Leoni-Chef Dieter Bellé will aufhören. Wie der Zulieferer mitteilte, verlässt der 61-Jährige das Unternehmen auf eigenen Wunsch zum 31. Januar 2018. "Die letzten Jahre waren mit erheblichen Anstrengungen verbunden, insbesondere für ihn persönlich. Sie haben ihn viel Kraft gekostet", so ein Sprecher. Kein Wunder, denn seit seinem Amtsantritt im Mai 2015 musste Bellé etliche Rückschläge verkraften. Sowohl finanziell als auch personell.
Innerhalb von zwölf Monaten musste Leoni zwei Gewinnwarnungen veröffentliche. Der Standort Rumänien war völlig aus dem Ruder gelaufen, 1100 Stellen wurden gestrichen, zwei Vorstände wurden "entsorgt" – und dann wurde das Unternehmen noch um 40 Millionen beklaut. So die Kurzfassung.
Ein kurzer Rückblick auf das Chaos, das Bellé ordnen musste: Im dritten Quartal 2015 hatte das Unternehmen zu viele Aufträge angenommen und das Bordnetzwerk in Rumänien unkoordiniert mit Aufträgen bombardiert. Das Werk musste zahlreiche neue Mitarbeiter einstellen, um die Aufträge überhaupt bedienen zu können. Das war teuer, die Kosten explodierten. Ein selbstverschuldeter Fehler, der dem damaligen Chef der Bordnetzsparte, Andreas Brand, den Job kostete.
Auch sein Nachfolger Frank Hiller – bis dato verantwortlich für die Sparte Draht & Kabel – verlässt nach nur einem Jahr auf dem neuen Posten das Haus. Ein Befreiungsschlag für den Vorstandschef. „Bellé und Hiller waren sich nicht grün“, sagt ein Insider.
Dann wurde Leoni Opfer eines Betrugs. Im August 2016 war bekannt geworden, dass der Zulieferer durch die sogenannte "Chefmasche" um rund 40 Millionen Euro betrogen worden war. Die Täter hatten sich als Chefs ausgegeben und über E-Mails und Telefonate das Vertrauen der Angestellten im rumänischen Werk erschlichen. Sie brachten sie dazu, das Geld auf Konten in China und Hongkong zu überweisen. Bis Mitte 2017 hatte Leoni nur rund fünf Millionen Euro von der Versicherung erstattet bekommen - maximal 20 Millionen Euro kann Leoni insgesamt zurückbekommen. Ein schweres Ärgernis für Chef Bellé. Das alles zerrten an den Nerven des ansonsten so ausgeglichenen Hanseaten.
Im April startete Martin Stüttem als Chef der Bordnetzsparte. Auch in den Unternehmensbereichen räumte der Vorstandsvorsitzende auf: Um sich stärker auf die Kernkompetenzen konzentrieren zu können, verkaufte Leoni das Weiße-Ware-Geschäft Anfang 2017 für 50 Millionen Euro an ein taiwanesisches Unternehmen.
Seither war in Nürnberg wieder Ruhe eingekehrt. In der Bordnetzsparte erwartet der Zulieferer ein deutliches Wachstum. Alleine im Bereich Elektromobilität seien 2017 bereits Aufträge im Wert von 400 Millionen Euro eingegangen, sagte Stüttem auf der IAA in Frankfurt. Im Juli konnte Leoni die Gewinnprognose für 2017 auf 190 bis 210 Millionen Euro anheben. Im zweiten Quartal verzeichnete der Lieferant einen Gewinnsprung. Vor allem auf die Bordnetzsparte setzen die Nürnberger angesichts der immer stärker werdenden Elektromobilität große Hoffnungen.
Um von dem Trend noch stärker zu profitieren, will der Zulieferer seinen Kunden künftig "One-stop-shopping" anbieten und sein Portfolio an konventionellen Bordnetzen und Hochvolt-Produkten enger verknüpfen. Drei neue Werke will Leoni 2017 eröffnen: in der Ukraine, in Serbien sowie in Mexiko.
In ein gemachtes Nest wird sich der Nachfolger von Bellé trotz des guten Trends dennoch nicht setzen können. Zwar dürfte die Bordnetzsparte durch Elektromobilität und autonomes Fahren weiter wachsen. Doch die Fertigung der Kabelbäume ist teuer und der Automatisierungsgrad gering. Dass Bellé nun, mit 61, einen Schlussstrich zieht, kann man ihm nicht verdenken.
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