA beanstandet?
Das KBA verlangt den Rückruf von 6300 Transportern des Typs Vito mit 1,6l-Diesel-Motor Euro 6. Verbaut sind Motoren der Baureihe "OM622". Beim Vito setzt die Abgasreinigung zeitweise aus - zwei Softwarefunktionen steuern die Harnstoffeinspritzung und drosseln dies teils massiv.
Das ist verboten. Das EU-Recht hat den Herstellern bisher jedoch ein Schlupfloch gelassen: den so genannten Motorschutz. Die Abgasreinigung darf gedrosselt werden, wenn dies den Motor vor Schäden bewahrt. Nahezu alle Hersteller haben sich auf diesen Motor- oder Bauteilschutz berufen.
Was sagt Daimler zu den Vorwürfen?
Daimler führt genau jenen Motorschutz ins Feld. Außerdem heißt es aus Stuttgart, dass der Vito den NEFZ besteht - auch ohne die beanstandete Software. Demnach genüge er den aktuellen Abgasanforderungen.
"Daimler wird gegen den KBA-Bescheid zum Modell Mercedes-Benz Vito 1,6l Diesel Euro 6 Widerspruch einlegen. Falls erforderlich wird das Unternehmen die strittige Rechtsauslegung auch vor Gericht klären lassen", teilte der Konzern mit.
Schon zu Beginn des Diesel-Skandals stellte Daimler-Chef Zetsche fest: "Wir halten uns grundsätzlich an die gesetzlichen Vorgaben und haben keinerlei Manipulationen an unseren Fahrzeugen vorgenommen." Davon wird er nun kaum abrücken wollen.
Geht es wieder um eine Prüfstandserkennung wie im Fall manipulierter VW-Diesel?
Nein, darum geht es hier nicht. Es geht lediglich um die zu starke Drosselung der Abgasreinigung.
Sind noch mehr Modelle betroffen?
Das ist noch nicht restlos geklärt. Wie der "Spiegel" als erstes Medium berichtet hatte, hat das KBA einen "konkreten Verdacht". Dabei geht es um Modelle der G-Klasse und C-Klasse. Laut "Handelsblatt" könnten bei der C-Klasse bis zu 750.000 Fahrzeuge betroffen sein. In diesem Modell sind Motoren des Kooperationspartners Renault verbaut - sie tragen die Bezeichnung "OM626".
Der Verdacht überrascht insoweit, als Daimler beim Ende 2016 für ganz Europa gestarteten freiwilligen Service-Rückruf auch diese Motoren mit einem neuen Software-Update ausgestattet hatte.
Wie das "Handelsblatt" weiter berichtet, gab es zudem unter anderem einen intensiven Schriftwechsel zwischen der Behörde und Daimler zum Kleintransporter "Sprinter". Dieser hatte in den Prüfungen des KBA auffällige Werte gezeigt. Daimler habe, so das "HB", einen eigenen "Vorschlag" für den Endbericht angeboten. So könne "eine besondere temperaturabhängige Verhaltensweise des Fahrzeugs" aus den Tests "nicht abgeleitet werden", zitiert das Blatt aus dem Schriftwechsel. Daimler führte auch hier den "Bauteileschutz" an, es sei also alles rechtskonform.
Kann Daimler gehen das Vorgehen des KBA klagen?
Bislang hat noch kein Autohersteller gegen einen Bescheid der Behörde geklagt. Rechtlich ist dies jedoch möglich. Daimlers Drohung, rechtliche Schritte einzuleiten, ist deshalb spannend, weil der Konzern damit dem KBA unterstellt, nicht sauber zu arbeiten - und somit das Verkehrsministerium insgesamt in Frage stellt.
Was sind die nächsten Schritte?
Daimler muss nun bis zum 15. Juni eine Lösung für den Vito finden. Das Ministerium hat Daimler außerdem aufgefordert, binnen 14 Tagen alle weiteren Mercedes-Modelle zu überprüfen, die mit ähnlichen Motor-Getriebe-Kombinationen ausgestattet sind.
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