Volkswagen-Chef Matthias Müller hat umstrittene Versuche beim Test von Dieselabgasen an Affen als inakzeptabel bezeichnet. "Die damals von der EUGT in den USA praktizierten Methoden waren falsch, sie waren unethisch und abstoßend. Mit Interessensvertretung oder wissenschaftlicher Aufklärung hatte das nichts, gar nichts zu tun", sagte Müller. "Mir tut es leid, dass Volkswagen als einer der Träger der EUGT an diesen Vorgängen beteiligt war. [...] Es gibt Dinge, die tut man schlicht nicht." Es müssten nun "alle nötigen Konsequenzen" gezogen werden.
Müller sagte weiter: "Wir mussten am Wochenende einmal mehr erfahren: Es liegt noch ein langer Weg vor uns, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Ich entschuldige mich aufrichtig für das Fehlverhalten und die Fehleinschätzung derjenigen bei uns, die damit zu tun hatten."
Eine erste Konsequenz wurde inzwischen gezogen: VW-Cheflobbyist Thomas Steg (offiziell: Leiter der Konzern-Außenbeziehungen und Nachhaltigkeit) wurde beurlaubt (mehr dazu hier)
Affen wurden gezielt Schadstoffen ausgesetzt
Volkswagen hatte sich am Wochenende bereits für die in den USA durchgeführten Versuche entschuldigt, bei denen Affen gezielt Schadstoffen ausgesetzt worden waren. Die Tests waren Teil einer Studie, die beweisen sollte, dass die Diesel-Schadstoffbelastung dank moderner Abgasreinigung erheblich abgenommen hat.
Die EUGT ("Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor") - eine von VW, Daimler und BMW finanzierte Lobby-Initiative - hatte die Studie zu diesem Zweck beim US-amerikanischen Lovelace Respiratory Research Institute in Auftrag gegeben. Dem Studienleiter zufolge war VW dabei in einer Führungsrolle.
"Tierversuche für die Zukunft absolut ausschließen"
In dem Zusammenhang kam zudem der Verdacht auf, dass es Schadstofftests nicht nur mit Affen, sondern auch mit Menschen gegeben haben soll. Er ging aus einem Report des Lobby-Instituts EUGT hervor, über den "Stuttgarter Zeitung" und "Süddeutsche Zeitung" berichteten. Der zuständige Institutsleiter Thomas Kraus von der Universität Aachen wies den Vorwurf zurück: eine entsprechende Studie befasse sich nicht mit der Dieselbelastung von Menschen.
Zudem will Volkswagen künftig ganz auf Tierversuche verzichten: "Wir wollen Tierversuche für die Zukunft absolut ausschließen. Damit so etwas nicht noch einmal passiert", sagte der VW-Generalbevollmächtigte Thomas Steg der "Bild"-Zeitung (Dienstag). VW lasse prüfen, was nach den Versuchen mit den Affen geschehen sei, in welchem Zustand sie übergeben wurden und wie es ihnen heute gehe.
Sorge um Image der Forschung
Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates sorgt sich derweil um den Imageschaden für die seriöse Forschungsarbeit. "Dass die Forschung durch die Autoindustrie gesponsert worden ist, kann auch das Vertrauen in die Forschung untergraben", sagte Peter Dabrock dem Sender hr-info. Die Aufregung um eine Schadstoffstudie des Aachener Universitätsklinikums hänge damit zusammen, "dass die Forschung ausgerechnet von jemandem gesponsert worden ist, der größter Profiteur dieser Forschung sein kann - das hat ein Geschmäckle."
Das führe zu der Frage, wie die Forschungsförderung in Deutschland generell geregelt werden sollte. "Die Autoindustrie macht ein ums andere Mal Vertrauen kaputt", kritisierte der Ethik-Professor der Universität Erlangen.
Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt
Die umstrittenen Tests sollen auch Thema im Bundestag werden. Die Grünen beantragten für diese Woche eine Aktuelle Stunde im Parlament. "Wir fordern die Bundesregierung auf, klar zu sagen, ob sie bereits von den zwielichtigen Methoden der Autoindustrie wusste und inwieweit diese sogar aus öffentlichen Geldern finanziert wurden", sagte Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann. Sie warf den Autobauern vor, mit angeblich wissenschaftlichen Tierexperimenten und Tests an Menschen die Gefahr von Stickoxiden zu verharmlosen.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks verurteilte die Schadstofftests der Autoindustrie an Affen und Menschen als unethisch. Offenbar seien sich Einzelne oder auch Mehrere in der Autoindustrie ihrer Verantwortung nicht bewusst, sagte die SPD-Politikerin. Sie schadeten damit der ganzen Branche. "Das, was VW wohl führend und zusammen mit anderen Automobilherstellern gemacht hat an Versuchen mit Affen in New Mexico und mit Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, halte ich für verantwortungslos", sagte Hendricks.
"Schön, dass sich heute alle davon distanzieren"
Die Autoindustrie hatte Wissenschaftler eingespannt, um mit der von BMW, Daimler und VW betriebenen Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) Gesundheitsgefahren von Dieselabgasen zu verharmlosen. Nachdem 2015 aufgeflogen war, dass VW bei Dieselfahrzeugen Messergebnisse manipuliert hatte, erklärten drei der sieben Mitglieder des Forschungsbeirates nach Informationen von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR ihren Rücktritt.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die hält Distanzierungen der Autoindustrie von den Tests und Tierversuchen für unglaubwürdig. "Es ist ja schön, dass sich heute alle davon distanzieren, weil die öffentliche Meinung das inzwischen von ihnen verlangt", sagte er im rbb-Inforadio. "Vor allem die Aufsichtsräte müssen jetzt mal aufklären, wie die Verantwortungs- und Entscheidungsstrukturen in ihren Unternehmen jeweils laufen. Denn es kann doch nicht wahr sein, dass keiner von ihnen etwas gewusst hat und immer ist es irgendwie passiert."
Justizminister: "Einfach entsetzlich"
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag): "Was da berichtet wird, ist einfach schockierend. Wer solche Tests in Auftrag gibt, scheint jeglichen Maßstab verloren zu haben." Menschen und Tiere für die eigenen Zwecke zu missbrauchen sei "einfach entsetzlich".
SPD-Politiker Klaus Barthel fordert, die Nähe der Wirtschaft zu wissenschaftlichen Einrichtungen stärker in den Blick zu nehmen. "Wir brauchen eine breite Debatte über den zunehmenden Einfluss wirtschaftlicher Interessen auf Forschung und Lehre an Hochschulen. Das verträgliche Maß ist bei weitem überschritten. Das schadet dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit der Wissenschaft", sagte der Chef des SPD-Arbeitnehmerflügels dem "Handelsblatt".
Bosch-Chef Volkmar Denner nannte die Versuche mit Affen einen erheblichen Rückschlag. Bosch sei bereits 2013 aus der EUGT ausgestiegen. Die wissenschaftlichen Fortschritte hätten nicht dem entsprochen, was man erwartet habe, sagte Denner.
Der Grünen-Politiker Harald Ebner forderte striktere Richtlinien für Tierversuche. Der Bundestagsabgeordnete sagte der "Heilbronner Stimme" (Dienstag): "Die deutschen Behörden haben nach aktueller Regelung zu wenig Handhabe, Tierversuche wirksam zu begrenzen. Alternative Methoden werden viel zu wenig gefördert." (dpa/gem)
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