Tierversuche auch in der Autoindustrie? Scheinbar schon. So sollen laut eines Berichts der New York Times und der "Bild" die drei Hersteller BMW, Daimler und VW Versuche mit zehn Affen finanziert haben, um zu beweisen, wie wenig gesundheitsschädlich Dieselabgase sind.
Die Details zum Tierversuch-Experiment stammen aus einer Klage gegen VW in den USA. Die Organisation, die diese Versuche bei Forschern in den USA in Auftrag gegeben haben soll, die Europäische Forschungsgruppe Umwelt und Gesundheit im Verkehrssektor, wurde komplett von VW, Daimler und BMW finanziert. Abgeschlossen wurde das Experiment laut New York Times nicht. Der "Bild" liegen, wie sie berichtet, "Verträge, E-Mails, Gerichtsdokumente und Fotos" der Tierversuche aus dem Mai 2015 vor.
2014 starteten die Forscher mit dem Versuch. Dafür wurden laut Bericht zehn Javaneraffen in luftdichte Kammern gesetzt. Laut "Bild" wurden die zehn Affen mit einem alten Ford Pick-up und einem VW Beetle - mit Schummel-Software - in ein Labor in Albuquerque in New Mexico gebracht. Beide Autos wurden nacheinander auf einen Rollenstand gestellt. Der Motor wurde gestartet, die Abgase über ein Rohr in einen anliegenden Raum zu den Affen geleitet - bis zu vier Stunden lang, wie "Bild" berichtet. Die Affen überlebten die Tests laut "Bild". Damit die Affen nicht unruhig wurden, zeigte man ihnen Cartoonfilme.
VW in leitender Rolle?
Der Grund, diesen Versuch mit Affen durchzuführen war eine Studie der Welt-Gesundheits-Organisation WHO aus dem Jahr 2012, die besagt, dass Dieselabgase krebserregend seien. Dass dem nicht so ist, wollten die Hersteller angeblich mit diesen Versuchen beweisen.
Die leitende Rolle bei diesem Affen-Experiment soll laut New York Times VW gehabt haben, ein ehemaliger Mitarbeiter habe das Projekt leitend betreut.
"Bild" zitiert noch aus einer E-Mail eines ehemaligen VW-Mitarbeiters aus dem Oktober 2013 unter anderem an den VW-Forschungschef. Demnach wurde sogar diskutiert, "menschliche Freiwillige" für die Versuche zu nehmen. Am Ende nahm man die Affen, da, wie der VW-Mitarbeiter schrieb: "Du kannst dir die öffentliche Diskussion bei einer solchen Studie vorstellen."
Daimler distanziert sich
Die Leitung der Studie hatte laut "Bild" James Liang, der in den Abgas-Skandal verstrickt war und später als Kronzeuge auspackte. Er wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.
Daimler und VW bestätigten auf dpa-Anfrage die Auftragsvergabe, wollten sich zu den Experimenten aber nicht konkreter äußern. Daimler sagte auf Anfrage der Automobilwoche, man distanziere sich von der Studie. VW habe ein Auto als "Emissionsquelle" zur Verfügung gestellt. Es sei kein Fahrzeug des Stuttgarter Konzerns eingesetzt worden. "Daimler toleriert und unterstützt keine unethische Behandlung von Tieren." Zudem habe man zum Zeitpunkt der Studie nichts von den bei VW verwendeten Abschalteinrichtungen gewusst.
BMW äußerte sich in einem Statement ähnlich wie Daimler - der Konzern führe keine Tierversuche durch und habe an der Studie nicht mitgewirkt. "Details wie Ablauf oder Umfang können wir entsprechend nicht kommentieren". VW teilte zudem mit, die Kritik an der Studie sehr ernst zu nehmen. Zum Zeitpunkt der Auflösung von EUGT hätten noch keine abschließenden Ergebnisse der Studie vorgelegen, "womit das Projekt auch nicht abgeschlossen und veröffentlicht worden" sei.
VW: "Distanzieren uns klar von Tierquälerei"
Volkswagen gab auf Anfrage der Automobilwoche folgendes Statement zu den Berichten ab: "Der Volkswagen Konzern ist sich seiner sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Als Unternehmen nehmen wir die Kritik an dieser Studie der EUGT sehr ernst. Wir sind der Überzeugung, dass die damals gewählte wissenschaftliche Methodik falsch war. Es wäre besser gewesen, auf eine solche Untersuchung von vornherein zu verzichten. Der Volkswagen Konzern distanziert sich klar von allen Formen der Tierquälerei. Tierversuche stehen in keinster Weise mit unseren Unternehmensstandards in Einklang. Wir entschuldigen uns für das Fehlverhalten und die Fehleinschätzung Einzelner.
Allgemein können wir zum Sachverhalt sagen: Die Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) wurde 2007 als unabhängiges Forschungsinstitut von BMW, Daimler, Volkswagen und Bosch gegründet, alle Vereinsmitglieder haben gleichberechtigt zusammengearbeitet. Die EUGT hat auch den Auftrag der Studie an das US-Institut Lovelace Respiratory Research Institute (LRRI) erteilt. Die EUGT wurde zum 30.06.2017 aufgelöst. Zum Zeitpunkt der Auflösung lagen die abschließenden Ergebnisse der Studie nicht vor, womit das Projekt auch nicht abgeschlossen und veröffentlicht worden ist."
"New York Times" stützt sich auf Zeugenaussagen
Die "New York Times" stützt sich bei der Beschreibung der Experimente vor allem auf Zeugenaussagen des Studienleiters Jake McDonald vom Lovelace Respiratory Research Institute (LRRI). Ihm sei nicht klar gewesen, dass der VW Beetle eine Software zur Abgas-Manipulation an Bord hatte. McDonald war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
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