Der Machtkampf bei ZF ist entschieden. Vorstandschef Stefan Sommer, der in den vergangenen Jahren einen drastischen Expansions- und Transformationskurs gefahren ist, hat das Unternehmen verlassen.
Doch die Herausforderungen für den Konzern bleiben. Noch steuern mechanische Komponenten rund 90 Prozent zum Unternehmensumsatz bei. Eine der Hauptaufgaben des künftigen ZF-Chefs wird daher sein, den Konzern so umzusteuern, dass in den nächsten Jahren viele Tausend Mitarbeiter im Bereich der Hochpräzisionsmechanik weiterhin gebraucht werden. Dafür muss die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Standorte erhöht werden, was wohl nicht ohne Einschnitte und Verteilungskämpfe machbar sein wird. Und die Zeit drängt. Der Umbruch in Richtung E-Mobilität, Vernetzung, autonomes Fahren und Digitalisierung nimmt immer mehr Fahrt auf und kostet Geld.
Sommers beachtliche Bilanz
Sommer hat bis zu seinem Ausscheiden viel bewegt: Nachdem er den Zulieferer im Mai 2012 von Vorstandschef Hans-Georg Härter übernommen hatte, stieg der Umsatz um mehr als das Doppelte auf rund 35 Milliarden Euro im Jahr 2016. Zudem hat der Konzern im ersten Halbjahr 2017 trotz hoher Ausgaben im Bereich Elektromobilität und autonomes Fahren die Marge verbessert.
Auch die Mitte 2015 abgeschlossene Übernahme des US-Zulieferers TRW, Anbieter von aktiver und passiver Sicherheitstechnik und Sensorik, ist längst verdaut. Die Verschuldung wurde schneller abgebaut als erwartet, die Integration verlief reibungslos. Mit den in den vergangenen Monaten in großer Anzahl abgeschlossenen Kooperationen und Partnerschaften wollte Sommer den Zulieferer zudem agiler machen.
Widerstand der Eigentümer unterschätzt
Allerdings hat Sommer den Widerstand der Eigentümer unterschätzt. Offensichtlich ist es ihm nicht gelungen, Eigentümer und Teile des Aufsichtsrats für seine Vorstellungen zu begeistern. Nicht gerade harmoniefördernd war vor allem ein Interview, das er im Sommer der „Schwäbischen Zeitung“ gegeben hatte. Dabei forderte er die Stadt indirekt auf, sich aus dem operativen Geschäft herauszuhalten. „Lokalpolitische Erwägungen“ dürften nicht die Unternehmensstrategie bestimmen, so Sommer.
Das klang alles schon mal ganz anders: Noch im Februar 2013 hatte er beim Spatenstich zur neuen Konzernzentrale am Rande der Innenstadt von Friedrichshafen davon gesprochen, sich mit der rund 90 Millionen Euro teuren Zentrale der Stadt öffnen zu wollen und die Entscheidungen näher an die Stadt heran zu bringen.
Abgelehnte Wabco-Übernahme
Die Äußerungen in dem Interview waren wohl eine Replik auf die vom Aufsichtsrat abgelehnte Übernahme des belgisch-amerikanischen Herstellers von Nutzfahrzeugbremsen Wabco. Im Herbst verweigerte sich das Gremium Sommers Anliegen erneut. Rund sechs Milliarden Euro hätte der Zukauf wohl gekostet. Eine solch hohe weitere Verschuldung wollte der Aufsichtsrat nicht tragen.
Das Gremium und die Eigner hielten auch wenig von den Plänen eines Börsengangs, mit denen der zurückgetretene Aufsichtsratsvorsitzende Giorgio Behr und Sommer angeblich liebäugelten. Vor allem Behr galt als Verfechter dieses Plans. Er habe keine Gelegenheit ausgelassen, um das Thema zu diskutieren, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person der Automobilwoche.
Höhere Dividendenzahlung
Zudem wollen die ZF-Anteilseigner – die Zeppelin-Stiftung (93,8 Prozent), die von der Stadt Friedrichshafen verwaltet wird, und die Dr. Jürgen und Irmgard Ulderup Stiftung (6,2 Prozent) – künftig eine deutlich höhere Dividende erhalten. Das Unternehmen soll 18 Prozent seines Gewinns nach Steuern abführen. Das wären 2017 rund 160 Millionen Euro. Zuletzt hatte ZF 50 Millionen Euro überwiesen.
Damit wird sich dann Sommers Nachfolger beschäftigen müssen. Mögliche Kandidaten werden bereits durchleuchtet. Von entscheidender Bedeutung für die Auswahl sei neben der strategischen auch die soziale Kompetenz. Sommer habe zwar im Unternehmen als exzellenter Ingenieur mit Gespür für die Märkte gegolten, aber Eigentümer und Belegschaft dabei nicht mitnehmen können.
Eigentümer besser einbinden
Vor allem sein Führungsstil habe letztlich zum Zerwürfnis geführt. Gefordert sei deshalb auch eine andere Informationspolitik. Ein Insider: „Wir machen viermal im Jahr eine Roadshow für Investoren in London, dann sollten wir es auch schaffen, die Eigentümer besser einzubinden.“
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